Aus dem selbst verschuldeten Schla­massel gibt es keinen leichten Aus­weg

Morgen (1. Januar 2023) habe ich Felix Zulauf in meinem Podcast zu Gast. Zulauf ist Gründer und Inhaber der Zulauf Consulting in Baar. Seine Laufbahn führte ihn zunächst bei UBS in Zürich durch verschiedene Positionen, unter anderem als globaler Anlagestratege und Leiter des institutionellen Portfoliomanagements. 1990 gründete er Zulauf Asset Management.

Mit ihm spreche ich über die Entwicklung und Veränderung der Finanzmärkte in den letzten Jahrzehnten. Zur Einstimmung ein paar Highlights aus einem Gastbeitrag, den Zulauf im Juni 2022 bei The Market veröffentlichte:

  • „(…) westliche Politiker haben begonnen, Wladimir Putin für diese Misere verantwortlich zu machen. Doch das greift zu kurz, denn die Probleme waren schon vorher da. Der Krieg hat sie bloss an die Oberfläche gespült. Es ist ein selbst verschuldeter Schlamassel, den die politischen Entscheidungsträger im Westen in ihrer Naivität über viele Jahre herbeigeführt haben. Ihre von falscher Ideologie getriebenen, realitätsfremden Entscheidungen haben zu diesem Chaos und zu schmerzlichen Folgen für die Bürger geführt.“ – bto: Klartext: Die Inflation ist die Folge politischer Handlungen.
  • „Drei Themen dominieren. Erstens: Der Zeitgeist ist mit der Klima-Apokalypse entgleist, als Politiker, von Rot-Grün bis hin zur politischen Mitte und einigen Konservativen, begannen, von einer drohenden Katastrophe zu sprechen. Die einseitigen Medien, private und staatliche, haben den Ball aufgenommen, mit dem Resultat, dass heute fast alle Bürger die Behauptung glauben, der Mensch sei für die Erwärmung des Klimas verantwortlich. Ich bin gegenüber einer derartigen Anmassung von Wissen skeptisch. Die wissenschaftliche Evidenz ist nicht gegeben. Klima ist zyklisch und durchläuft Wärme- und Kältephasen. In den letzten 10’000 Jahren gab es in der Schweiz beispielsweise zweimal keine Gletscher, in den letzten drei Millionen Jahren durchlief die Erde 44 Wärme- und Kältephasen.“ – bto: Ich glaube schon, dass es einen menschlichen Anteil gibt und auch, dass wir die Emissionen senken sollten. Bekanntlich sehe ich es – und das war auch immer Thema hier – eher als eine Jahrhundertaufgabe, bei der man sehr stark auf Effizienz und Effektivität setzen muss.
  • „Die allein für die nächsten Jahre gesprochenen staatlichen Investitionsprogramme gegen den Klimawandel betragen heute weltweit über 4 Bio. $, das ist etwa doppelt so viel wie alle bisherigen staatlichen Investitionsprogramme – von der Chinesischen Mauer, den Suez- und Panama- Kanälen, den NASA-Raumfahrtprogrammen, den Autobahnen, Eisenbahnnetzen, usw. – zusammen.“ – bto: Das ist eine interessante Betrachtung und aus Sicht der Investoren ja durchaus eine Chance, wenngleich das Ganze natürlich inflationär wirken dürfte.
  • „Wer jahrelang fossile Brennstoffe verteufelt, darf sich nicht wundern, dass die Unternehmen dieser Branchen immer weniger investieren und die Produktionskapazitäten schrumpfen statt wachsen. Wer gleichzeitig die Atomkraft verteufelt und glaubt, dass wir allein mit Solar- und Windstrom unsere stromhungrigen Volkswirtschaften versorgen können, der führt uns in den Engpass, der jetzt erst begonnen hat.“ – bto: Sogar die FINANCIAL TIMES sieht in Kommentaren solche Einschätzungen als kritisch, weil sie sich gegen die Klimapolitik wenden würden. Ich bleibe dagegen dabei, dass in der Tat eine Angebotsverknappung ohne entsprechend alternatives Angebot zu deutlich steigenden Preisen führen muss.
  • „Von Ideologie geleitete politische Entscheidungsträger setzen die Signale falsch. Dass Energie in den kommenden Jahren in allen Varianten sehr viel teurer wird, dies wiederum in praktisch jedes Konsumgut und jede Dienstleistung einfliesst und die Teuerung anheizt, haben diese Entscheidungsträger vergessen.“ – bto: Nein, es ist ihr Ziel.
  • „(…) Russland hat die rote Linie seines Sicherheitsbedürfnisses in den letzten 15 Jahren wiederholt deutlich aufgezeichnet – der Westen hat sie ignoriert und einen für beide akzeptablen Kompromiss verweigert. Natürlich stört es freiheitsliebende Menschen, dass ein Staat nicht voll nach seinem eigenen Willen leben kann. Aber die geostrategische Lage mit dem Nachbarn Russland ist für die Ukraine ein Faktum, und entsprechend hätte der Westen sie für einen Modus Vivendi unterstützen sollen, anstatt den Konflikt anzuheizen.“ – bto: Das ist eine Aussage, die in Deutschland sehr kritisch gesehen wird. Es wird immer betont, dass niemand jemals Russland hätte angreifen wollen. Gunnar Heinsohn hat im Podcast mehrfach auf die Sicht Putins verwiesen, der durchaus an einer Revision des Zerfalls der Sowjetunion denkt. Umgekehrt finde ich aber auch, dass es mehr Versuche hätte geben sollen, einen Kompromiss zu finden.
  • „Platon sagte: Wenn Du Frieden willst, dann rüste zum Krieg. Europa hat es genau umgekehrt gemacht. Westeuropa hat es bis heute versäumt, eine glaubwürdige Sicherheitsarchitektur aufzubauen und sich stattdessen unter den Schutz der USA geflüchtet. Das war erstens billiger und zweitens moralisch erhabener – aber drittens völlig falsch. Wenn ein Drittel der Flugzeuge der deutschen Bundeswehr nicht fliegen, alle U-Boote nicht tauchen und die Anzahl einsatzbereiter Panzer kleiner ist als die der kleinen Schweiz (und diese ist schon unterdotiert), dann zeigt dies einen eklatanten Mangel an Sicherheitsverständnis. Selbst die 5000 an die Ukraine verschenkten Helme musste Deutschland bei den Polen borgen!“ – bto: Das ist der bedauerliche Zustand.
  • „Drittens: Internationale Arbeitsteilung ist in der Theorie sinnvoll, weil jeder das macht, was er am besten und zum günstigsten Preis kann. Die Globalisierung wurde jedoch auch übertrieben, weil gefährliche Abhängigkeiten entstanden. (…) Überdimensionierte Abhängigkeiten für strategisch wichtige Produkte machen in einer Welt mit zunehmenden Konflikten zwischen unterschiedlichen Systemen erpressbar.“ – bto: Die Umkehrung der Globalisierung wird aber ebenfalls zu steigenden Preisen führen.
  • „(…) weder eine restriktive Geld- noch eine Verknappung der Fiskalpolitik können das Angebot an Energie und Lebensmitteln erhöhen. Die Wirtschaftspolitik kann in der heutigen Ausgangslage von strukturell knappem Angebot mit ihren Instrumenten lediglich die Nachfrage dämpfen, damit Angebot und Nachfrage sich auf einem tieferen Niveau wieder einpendeln. Das heisst aber unausweichlich auch Rezession. Haben die Notenbanken die Weitsicht und Kraft, ein solches Manöver konsequent durchzuführen?“ – bto: Zweifel sind hier mehr als angebracht.
  • „Die Schuldenberge sind im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung in allen Industrieländern rasant gewachsen, die Staatsquoten sind enorm hoch, in der EU liegt sie knapp unter 60%!
  • „Eine Rückführung der Schulden ist kaum mehr möglich, und die Schuldenberge werden das Wachstumspotenzial unserer Volkswirtschaften in Kombination mit der negativen Demografie weiter auf ein ungenügend tiefes Niveau drücken. Aber unser System braucht Wachstum, sonst funktioniert es nicht mehr und schleudert von einem Schüttelfrost in den nächsten. Denken wir nur an die Altersvorsorge, wo besonders die staatlichen Modelle schon lange nicht mehr gesichert sind.“ – bto: Es ist ein Ponzischema, wo es an neuen Mittelzuflüssen fehlt.
  • „Was passiert mit dem globalen Immobilienmarkt, dessen Wert gegenwärtig rund 350 Bio. $ beträgt und der gemessen an den Mieteinnahmen um 40 bis 50% überteuert ist? Steigende Zinsen – nur schon ihre Rückkehr auf ein Normalniveau – würden eine globale Immobilienkrise auslösen.“ – bto: … und damit einen deflationären Kollaps, einfach weil bei einem solchen Wertrückgang die Banken alle insolvent sind.
  • „Die von der französisch-italienischen Philosophie dominierte EZB ist die Antithese zur alten deutschen Bundesbank, die einst für stabilen Geldwert bürgte. Vielleicht dämmert es den Deutschen endlich, was für ein katastrophaler Blödsinn der Euro für ihre Volkswirtschaft ist.“ – bto: Das wage ich zu bezweifeln.
  • „Der Zins – der Preis für Geld – ist überall noch immer viel zu tief, um eine notwendige Bremsung der Konjunktur zur Reduktion der Inflationsrate herbeizuführen. Allerdings weist die Entwicklung der Quantität des Geldes vor allem in den USA darauf hin, dass das Bremsmanöver heftiger ausfallen könnte, als es der niedrige Zins impliziert. Da sich die US-Zentralbank vor allem auf den Zins und nicht auf die Geldmenge fokussiert, könnte dort übersteuert und eine Rezession ausgelöst werden.“ – bto: Diese Gefahr besteht in der Tat. Das Geldmengenwachstum ist auf Null gefallen und damit so stark zurückgegangen wie lange nicht mehr.
  • „Erst wenn die Konjunkturdaten schwach werden und die wichtigsten Aktienindizes etwa 30% vom Höchstpunkt gefallen sind, dürfte das Fed eine Abkehr von diesem Bremsmanöver einleiten. Bis dann ist in den Aktienkursen aber noch weiter Raum nach unten, auch wenn die Investmentbranche bei jedem Rückschlag ihre optimistischen Lieder singt.“ – bto: Es sind auf jeden Fall spannende Zeiten.

themarket.ch: „Ein selbst verschuldeter Schlamassel“, 24. Juni 2022