“Von billigem Geld zusammengehalten”
Dieses Interview mit mir erschien am 13. Januar bei ZEIT ONLINE und hat mir bei einigen Lesern von bto die Kritik eingetragen, es sei zu “weich gespült”. Natürlich hätte man bei der Gelegenheit das ganze Geldsystem, die Politik der Bundesregierung, den globalen Crash mit Schuldenschnitt und Weiteres ansprechen können. Das aber hängt von den Fragen, die gestellt werden, vom Kontext und letztlich vom zur Verfügung stehenden Platz ab:
Die Furcht vor einer rasanten Inflation hält der Ökonom Daniel Stelter für wenig begründet. Die Gefahr in der Eurozone liegt tiefer.
ZEIT ONLINE: Herr Stelter, eine Reihe von Wirtschaftsinstituten und etliche Medien warnen vor einem sprunghaften Preisanstieg in diesem Jahr. Kehrt die Inflation mit voller Wucht zurück?
Daniel Stelter: Im Moment treibt der Ölpreis die Inflation. In den letzten Jahren war dieser rückläufig, jetzt hat er sich stabilisiert und steigt leicht. Ein großer Teil der Preissteigerung ist darauf zurückzuführen. Daraus aber abzuleiten, dass wir vor einer riesigen Inflationswelle stehen, ist zu früh. Die grundlegenden Bedingungen der Weltwirtschaft haben sich nicht geändert, es gibt immer noch erhebliche Überkapazitäten in der Welt. Das Angebot ist also groß, die Preise bleiben daher insgesamt niedrig.
Stelter: In den USA sind die Inflationserwartungen seit der Wahl von Donald Trump tatsächlich gestiegen. Er hat Steuersenkungen angekündigt und große Investitionen in die Infrastruktur – also ein Konjunkturprogramm. Das kann zu höherem Wachstum führen und damit auch zu steigenden Preisen. Aber auch hier ist die Frage: Wird es Trump überhaupt gelingen, mehr als ein Strohfeuer zu erzeugen? Auch die US-Wirtschaft leidet unter geringen Zuwächsen der Produktivität und hoher privater und staatlicher Verschuldung. Ein starkes Wirtschaftswachstum kann in diesem Umfeld nicht erwartet werden. Das dürfte im Laufe des Jahres zu einiger Ernüchterung führen.
ZEIT ONLINE: Wenn die Wirtschaft immerhin moderat wächst und die Preise steigen, steigen auch die Zinsen. Wo liegt hier die Gefahr?
Stelter: Der jetzige wirtschaftliche Aufschwung in den USA hält schon länger an. Die meisten Aufschwünge sterben dann, wenn die Zinsen steigen. Und die steigen schon seit einigen Monaten in den USA und liegen jetzt für die maßgeblichen zehnjährigen US-Staatsanleihen bei circa 2,4 Prozent. Die Unternehmen in den USA sind hoch verschuldet, da können Zinssteigerungen negativ wirken. Der Anstieg der Zinsen könnte einen Trump-Aufschwung so im Keim ersticken.
ZEIT ONLINE: Gilt das nicht auch für Europa, zumal hier vor allem die Staaten hoch verschuldet sind?
Stelter: Das gilt für Europa noch viel mehr als für die USA, liegt doch die Verschuldung von Staaten und Privaten deutlich über dem Niveau der USA. Die Zinsen in Europa steigen, weil sie in den USA steigen, und Europa sich nicht von dieser Entwicklung abkoppeln kann. Da kann die Europäische Zentralbank nur begrenzt gegensteuern. Steigen die Zinsen, wird sich sehr schnell zeigen, dass die Eurozone noch lange nicht gerettet ist. Das ungelöste Problem der hohen Verschuldung von Staaten und Privaten und des maroden Bankensystems wird offen zutage treten.
→ ZEIT.de: “Von billigem Geld zusammengehalten”, 13. Januar 2017