Gedanken zu Gold
Dieser Kommentar erschien bereits im Dezember 2015 in der WirtschaftsWoche Online.
Da der Goldpreis unter Druck ist, u. a. wegen der Zinserhöhung in den USA, des steigenden Dollars und der vermeintlichen Stabilisierung des Finanzsystems noch mal eine Erinnerung an die eigentlichen Gründe, Gold zu kaufen:
Der Goldpreis sinkt. Als Argumente für diesen Preisverfall werden geliefert: Inflation nicht in Sicht, Krisen überwunden, Zinsen – zumindest in den USA – im Aufwind. Auch Starinvestor Warren Buffet muss als Begründung herhalten: Wenn sogar ein konservativer Investor wie er nichts von Gold halte, weshalb sollte man es dann kaufen, so die breit geäußerte Meinung.
Wertaufbewahrungsmittel
Richtig ist: Gold nimmt tatsächlich an der allgemeinen Entwicklung des Wohlstands nicht teil. So stimmt es zwar, dass man sich im alten Rom für den Gegenwert einer Unze Gold eine gute Toga kaufen konnte, während man heute für 1.000 Euro einen guten Anzug bekommt. In Relation zum verfügbaren Einkommen sind Anzüge heute jedoch deutlich günstiger als Togen im alten Rom. Der Fortschritt hat den Wohlstand deutlich vergrößert. Besonders eindrücklich wird dieser Nachteil von Gold, wenn man auf die Phase der industriellen Revolution zurückblickt. Wer im 15. Jahrhundert Gold gekauft hat und dieses in der Familie über Generationen immer weitervererbt hat, erzielte über 500 Jahre einen realen Verlust von rund 90 Prozent.
Dies ist auch der Hintergrund für die Abneigung Warren Buffets. Gold ist unproduktiv, so wie auch Kunst, Oldtimer, Wein und ähnliche Sammlerstücke. Deren Wert basiert ausschließlich auf der Erwartung einer Wertsteigerung, die wiederum von der Erwartung weiterer Wertsteigerung getrieben sind. Je tiefer das Zinsniveau, desto höher ist der potenzielle Preis, weil die Opportunitätskosten entsprechend geringer sind. Wer nun also mit Blick auf die Mini-Zinserhöhung in den USA und die angeblich abnehmenden Krisengefahren vom Gold abrät, sollte das gleiche auch mit Kunst und anderen Sachwerten tun. Aus dem Blickwinkel der Geldanlage wäre alles gleichermaßen falsch.
Wenn man aber aus der berechtigen Angst um sein Vermögen in Sachwerte diversifizieren möchte – und ich würde angesichts der ungelösten Schuldenkrise und der Politik der Notenbanken dringend dazu raten – dann ist Gold naheliegender als diese exotischen Anlageklassen. Der wesentliche Vorteil von Gold liegt darin, dass es homogen, international akzeptiert und relativ kompakt ist. Je homogener und kompakter ein Gut, desto besser kann es im Krisenfall genutzt werden.
Krise noch lange nicht vorbei
Regelmäßige Leser dieser Kolumne kennen meinen skeptischen Blick auf die Lage der Weltwirtschaft und der Eurozone: ungelöste Schuldenprobleme, überforderte Politiker und Notenbanken, die sich für die Retter der Welt halten, indem sie immer großzügiger Geld zur Verfügung stellen. Selbst wenn jetzt tatsächlich die erste Zinserhöhung in den USA kommt, dürfte sie eher dazu dienen, wieder Raum für künftige Zinssenkungen zu schaffen und keine echte Trendwende sein. Die Weltwirtschaft ist einfach zu hoch verschuldet, als dass sie höhere Zinsen verkraften könnte. Helikoptergeld wird das Thema der nächsten Jahre, nicht Zinsen von fünf Prozent. Wer zweifelt, dem empfehle ich einen Blick nach Japan. Wir im Westen sind drauf und dran, die dortige Politik zu wiederholen. Statt Schulden zu bereinigen, wird mit immer mehr Schulden und billigem Geld Zeit gekauft. Ausgang des Experiments: völlig unklar.
Damit bleiben wir im Spannungsfeld von Deflation und Inflation, in der Eurozone noch potenziert um das reale Szenario eines chaotischen Zerfalls. Grund genug für mich, weiterhin nach Alternativen außerhalb des Systems zu suchen.
Aktien sind diese Alternative übrigens nicht. Ein Blick in die Geschichte lehrt, dass Aktien in Phasen abnehmender und tiefer Inflation am besten performen. Sowohl hohe Inflation wie auch eine breite Deflation sind hingegen für Aktionäre keine gute Zeit. Blickt man zudem auf die aktuelle Bewertung an der US-Börse, so kann man nur zu dem Schluss kommen, dass die besten Zeiten hinter uns liegen. Nur in der New Economy Blase waren Aktien teurer in den letzten 100 Jahren, wenn man bereinigte Kennziffern wie das gleitende Kurs-Gewinn-Verhältnis (Shiller-PE) zugrunde legt.
Märkte nicht rational
Warren Buffet verweist zu Recht immer wieder darauf, dass die Kapitalmärkte eben nicht rational sind. Vielmehr gibt es Herdenverhalten, Über- und Unterschießen von Bewertungen. Bei Gold wird derzeit an den Terminmärkten auf fallende Kurse gesetzt. Spekulanten sind so deutlich gegen Gold positioniert, wie schon lange nicht mehr. Fundamental wird diese Schwäche von der abnehmenden Nachfrage aus Indien und China gefördert. Der Verfall der Rohstoffpreise tut ein weiteres, um die Stimmung gegen Gold zu fördern. Schon kursieren Kursziele von weit unter 1.000 Euro; die Deutsche Bank prognostizierte bereits im Juli eine Marke von 750 US-Dollar.
Schon allein aus markttechnischen Gründen bin ich versucht, dagegenzuhalten. Immer wenn alle das Gleiche denken, kommt an den Finanzmärkten ziemlich sicher das Gegenteil – siehe die Gegenbewegung des Euro in der letzten Woche.
Doch auch aus einer langfristigen Perspektive sollte ein rationaler Investor an Gold festhalten. Wohin man auch blickt, drohen erhebliche Vermögensverluste. Gefangen in Überschuldung und Stagnation und mit Blick auf die erheblichen ungedeckten Versprechen für Renten und Gesundheitsleistungen einer überalternden Gesellschaft werden die Politiker garantiert den Weg des geringsten Widerstandes gehen: die Notenpresse. Mein oft zitiertes Bild von der „Ketchup-Inflation“ kann schneller kommen, als man denkt. Ich jedenfalls möchte dann nicht ohne eine Alternative zu unserem Geldsystem dastehen.
Die Goldskeptiker mögen sich an Warren Buffet orientieren. Ich halte es hier eher mit Ray Dalio, einem der erfolgreichsten Hedgefonds-Manager der Geschichte, der immer auch einen Anteil seines Vermögens in Gold hält.
→ wiwo.de: „Keine Panik, sondern Gold aufstocken“, 10. Dezember 2015