Best of 2015: „Killt China den Euro?“
Heute Morgen sind die Märkte in China erneut eingebrochen. Damit bewahrheitet sich meine Befürchtung, dass von China ausgehend die nächste Krise die Weltwirtschaft erfasst. China ist überschuldet und es wird dem Land nichts anderes bleiben, als durch eine massive Abwertung Deflation in die Welt zu exportieren. Deshalb heute und morgen einige Beiträge von früher, um die Hintergründe in Erinnerung zu rufen:
Dieser erschien im August 2015 bei manager magazin online:
Vorweggeschickt: Es ist nicht Chinas Interesse, den Euro zu killen. Im Gegenteil, den Chinesen liegt viel am Euro, vor allem an einem starken Euro. Denn nur dann kann China weiterhin so viel nach Europa verkaufen. Jedes Auto „Made in Germany“ ist aus Sicht der politischen Planer in Peking eines zu viel.
Ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass Italien den Euro killen wird, aber erst nach der nächsten schweren Rezession. Ich habe hier vor zwei Wochen ausgeführt, warum Italien der erste Kandidat für einen Euroaustritt ist und selbst wenn Frankreich in einer ähnlich schweren Lage ist, wird die Staatsräson einen solchen Schritt in Frankreich verhindern.
Doch nun zur Rolle Chinas. Um diese zu verstehen, müssen wir die Eurokrise in den Gesamtkontext der überschuldeten Weltwirtschaft stellen. Wie McKinsey im Frühjahr vorgerechnet hat, steigen die Schulden von Staaten und Privaten weltweit in ungebremsten Tempo und deutlich schneller als die Wirtschaftsleistung.
Damit setzt sich ein Trend fort, der seit Mitte der 1980er-Jahre unser Wirtschaftssystem bestimmt. Im Versuch, fehlende Nachfrage zu kompensieren, wird immer mehr mit Schulden gearbeitet. Der überwiegende Teil der neuen Schulden dient Konsum, Spekulation und dem Kauf vorhandener Assets, wie Aktien (Rückkäufe, M&A) und Immobilien, nicht der Investition in neue Kapazitäten und Technologien. Das Hin- und Herverkaufen von vorhandenen Assets steigert jedoch nur die (Schein)Vermögen und Schulden in einer Volkswirtschaft, nicht das langfristige Produktionspotenzial, welches über das Wachstum entscheidet.
2009 kam es zu einer kurzen Unterbrechung dieses Aufschuldungsprozesses in Europa und den USA. Die Vermögenspreise fielen und offenbarten die Tatsache, dass sie ohne die enorme Verschuldung deutlich weniger Wert waren. Um einen völligen Kollaps des Systems zu verhindern, senkten die Notenbanken die Zinsen auf historische Tiefs und die Staaten machten weiter Schulden.
In praktisch allen Ländern außer Deutschland liegen die Schulden von Privaten und Staaten über dem Niveau von 2009. Dies hat sicherlich dazu beigetragen, eine große Depression zu verhindern.
Da die Probleme jedoch nicht gelöst, sondern in den letzten Jahren vergrößert wurden, wächst die Angst der Welt vor der nächsten Rezession.
China exportiert Deflation – Peking startet Verschuldungsboom
Und hier kommt nun China ins Spiel. Wie an dieser Stelle bereits beschrieben, hat China aus eben dieser Angst im Jahre 2009 die vorhandenen Ungleichgewichte massiv verstärkt. Um die eigene Wirtschaft vor einer Rezession zu bewahren, wurde ein historisch einmaliger Verschuldungs- und Investitionsboom gestartet. Die Verschuldung vervierfachte sich innerhalb von sechs Jahren auf 28 Billionen US-Dollar und wie bei jedem Verschuldungsboom waren erhebliche Fehlinvestitionen die Folge.
Rund sechs Billionen US-Dollar dürften in den Sand gesetzt worden sein, in Form von Städten ohne Bewohnern und Fabriken ohne Nachfrage. Die Folge der erheblichen Überkapazitäten ist in einer staatlich gelenkten Wirtschaft nicht anders als bei uns: Die Preise fallen. Verschuldete Unternehmen schauen nicht mehr auf den Gewinn, sondern auf den Cashflow.
Alles was Geld in die Kassen spült, ist willkommen. So fallen die Preise auf Produzentenniveau in China seit 40 Monaten. Da zugleich die Zinsen bei rund sechs bis acht Prozent liegen, zahlen chinesische Unternehmen vermutlich den höchsten Realzins der Welt. Mehr braucht es nicht, um ein Land in eine tiefe Krise zu stürzen.
Dazu wird es in China vorerst nicht kommen. Die Notenbank kann die Zinsen noch deutlich senken und Devisenreserven mobilisieren. Dennoch ist die auf rund 800 Milliarden Dollar alleine in den ersten sechs Monaten dieses Jahres geschätzte Kapitalflucht ein erhebliches Warnsignal. Die Bevölkerung, vor allem die Vermögenden aus dem Umfeld der Partei, glauben nicht mehr an die Fortsetzung des Booms.
Japan und Euro-Zone werten ab – und für China ist nun die Schmerzgrenze erreicht
Dass die Regierung nun zum Mittel der Abwertung greift, ist angesichts der deutlichen Aufwertung in den letzten Jahren verständlich. Nachdem Japan mit Abenomics versucht, durch eine deutliche Abwertung des Yen die eigene Wirtschaft aus der jahrzehntelangen Stagnation zu befreien und die EZB in einem schwachen Euro die Lösung für die Eurokrise sieht, blieb China nach einer handelsgewichteten Aufwertung des Renminbis um mehr als zehn Prozent keine andere Wahl, als mit einer Abwertung ein klares Signal zu setzen: so weit und nicht weiter.
Die Schmerzgrenze war erreicht. Das Signal ging auch in Richtung der US-Fed. Hört auf, den Dollar durch das Wecken von Erwartungen auf Zinssteigerungen zu stärken. Denn durch die Bindung an den US-Dollar wirkt das auch auf China.
Auch wenn es jetzt nicht zu einem anhaltenden Verfall der chinesischen Währung kommt, wogegen auch die hohe Verschuldung chinesischer Unternehmen in US-Dollar von fast zehn Prozent des BIP spricht, bleibt der deflationäre Druck fallender Produzentenpreise. Mit fatalen Wirkungen für die überschuldete Weltwirtschaft.
Europa erlebt im Sommer 2015 die lang erwartete Erholung. Tiefe Zinsen, schwacher Euro und günstiger Ölpreis haben nach sieben Jahren Dauerkrise die Peripherie belebt. Deutschland sonnt sich im Exportboom in die Schwellenländer, China, die USA und die Nicht-Euroländer Europas. Die Politiker feiern das vermeintliche Ende der Krise, gerade jetzt, wo doch Griechenland endlich gelöst ist. Zumindest für die nächsten drei Jahre. Die EZB feiert den eigenen Erfolg in der Deflationsbekämpfung.
Doch die Lage ist fragil. Keines der grundlegenden Probleme der Eurozone wurde gelöst. Die Schuldenstände bleiben zu hoch und wachsen weiter und die Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer bleibt schwach. Selbst Spanien als Musterschüler bräuchte bei derzeitigem Tempo noch zehn Jahre und einen Schuldenschnitt, um die Krise zu überwinden.
Chinesische Krise trifft auf fragile Euro-Zone – Zerfallsprozesse im Euro beschleunigt
Auf diese fragile Eurozone trifft nun die chinesische Krise. Die schwache Konjunktur in China wirkt auf verschiedenen Wegen negativ auf uns. Zunächst sinken die Exporte nach China, das trifft vor allem Deutschland. Die sinkende Nachfrage nach Rohstoffen dämpft die Konjunktur in den Rohstoffländern von Australien bis Südafrika. Damit sinkt auch hier die Importnachfrage und wächst das Risiko von weiteren Finanzkrisen angesichts der auch dort aus dem Ruder gelaufenen Verschuldung.
Fallende Rohstoffpreise und sinkende Exportpreise aus China verstärken den deflationären Druck. Den Notenbanken im Westen bleiben nicht mehr viele Möglichkeiten gegenzusteuern. Bleibt nur noch die direkte Finanzierung von Staatsausgaben, um die Wirtschaft wieder auf Kurs zu zwingen. Ob und wie schnell es dazu kommt, bleibt abzuwarten.
Klar ist hingegen, dass eine erneute Rezession die Zerfallsprozesse im Euro beschleunigen wird. Spätestens bei der nächsten Rezession wird es zu einem politischen Erdrutsch in einem der Krisenländer kommen. Die Wahlsieger werden dann das Projekt beenden. Mit massiven Schäden für uns alle. Doch wie gesagt, China will nicht, dass es soweit kommt. Deshalb wird die Abwertung nicht so weit gehen, wie viele befürchten, und mit lockerer Geldpolitik wird China denselben Weg gehen wie wir: die Krise, die durch zu viele Schulden ausgelöst wurde, durch noch mehr Schulden zu bekämpfen. Eine Runde geht noch. Offen nur, ob es auch für die Eurozone reicht.