“Der Protektionismus killt den Bullenmarkt”
Dieser Kommentar von mir erschien in der Aprilausgabe des Cicero:
US-Präsident Donald Trump geht auf Konfrontationskurs mit seinen Handelspartnern. Der Cicero-Finanzexperte Daniel Stelter warnt vor der Rezessionsgefahr, die ein Handelskrieg auslösen würde. Der größte Verlierer wäre Deutschland.
Nun haben wir es offiziell: Die US-Regierung knöpft sich Deutschland als Handelsgegner vor. Wundern kann es nur den naivsten Beobachter – also vor allem die deutsche Bundesregierung. Seit Jahren nehmen die Spannungen wegen unserer enormen Handelsüberschüsse zu. Während wir diese feiern, machen wir damit vor allem eines: Wir entziehen einer Welt, die kollektiv unter Nachfrageschwäche leidet Kaufkraft.
Nichts können die anderen Länder und Regionen weniger gebrauchen. Jeder kämpft für sich alleine gegen die Folgen hoher Schulden, schwacher Produktivitätsfortschritte und Überalterung der Bevölkerung. Jeder versucht, einen relativ höheren Anteil des weniger großen Kuchens zu ergattern. Der Druck auf die Politik wächst, zu handeln. Wer sich an die Spitze der Bewegung stellt, und „Our Country First“ ruft, hat die besten Chancen auf den Sieg. Dahinter liegt die ernüchternde Tatsache, dass die Welt sich nicht wirklich von den Folgen der letzten Krise erholt hat, trotz Negativzins und einer Bilanzaufblähung der Notenbanken um mehr als 15 Billionen US-Dollar.
Damit rückt auch der Zeitpunkt näher, an dem wir merken werden, dass wir in einer Wohlstandsillusion leben und in Wirklichkeit unsere Exporte und damit die gute Konjunktur mit eigenem Geld bezahlt haben. Denn mit dem Handelsüberschuss geht ein entsprechender Kapitalexport einher. Wir geben dem Rest der Welt großzügig Kredit. In einer Welt, die sich immer mehr dem Zustand der Überschuldung nähert, ist es keine gute Idee, Gläubiger zu sein. Verluste sind unvermeidlich. Genauso gut hätten wir unsere Autos verschenken können. Zurzeit erinnert das deutsche Sparverhalten an das Eichhörnchen, welches zwar fleißig vorsorgt, aber vergisst, wo es die Ersparnisse versteckt hat.
So gesehen wäre ein Politikwechsel auch in unserem Interesse. Mehr Investitionen im Inland, eine Abkehr von der „schwarzen Null“ (dafür aber Reduktion der viel größeren versteckten Verbindlichkeiten in Form von Versprechen für künftige Renten) und eine geänderte Beststeuerung der Unternehmen würden langfristig unseren Wohlstand steigern und den Kritikern im Ausland – auch dem amerikanischen Präsidenten – den Wind aus den Segeln nehmen.
Beharren wir weiter darauf, das Problem zu leugnen, könnte es in der Tat zum gefürchteten Handelskrieg kommen. Niemand würde diesen gewinnen, es gäbe nur eine Rangliste der größten Verlierer. Und diese führen per Definition jene an, die am stärksten vom Export abhängen. Also wir.
Für die Aktienmärkte wäre eine Eskalation des Protektionismus wohl der Todeskuss. Schon bevor die US-Regierung Strafzölle auf Stahl und Aluminium ankündigte, waren die Weltbörsen angeschlagen. Rekordbewertungen, Rekordoptimismus, Rekordspekulation auf Kredit, Rekordaktienrückkäufe der Unternehmen mit Schulden finanziert und eine tiefe Volatilität ließen wenig Raum für Enttäuschungen.
Dann stiegen die Inflationserwartungen und die Zinsen in den USA. Je höher die Zinsen stiegen, desto skeptischer wurden die Börsianer, ist doch das billige Geld der Treibstoff für die Märkte. Nur die gute Konjunktur und damit weiter steigende Unternehmensgewinne konnten als Begründung für die anhaltend hohe Bewertung dienen. Genau hier wird ein Handelskrieg gravierende Spuren hinterlassen. Die Rezessionsgefahr wächst und die Gewinne der Unternehmen dürften deutlich unter Druck kommen. Dann heißt es „Game over“ an den Märkten.
→ cicero.de: “Der Protektionismus killt den Bullenmarkt”, 5. April 2018