Henrik Müller beschreibt die Folgen der Eiszeit
Der von mir sehr geschätzte Henrik Müller promotet sein neues Buch bei SPIEGEL ONLINE. Auch wenn ich seine Sicht nicht immer teile – so denke ich beispielsweise, wir werden um eine gewisse Rückbesinnung auf die Nationalstaaten nicht umhinkommen –, ist es interessant, seine Thesen zu lesen. In weiten Teilen ähneln sie dem → Inhalt der Eiszeit, übrigens im gleichen Verlag erschienen.
- „Wir sind Zeitzeugen eines Wandels zum Schlechteren. Auf die zunächst verheißungsvolle Öffnung der Wirtschaft folgt nun eine globale Gegenbewegung. Sie kommt ungesteuert daher, planlos.“ – bto: Das ist leider zweifellos war, jedoch die direkte Folge einer Wirtschaftspolitik, die seit Jahren auf Schulden statt echter Reformen setzt.
- „Der schuldengetriebene Kapitalismus erzeugt gefährliche finanzielle, ökonomische und soziale Ungleichgewichte.“ – bto: Es ist jedoch eine Schuldenwirtschaft, die gerade auch von Staaten und Notenbanken angefeuert wurde, um eine „Wohlstandsillusion“ zu erzeugen.
- „Das Zusammenspiel von Globalisierung und Demografie führt zu immer größeren Spannungen zwischen den ökonomischen Zentren und der Peripherie.“ – bto: Müller ist einer der großen Befürworter der Zuwanderung zur Lösung der Probleme. Ich sehe das bekanntlich völlig anders, weil es weder die Qualifikation gibt und zudem die Migranten auch altern. Die Demografie als solches ist ein Problem, weil es das Ponzi-Schema so verdeutlicht. → „Zuwanderung ist die falsche Strategie“
- „Über Jahrzehnte wurden die westlichen Marktdemokratien geeint von einem Versprechen: Wohlstand für alle. (…) Doch dieses Versprechen wird vielerorts nicht mehr eingelöst. (…) Rund zwei Drittel der Bürger in den etablierten westlichen Ländern kamen zwischen 2005 und 2014 nicht mehr in den Genuss von steigenden Markteinkommen, wie das McKinsey Global Institute (MGI), der Thinktank der gleichnamigen Unternehmensberatung, berechnet hat.“ – bto: Das ist in der Tat ein Problem vor allem der Globalisierung. Dafür sind Hunderte Millionen Menschen weltweit der Armut entkommen.
- „Nach MGI-Prognosen könnte dieser Anteil bis 2025 auf 70 bis 80 Prozent steigen, sofern sich das schwache Wirtschaftswachstum fortsetzt.“ – bto: was MGI ja auch auf die Kapitalmärkte überträgt und dort – wie ich – ebenfalls eine Eiszeit erwartet. → „McKinsey sieht die Eiszeit“
- „Zwar haben staatliche Umverteilungssysteme bislang einiges korrigieren können. Bei den verfügbaren Einkommen (also nach Transferzahlungen und progressiven Steuern) ist die Entwicklung nicht ganz so schlecht. (…) Bei schwachem Wachstum und angespannten Staatshaushalten werden staatliche Umverteilungsmöglichkeiten an Grenzen stoßen, umso mehr Menschen werden betroffen sein.“ – bto: Bei uns hat die Politik das noch nicht gemerkt und denkt nebenbei auch noch, die EU durch Umverteilung retten zu können …
- „Demokratie (…) funktioniert, solange Mehrheiten das Gefühl haben, Nutznießer des Systems zu sein. Demokratien sind deshalb darauf angewiesen, dass breite Mehrheiten mit den wirtschaftlichen Grundlagen der Gesellschaft zufrieden.“ – bto: Soweit zum Thema, wir wären doch überzeugte Demokraten. Es ist wie im alten Rom.
- „Wenn Mehrheiten erleben, dass sich ihre Lebensumstände über längere Zeiträume nicht mehr verbessern, sondern sich sogar tendenziell verschlechtern, wird die Legitimation des Systems insgesamt ausgehöhlt. Verteilungskämpfe werden schärfer.“ – bto: wie übrigens schon in der → Billionen Schuldenbombe vorhergesagt mit Blick auf das Ponzi-Schema der westlichen Volkswirtschaften.
- „In Italien (…) sind annähernd 100 Prozent der Bevölkerung von stagnierenden oder sinkenden verfügbaren Einkommen betroffen. In Großbritannien sind es 60 Prozent; in den Niederlanden (…) 70 Prozent. In Frankreich (…) 63 Prozent der Bürger (…).“– bto: Die Kritik an der Zuwanderungspolitik darf man meines Erachtens nicht nur auf dieses Thema reduzieren. Das hat auch mit der Art der Zuwanderung zu tun.
- „Über Generationen waren Wohlstandszuwächse in der Breite der Bevölkerung möglich, weil die Beschäftigten pro Stunde immer mehr Wertschöpfung erbrachten – weil ihnen mehr Maschinen, Computer und mehr Wissen zur Verfügung standen. (…) Bei gleichem Arbeitseinsatz können sie mehr produzieren. Dadurch werden höhere Löhne und steigende Lebensstandards möglich. So kann es Wohlstandszuwächse geben, die kein anderes real existierendes Wirtschaftssystem erreicht hat.“ – bto: Deshalb sollten wir statt auf Zuwanderung auf einen massiven Automatisierungsschub setzen und diesen entsprechend subventionieren, um Investitionen anzuregen.
- „Das Produktivitätswachstum geht zurück. In vielen wohlhabenden Ländern nähert es sich der Nulllinie (…) Die Kapitalausstattung der entwickelten Volkswirtschaften nimmt immer langsamer zu. (…) Im Durchschnitt der OECD-Länder hat sich das trendmäßige Wachstum des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf seit Ende der Neunzigerjahre halbiert. Der Kapitalismus produziert immer geringere Wohlstandszuwächse.“ – bto: Willkommen in der Eiszeit!
- „Auch in Deutschland (…) ist dieser Trend zu beobachten. In kaum einem anderen westlichen Land ist die Investitionsquote (ohne Wohnungsbau) nach OECD-Berechnungen so niedrig. Inzwischen sorgen die schwachen Kapitalausgaben dafür, dass die Produktivität pro Beschäftigten kaum noch steigt.“ – bto: Warum sollte man auch in einem Land mit schrumpfender Bevölkerung und schlechter Wirtschaftspolitik investieren?
- „Das System insgesamt braucht eine Generalüberholung – einen globalen Pakt gegen den Stillstand. Was nicht erwirtschaftet wird, das kann auch nicht verteilt werden. (…) Es geht um Bildung (von der Kita bis zur Spitzenuni), um Energie-, Verkehrs- und Netzinfrastruktur, um Steuerpolitik, Wettbewerbspolitik auf digitalen Märkten, Finanzmarktregulierung, Geld und Währung. Die Produktivitätsschwäche wird sich nur dann überwinden lassen, wenn wieder mehr Mittel in echte Investitionen fließen, statt in immer teurere Immobilien, Wertpapiere oder Firmenübernahmen.“ – bto: Geld und Währung? Ist Müller jetzt ein Anhänger vom Vollgeld? Will er nun doch den Euro auflösen?
- „Problematisch wird es, wenn die Wohlstandszuwächse dauerhaft ausbleiben (…) Dann nehmen Verteilungskonflikte zu – zwischen sozialen Gruppen, zwischen Regionen, zwischen Ethnien. Eine Zeit lang kann der Staat versuchen, die Konflikte zuzudecken, indem er auf Pump Geld ausgibt oder indem er die Banken animiert, mehr Kredite an Privatleute und Unternehmen zu vergeben.“ – bto: Aber genau das machen wir doch seit Mitte der 1980er-Jahre!!
- „Aber diese Strategie ist endlich: Irgendwann sind die Grenzen der Kreditwürdigkeit in Sicht. Es fehlt schlicht an Geld, um Konflikte zu befrieden.“ – bto: Könnte es sein, dass dieser Punkt näher ist, als wir denken?
→ SPIEGEL ONLINE: “Stresstest für die Demokratie”, 19. Februar 2017