Stürmischer Herbst

Dieser Beitrag von mir erschien bei WirtschaftsWoche online:

Protektionismus und Populismus drohen die Weltwirtschaft in die Rezession und die Eurozone in die nächste heiße Phase der Krise zu stürzen. Ein stürmischer Herbst steht bevor.

Um es vorwegzuschicken: Donald Trump ist für mich nur ein Auslöser, nicht die Ursache für die bevorstehende Weltrezession. Er wird auch nicht schuld sein, wenn die Eurozone schon bald in ihre nächste existenzielle Krise stürzt. Dennoch dürfte ihn die Geschichtsschreibung später für beides verantwortlich machen.

Wahrhaft schuldig sind die Politiker, die in den letzten zehn Jahren in Europa und den USA Verantwortung trugen. Gemeinsam haben sie versagt, die Ursachen von Finanz- und Eurokrise zu beseitigen und stattdessen darauf gehofft, dass die Notenbanken es mit einer historisch einmaligen Liquiditätsschwemme schon richten werden. Das können sie aber nicht.

Gemeinsam haben sie darin versagt, eine Antwort auf Migrationsdruck und Globalisierung zu finden und darauf gehofft, die Probleme würden einfach verschwinden. Das tun sie aber nicht.

Statt die Probleme anzugehen, wurden Geschichten erzählt und Illusionen genährt: „Die Finanzkrise wäre überwunden“, der „Euro gerettet“ und „2015 wird sich nicht wiederholen“, was angesichts der demografischen Entwicklung vor unserer Haustür an Naivität nicht zu überbieten ist.

Insofern sind Brexit, Donald Trump und Matteo Salvini nur die Konsequenz dieses politischen Versagens und der Weigerung der „traditionellen“ Politiker sich den wirklichen Themen zu stellen und zu handeln, statt zu quatschen. Nicht, dass es die Populisten besser machen würden. Im Gegenteil dürften sie den ohnehin im Gang befindlichen Prozess der Zerstörung der bekannten Ordnung beschleunigen. Auch hier gilt die Weisheit, wonach Dinge zunächst länger dauern, als man denkt, um dann umso brutaler und schneller zu passieren.

Das Märchen der erfolgreichen Griechenland-Rettung

Ungeachtet dieser Entwicklung machen unsere Politiker weiter in ihrem Spiel aus Lug und Trug. Nehmen wir die Schlagzeilen der letzten Woche zur erfolgreichen Überwindung der Griechenlandkrise. Nicht nur wurde freudig vermeldet, dass das Land, obwohl die Schulden relativ zum BIP höher sind als am Anfang der „Rettung“, nun endlich wieder auf eigenen Beinen stehen könne. Vielmehr wurde gefeiert, dass die Kreditgeber in Wahrheit die Gewinner der Krise sind. So habe Deutschland seit 2010 mindestens 2,9 Milliarden Euro an Zinseinkünften verdient!

Tolle Nachrichten also: Das Land ist jetzt trotz höherer Schulden nicht mehr pleite (Wunder Nr. 1) und die Kreditgeber sind damit sogar noch reicher geworden (Wunder Nr. 2). Wie die beiden Wunder zusammenpassen, interessiert da wieder nur Dauer-Nörgler wie den CDU-Haushaltsexperten Klaus-Peter Willsch, der unter anderem darauf hinweist, dass wir diesen Zinsgewinn wieder an Griechenland zurück überweisen.

Die Griechenlandrettung ist ein schönes Beispiel für die Taschenspielertricks unserer Politiker. So wissen alle ökonomisch denkenden Menschen, dass Geld auch einen Zeitwert hat. Geld, welches ich heute bekomme, ist mehr wert, als Geld, das ich erst in dreißig Jahren erhalte. Schon 2016 wurde vorgerechnet, dass der wahre Schuldenstand Griechenlands nicht bei den damalig offiziellen 177 Prozent vom BIP lag, sondern eher bei rund 70 Prozent. Man muss nämlich nicht den Nennwert der Schulden ansetzen, sondern den Zeitwert. Das liegt am versteckten Schuldenerlass der Euro-Kreditgeber – allen voran Deutschland! – über tiefere Zinsen, längere (tilgungsfreie) Laufzeiten und damit die zunehmende Entwertung durch Inflation. Wir mögen zwar in einigen Jahrzehnten den gleichen nominalen Betrag zurückbekommen, kaufkraftmäßig und angesichts der alternativen Verwendungsmöglichkeit der Mittel ist es deutlich weniger Wert. Ein Vermögenstransfer vom Gläubiger zum Schuldner, der natürlich den Gläubiger etwas kostet – egal, was Merkel, Schäuble und jetzt Scholz für eine Geschichte erzählen.

Und letzte Woche wurde das Spiel fortgesetzt. Offiziell gab es kein neues Programm für Griechenland. De facto schon, ist doch der Umfang der vereinbarten Schuldenerleichterungen beispiellos. Es ist Täuschung und muss auch so genannt werden.

Trump könnte den Euro beenden

Auch die Euro-„Rettung“ ist eine solche Täuschung. Nur das billige Geld der EZB hält die Eurozone noch zusammen und spätestens in der nächsten Rezession wird die Krise mit aller Wucht zurückkehren und die Schlussphase beginnen. Wie beim Leben eines Menschen dürften auch die letzten Monate des Euro in seiner jetzigen Form die teuersten werden.

Italien könnte der Auslöser sein, vermutlich wird aber die deutsche Politik – allen voran die durch ihre Migrationspolitik erpressbare Bundeskanzlerin – mit großzügigen finanziellen Zugeständnissen wiederum Zeit kaufen, zu Lasten der hiesigen Steuerzahler.

Derweil setzt Trump um, was er im Wahlkampf versprochen hat. Kommt es zu den angedrohten Strafzöllen auf Autos, wäre das vor allem für die deutsche Automobilindustrie ein weiterer Schock, nach selbst verursachter Dieselkrise und verschlafenem technologischen Wandel. Auf bis zu 17 Milliarden Euro wird der Umsatzausfall geschätzt. Kommt es zudem noch zu einem harten Brexit, würde ein weiterer wichtiger Markt für die hiesigen Produzenten deutlich unter Druck kommen.

Auch die Verschärfung des Handelskrieges zwischen den USA und China strahlt auf uns ab. Das Wachstum in China ist schon so deutlich zurückgegangen und das strahlt erfahrungsgemäß auf die Welt ab. Die Weltkonjunktur kommt ins Stottern – vergessen ist die Euphorie über den „global synchronen Aufschwung“ vom Jahresanfang. Auch das trifft die exportabhängige deutsche Wirtschaft frontal.

Es gehört kein Schwarzmalertum dazu, für diesen Fall eine Rezession in Deutschland vorherzusagen. Diese Rezession würde auf ganz Europa ausstrahlen, wo die Wirkung des billigen Geldes der EZB schon spürbar abnimmt. Über Nacht wäre die Eurokrise wieder akut, würde doch sichtbar, dass sich außer mehr Schulden in den letzten Jahren nichts geändert hat. Dem Bankensystem fehlen immer noch rund eine Billion Euro, die Staaten sind immer noch hoch verschuldet und haben wenig Spielraum und die Mechanismen zur Umverteilung werden nicht ausreichen. Populisten werden erst recht Zulauf bekommen und damit sachorientierte Lösungen endgültig unmöglich machen.

Die Kapitalflucht aus den Krisenländern würde nochmals deutlich zunehmen und die (zinslosen und uneinbringlichen) Target2-Forderungen der Bundesbank explodieren. Letztlich wird der Punkt kommen, an dem sich die Bundesbank und die EZB verweigern müssen. Kapitalverkehrskontrollen würden das faktische Ende des Euro einläuten. Deshalb gilt meine dringende Empfehlung weiter, dieses Szenario bei der Geldanlage zu berücksichtigen.

Noch könnte die deutsche Politik es verhindern

Ein Handelskrieg würde Deutschland besonders stark treffen und dem Euro wohl den Todesstoß versetzen. Offensichtlich müsste unsere Politik alles daransetzen, genau dieses Szenario zu verhindern. Auf die Mithilfe der EU-Partner sollte sie dabei nicht setzen. Wie auch bei der Migrationsfrage dürften wir recht einsam sein. Schon seit Langem sehen sich Italien und Frankreich als Opfer einer „merkantilistischen“ deutschen Politik, die über Lohnzurückhaltung einen Vorteil für die eigene Wirtschaft anstrebt. Weshalb sollten sie Gegenmaßnahmen der EU unterstützen, wäre doch faktisch nur die deutsche Automobilindustrie von den Sanktionen betroffen?

Die geeignete Antwort aus Deutschland wären höhere Ausgaben im Inland. Dazu gehören

  • mehr staatliche Investitionen in Deutschland, vor allem in klassische und digitale Infrastruktur und Bildung aber auch in innere und äußere Sicherheit
  • eine Umstellung der Besteuerung der Unternehmen um Investitionen und Forschung und Entwicklung in Deutschland zu fördern, z. B. im Bereich von Robotern und Automatisierung
  • eine Senkung der Abgabenlast für kleinere und mittlere Einkommen. Das geht am besten über eine Reduktion der Sozialbeiträge. Gerade diese Einkommensgruppen geben am ehesten das zusätzliche Geld aus. 
  • die Gründung eines Staatsfonds nach dem Muster von Norwegen oder Singapur, um unser Auslandsvermögen endlich besser anzulegen.
  • eine wirkliche Sanierung der Eurozone durch einen umfangreichen Schuldenschnitt und eine Neuordnung der Mitgliedsländer, da nur so einige der Krisenländer überhaupt wettbewerbsfähig werden können.

Dieser Politikwechsel wäre in unserem eigenen Interesse. Dass es dazu in nächster Zeit kommt, ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Damit müssen wir uns auf Handelskrieg, Rezession und die Verschärfung der Eurokrise einstellen.

Stürmischer Herbst

Was zum Szenario für die zweite Jahreshälfte führt:

  • Die US-Notenbank hält an ihrer Strategie der Geldverknappung fest, was zu einer weiteren Aufwertung des US-Dollar führt mit den bekannten negativen Konsequenzen für die Schwellenländer die sich in US-Dollar verschuldet haben.
  • Die US-Regierung hält an ihrer Strategie fest und belegt weitere Länder und Produkte mit Strafzöllen, darunter auch die europäische Automobilindustrie. In der Folge kommen die Weltbörsen zusätzlich unter Druck und treten in einen Bärenmarkt ein.
  • Die Eurozone fällt in die Rezession und damit ist die EZB gezwungen, an ihrem expansiven Kurs festzuhalten. Die Zinsen sinken wieder und der Euro wird schwächer.
  • Der schwächere Euro befeuert zusätzlich die Wut der amerikanischen Regierung, die weitere Gegenmaßnahmen ergreift. Es besteht die realistische Gefahr einer weiteren Eskalation im Handelsstreit.
  • Zum Jahresende wird dann die US-Fed umschwenken und ebenfalls die geldpolitischen Schleusen öffnen. Dann allerdings zu spät, die Rezession wäre da.
  • Und mit ihr eine neue Finanzkrise, gegeben die hohe Verschuldung der Weltwirtschaft und die unzureichende Reform des Finanzsystems.

Wirklich sichern kann man sein Portfolio gegen dieses Szenario nicht. Auch das hier immer wieder propagierte Portfolio aus Liquidität, Aktien, Immobilien und Gold wäre von dieser Entwicklung getroffen. Noch besteht ja die Hoffnung, dass es noch gelingt, dieses Szenario abzuwenden. Insofern sollte der Anteil an Liquidität und Anlagen außerhalb des Euroraumes erhöht werden.

→ wiwo.de: “Anlegern steht ein stürmischer Herbst bevor”, 28. Juni 2018