“Der radikale Sinneswandel der IWF-Ökonomen”

Gestern Morgen haben wir uns schon einmal mit dem IWF beschäftigt. Die “Erkenntnis”, dass die Politik der “Euro-Rettung” in keiner Weise mit den Prinzipien des IWF vereinbar ist und zudem völlig ungeeignet, um die Probleme zu lösen. Gerettet wurden französische und deutsche Banken, nicht die jeweiligen Länder.

Heute nun ergänzend der Hinweis, dass auch das wirtschaftspolitische Instrumentarium völlig ungeeignet war und ist. Man kann sich nämlich Lesern von bto bekannt aus einer Bilanzrezession nicht heraussparen. Siehe Richard Koo und Irving Fisher!

DIE WELT  berichtet:

  • Der stellvertretende Chef des Fonds, David Lipton, hat einen drei Seiten langen Blogeintrag veröffentlicht. Thema: ‚Warum Strukturreformen wichtig zur Wiederbelebung des globalen Wachstums sind.‘” bto: Ich habe Lipton bei einem Partnertreffen von BCG im Jahre 2005 (kann auch 2004 gewesen sein) erlebt. Damals meinte er, die Privatschulden der US-Amerikaner, seien kein Problem, weil die Vermögenswerte ja stärker anstiegen. Er beschrieb also den Leverage-Effekt, ohne zu erkennen, dass der niemals auf Dauer funktionieren kann. Eine Blasenbildung verneinte er auch und die Finanzkrise erwischte ihn völlig überraschend.
  • “Jahrelang – eigentlich seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 – standen die meisten Experten des IWF auf dem Standpunkt, Geld sei entscheidend, um der Wirtschaft global neues Leben einzuhauchen. Je mehr, desto besser. Eine lockere Geldpolitik, mehr Staatsausgaben – Billionen für mehr Wachstum überall auf der Welt.” – bto: wobei das mit den Staatsausgaben nicht überall galt.
  • In Staaten wie den USA und Großbritannien ist die Wirtschaft auf diese Art wieder zum Laufen gekommen. Global gesehen aber lief es schon mal besser. In China. In Asien. Aber auch in Europa und in der Euro-Zone.”
  • “(…) denkt der IWF daher um: Er fordert Strukturreformen. Am besten abgestimmt auf die makroökonomischen Bedingungen des jeweiligen Landes.”
  • “Für Schwellenländer empfiehlt Lipton Reformen, die das Funktionieren der Märkte verbessern. Entwickelte Volkswirtschaften dagegen sollten die Innovationsfähigkeit ihres Landes stärken.btogerade mit Blick auf das schwache Produktivitätswachstum natürlich richtig, doch ohne eine Bereinigung der faulen Schulden wird das nicht funktionieren.
  • “Je schwächer Volkswirtschaften seien, desto wichtiger sei es, jene Reformen zu wählen, die Wachstum kurz- und langfristig anregen. Investments in Infrastruktur zum Beispiel würden die Konjunktur heute stärken und Jobs schaffen. Weil dadurch auch die Produktionskapazität steige, seien sie auch langfristig gut.”bto: Das sehe ich ganz genauso! Gerade auch wir in Deutschland sollten, statt dem Ausland Kredit zu geben, mehr im Inland investieren!
  • “Entwickelte Staaten wie Australien, Kanada und auch Deutschland sollten mehr für die öffentliche Infrastruktur ausgeben, schreibt er. Und erwähnt die drei Länder namentlich. Und noch einen bekommt Deutschland von ihm mit: Deutschland, Japan, Kanada, Korea, Großbritannien und die USA sollten für Frauen bessere Chancen auf Vollbeschäftigung schaffen.”bto: Das mit den Frauen ist besonders wichtig, weil nur mit mehr Erwerbstätigen und höherer Produktivität Wachstum wieder erzeugt werden kann.
  • “Länder, die deutlich weniger Geld in der Kasse hätten, Italien zum Beispiel müssten stattdessen ihre Märkte reformieren, vor allem für Investments, Beschäftigung – ohne dabei den Staatsetat zu belasten.”bto: Oh man, theoretisch stimmt das, praktisch ist es undenkbar, schreibt doch Lipton selbst, dass derartige Reformen besser in guten Zeiten gemacht werden sollen. Dies unterstreicht deutlich, dass es für Italien und die anderen Problemfälle eben keine einfache Lösung gibt. Schon gar keine, ohne Bereinigung der faulen Schulden.

Fazit der WELT: “(…) das Entscheidende in Liptons Blogeintrag ist nicht der drei Seiten lange Vortrag, sondern die Überschrift. ‚Warum Strukturreformen wichtig zur Wiederbelebung des globalen Wachstums sind.‘ Sie setzt den neuen Schwerpunkt (…). Und sie bindet den größten Gegner der Politik des lockeren Geldes ein: Wolfgang Schäuble, den Bundesfinanzminister. Denn der lehnt regelmäßig höhere Ausgaben zur Belebung der Konjunktur ab und fordert stattdessen weltweit Strukturreformen. Der IWF kommt ihm jetzt ein Stück weit entgegen – und entlässt ihn dennoch nicht aus der Pflicht.”

Fazit bto: Ich denke, es ist eine weitere Vorbereitung des Helikopter-Geldes: Wir machen Reformen, wir investieren in Infrastruktur und dafür wird es von den Notenbanken finanziert.

 

 

DIE WELT: “Der radikale Sinneswandel der IWF-Ökonomen”, 26. Juli 2016