„German ‚bail-in‘ plan for government bonds risks blowing up the euro“
Während wir uns gerade in Deutschland fleißig mit anderen Themen beschäftigen, wabert die Euro-Krise ungebremst weiter vor sich hin. Zur Erinnerung, die Eurokrise ist eine Mehrfach-Krise:
- Divergierende Lohn- und Produktivitätsentwicklungen haben die Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer und Frankreichs gegenüber Deutschland massiv geschwächt. Diese Unterschiede können nur durch eine hohe Lohninflation bei uns oder eine „interne Abwertung“ also fallende Löhne in den Krisenländern bereinigt werden. Dieser Prozess hat zwar begonnen, dürfte aber noch ein Jahrzehnt dauern, wenn er überhaupt so gelingt.
- Diese interne Abwertung führt zu tendenziell fallenden Preisen – Deflation – und einer schlechten Konjunktur in diesen Ländern.
- Hinzu kommt, dass diese Länder auch aus anderen Gründen wenig wettbewerbsfähig sind: wenig Innovationen, verkrustete Arbeitsmärkte, ineffiziente Staaten, Korruption und Wirtschaftsfeindlichkeit.
- Des Weiteren liegt die private und staatliche Verschuldung auf einem untragbaren Niveau. Dies dämpft das Wirtschaftswachstum zusätzlich. Seit 2007 ist die Gesamtverschuldung in den Krisenländern weiter gestiegen.
- Erforderlich wäre eine europaweite Schuldenrestrukturierung – mit erheblichen Verlusten für die Gläubiger, also vor allem Deutschland – und eine Flexibilisierung der Mitgliedschaft, damit Länder, die es nicht schaffen, wettbewerbsfähig zu werden, ausscheiden können.
- Da sich das die Politik nicht traut, spielt sie mithilfe der EZB auf Zeit, weshalb wir immer mehr in die Eiszeit abrutschen.
Eines ist dabei aus deutscher Sicht klar: Wir wollen auf keinen Fall für die faulen Schulden der anderen aufkommen. Dies ist Hintergrund der von mir immer wieder heftig kritisierten deutschen Europolitik, die in letzter Konsequenz dazu führt, dass wir „unten links“ landen werden: mit maximalen Kosten und massiver Unbeliebtheit.
In dieses Bild passt die Idee, einen geordneten Prozess für die Staatsinsolvenz im Euroraum einzuführen. Diese ist Idee ist natürlich nachvollziehbar, geht es doch darum, die Schulden nicht zu sozialisieren. Dies bedeutet aber auch, dass die direkten Gläubiger die Verluste tragen müssen, zumeist die lokalen Banken. Diese wären dann wiederum von deren Eigentümern und Gläubigern zu retten, was zu einem sich selbst verstärkenden Prozess führt. Wer will schon Bankaktien halten, bei diesen Aussichten?
Der Telegraph zeigt den erforderlichen Kapitalbedarf der jeweiligen nationalen Bankensysteme, wenn eine Eigenkapitalhinterlegung für Staatsanleihen, die die Banken im Portfolio halten, eingeführt wird, die das jeweilige Risiko des Staates widerspiegelt:
Quelle: The Telegraph
Italienische Banken bräuchten also fast zwölf Milliarden mehr Eigenkapital, immerhin rund acht Prozent mehr. Alternativ könnten sie natürlich Staatsanleihen verkaufen, was angesichts eines Volumens von 400 Milliarden in den Büchern der italienischen Banken auch erhebliche Konsequenzen hätte. Haben doch die Banken so dem Staat in der Krise geholfen.
Portugal mit Staatsschulden von 132 Prozent vom BIP und Gesamtschulden von 341 Prozent, bekanntlich in jeder Hinsicht pleite, leidet schon jetzt unter gestiegenen Zinssätzen in Folge der neuen Linksregierung. Kommt es nun zu einer neuen Risikobewertung für Staatsanleihen, wären deutliche Zuschläge gegenüber deutschen Anleihen normal. Dies würde wiederum die Schuldentragfähigkeit noch schlechter machen und damit den Zeitpunkt der Pleite nach vorne ziehen. Kommen tut sie ja sowieso.
Käme es zu solchen (geordneten) Staatsinsolvenzen, wären aber nicht nur die Heimatbanken getroffen, wie diese Darstellung aus dem Telegraph verdeutlicht:
Quelle: The Telegraph
Der deutsche Wirtschaftsweise, Peter Bofinger, ein früher Befürworter des Bargeldverbots, äußert sich kritisch zu den Vorschlägen seiner Kollegen. Der Telegraph zitiert ihn so: „It is the fastest way to break up the eurozone. A speculative attack could come very fast. If I were a politician in Italy and I was confronted by this sort of insolvency risk I would want to go back to my own currency as fast as possible, because that is the only way to avoid going bankrupt.“ – bto: was natürlich formal richtig und inhaltlich – zumindest aus Sicht der Gläubiger – falsch ist. Denn sie werden mit wertloserem Geld bezahlt.
Damit stellt Bofinger uns vor die Wahl: Verlust durch Schuldensozialisation oder durch Insolvenz bzw. Euroaustritt mit Insolvenz. Diese Wahl ist richtig. Wir sollten aber etwas dafür bekommen, dass wir einen geordneten Prozess der gemeinsamen Schuldenrestrukturierung – den er ja nicht vorschlägt – mittragen, zum Beispiel die oben genannten Regeln, nachdem die Schulden bereinigt wurden. Dann gäbe es zumindest die Hoffnung, dass es zu keiner Wiederholung kommt. O. k., nicht wahrscheinlich.