“The world today looks ominously like it did before World War I”

Bekanntlich war die Welt schon einmal richtig globalisiert und es galt als undenkbar, dass es jemals wieder zu einem Krieg kommen würde. Das war 1912. Kurze Zeit später begann die wohl zerstörerischste Periode der Geschichte. Die Parallelen zu heute sind überdeutlich. So überdeutlich, dass sich sogar die Deutsche Bank damit beschäftigt, wie die Washington Post berichtet:

  • “A backlash to globalization appears to be gaining strength around the world. U.S. politicians on both the right and left have called for curbing free trade deals they say benefit foreigners or the global elite.” bto: In der Tat ist der Protektionismus weltweit auf dem Vormarsch.
  • “President-elect Donald Trump has championed tariffs on imports and limits on immigration, and suggested withdrawing from international alliances and trade agreements. Meanwhile, populist and nationalist governments have gained ground in Europe and Asia, and voters in Britain have elected to withdraw from the European Union.”bto: Das hat aber meines Erachtens mehr mit der Migration als mit der Globalisierung zu tun. Das wird gerade in der Politik gerne durcheinandergeworfen, vor allem um eine Zwangsläufigkeit zu suggerieren, die da nicht ist.
  • “In a recent report, Josh Feinman, the chief global economist for Deutsche Asset Management, says that the world could see a substantial backsliding to globalization in decades to come. After all, he writes, we have seen it happen before, in the years of chaos and isolationism that encompassed the First and Second World Wars and the Great Depression.”bto: Und wir sind dabei, es wieder zu erleben, das denke ich auch.
  • “Other economists have proposed similar theories in the past. Branko Milanovic, Dani Rodrik, Niall Ferguson, Fred Bergsten and others have argued that globalization is a cyclical process, accelerating and retrenching over decades, as global integration naturally gives rise to a backlash.”bto: Was für wohl alle sozialen Prozesse gilt, siehe auch die Theorie der Kondratieff-Wellen.
  • “From the mid-19th century to 1914, advances like steamships, the telegraph, the telephone and the Suez and Panama canals dramatically shrunk distances and increased communication, and the world underwent a period of rapid globalization (…) merchandise exports rose as a share of the economy, evidence of globalization.”bto: Und damals dachte man, es wäre unumkehrbar …


Quelle: Deutsche Asset Management/Washington Post

  • “These changes spread the benefits of the Industrial Revolution around the world, Feinman says. But in some places, particularly wealthier countries, they also worsened inequality. Trade enriched some people but left others behind, triggering unrest and a political backlash.”bto: der auch damit zu tun hatte. Vor allem war es eine sehr unterschiedliche Entwicklung, gerade auch in Europa, wo Deutschland deutlich schneller vorankam als Frankreich und Großbritannien.
  • “(…) countries gradually introduced more trade barriers and restrictions on immigration. (…) With the World Wars and the Great Depression, globalization collapsed, and nationalist movements and economic isolationism reigned for decades.”bto: Und dies werden wir erleben. Gerade die Politik von Deutschland wird sich als ein großer Fehler herausstellen.
  • “In the decades following World War II, the pendulum swung in the other direction. (…) International organizations like the World Bank, the International Monetary Fund, and the General Agreement on Tariffs and Trade, the precursor to the World Trade Organization — institutions that creators believed might help make another world war impossible. Since then, the world has experienced what many think of as the second great wave of globalization.”bto: die nach 1989 richtig an Fahrt gewonnen hat. Gerade auch mit dem Eintritt von China.
  • “(…) there are some strong parallels, Feinman says. “Modern globalization has been spurred by some of the same forces that powered the pre-WWI epoch: New technologies, an open, free-trade, rules-based world economic system underpinned by the leading power of the day, and a period of general peace among major countries.”(…) the share of wealth owned by the richest Americans – an indicator of inequality – have returned to pre-World War I levels, after dipping during the mid-1900s (…).” bto: Die Parallelen sind in der Tat bestechend.
  • “(…) globalization is far from solely responsible for the economic malaise that some in the United States and around the world experience. In addition to globalization, technology, social changes and government policies have all been instrumental in determining who benefits and who loses out from global economic integration in past decades.” bto: und die angesprochene Migration, die nicht in einem zwangsläufigen Zusammenhang steht.
  • “Globalization has also hurt some less-skilled workers by exposing them to competition.(…) It’s easier for politicians to blame foreign countries for their troubles than technology, since technology is often viewed in a positive light.” bto: Die Alternative wären bessere Bildung und mehr Investitionen gewesen, doch Anstrengungen sind unpopulär, weshalb lieber auf Schulden gesetzt wurde. Nun schmerzt die verlorene Zeit zusätzlich.
  • “In September, the WTO projected that global trade growth would fall to 1.7 percent in 2016, the slowest pace since the 2009 financial crisis. (…) the world is seeing more trade barriers and a dramatic slowdown in the crafting of new trade pacts.” bto: In jedem Jahr seit 2008 haben die protektionistischen Eingriffe in der Welt zugenommen.

Fazit Washington Post: “The global economy is still remarkably integrated, and new technology is tying people around the world more closely than ever before. Yet, as history demonstrates, this process can be reversed.”

bto: Ja, in der Theorie stimmt das. In der Praxis bezweifle ich es. Zu groß sind die Probleme, vor denen wir stehen.

→ Washington Post Online: “The world today looks ominously like it did before World War I”, 29. Dezember 2016

Und hier die Studie:

→ Deutsche Bank: “Backlash against globalization: Déjà vu?”, Dezember 2016

Kommentare (15) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      DIE säkulare Stagnation ist eine in den ENTWICKELTEN westlichen Volkswirtschaften.

      Woanders gibt es sie nicht, z. B. in China und Indien.

      Heißt:

      Es ist zwar richtig auf eine säkulare Stagnation und ihre Ursachen hinzuweisen – die Braunberger m. A. n. gut benennt – und daraus Wirkungen abzuleiten, es muss aber in einem weiter gefassten Zusammenhang geschehen als nur mit einer Nabelschau.

      Wichtiger, wenn man säkularer Stagnation nicht wirklich entkommen kann:

      Welche ökonomischen und vor allem politischen KONSEQUENZEN sie haben kann.

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  1. Michael Stöcker
    Michael Stöcker sagte:

    Mal ganz unabhängig davon, was Trump & Co. sich noch so alles einfallen lassen; ein Kriegsszenario a la WK I und II halte ich für höchst unwahrscheinlich. Ein Prozess der Reglobalisierung hat zudem ganz nüchterne ökonomische Gründe (sukzessive Angleichung der Faktorkosten): http://think-beyondtheobvious.com/stelters-lektuere/wahl-vorbei-krise-noch-lange-nicht/#comment-20716. Da sind die Thesen von Ulrike (Herrmann) schon viel wahrscheinlicher.

    LG Michael Stöcker

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  2. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    Die Parallele zwischen dem jetzigen Zustand und dem von dem vor WKI ist signifikant, d. h. man muss keine abseitigen Sachverhalte heranziehen oder gar absurde konstruieren, um sie herzustellen.

    Zu was der heute Zustand und daraufhin folgende Entwicklungen führen werden, ist hingegen völlig offen. Spekulationen darüber verbieten sich.

    Geschichte wiederholt sich nicht, auch deshalb nicht, weil die BEDINGUNGEN unter denen etwas geschieht, jeweils andere sind. Es wäre daher völlig verfehlt, aus den heutigen Zuständen eine Entwicklung hin zu globalen kriegerischen Auseinandersetzungen analog WWI zwingend oder auch nur „prophetisch“ ableiten zu wollen.

    Auszuschließen ist allerdings auch nicht, dass sich die Geschichte SCHLIMMER wiederholen kann – kann, nicht muss.

    Was Dr. P. Dauerer fragt („Wer soll gegen wen kämpfen mit welchem Ziel?), basiert auf spekulativer Hypothese und ist für die öffentliche Debatte irrelevant:

    Weil ein europäisches Kriegszenario unrealistisch ist, kann man mit dem NARRATIV der Kohl-Ära, dass man eine institutionell vertiefte europäische Kooperation brauche, um den Frieden zu sichern, keinen Blumentopf mehr gewinnen. Die Politik hat es daher auch zu den Akten gelegt, ohne freilich ein neues gefunden zu haben, um die Leute bei der Stange zu halten.

    Es mag ja noch den einen oder anderen „EU-Friedenprojekt-Ideologen“ geben, aber das Thema ist durch –– im AUGENBLICK und auf übersehbare Zeit.

    Was aus meiner Sicht wirklich BEÄNGSTIGEND ist:

    Wie immer sich die Dinge entwickeln, sie entwickeln sich bis jetzt mit UNANGREIFBARER demokratischer Legitimation, zumindest was Europa und die USA anlangt.

    Das heißt, dass wir einer „Entwicklungslogik“ unterliegen, die insoweit per se nicht diskreditiert werden kann.

    Ich weiß nicht, was andere bei diesem Gedanken, so sie ihn haben, empfinden.

    Bei mir ist es ein starkes Gefühl der Ohnmacht – KOLLEKTIVER Ohnmacht – verbunden mit der vergleichsweise schwachen Hoffnung, dass sich so etwas wie mehrheitliche Vernunft durchsetz, um das unter diese Logik wirklich Schlimme als Möglichkeit auszuschließen.

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  3. Bagehot
    Bagehot sagte:

    Lieber Herr Stelter,

    mit Ihren einleitenden Bemerkungen zeichnen Sie ein völlig verzerrtes Bild.

    1. In der verlinkten Studie der Deutschen Asset & Wealth Management ist nirgendwo von einem drohenden Krieg die Ende, erst recht nicht von einem Dritten Weltkrieg.Autor Joshua Feinman befasst sich lediglich mit den Risiken für den feien Handel und den freien Warenverkehr und wie diese Gefahren abgewendet werden können.

    2. Die Globalisierung hat mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges so gut wie nichts zu tun. Ursachen waren vielmehr die Gründung des Deutschen Reiches, die das austarierte Kräfteverhältnis zwischen den europäischen Großmächten gefährdete, die Annexion von Elsass-Lothringen, die zum Dauerkonflikt mit Frankreich führte, und nicht zuletzt die erstarkenden Nationalbewegungen in Osteuropa und auf dem Balkan, die gleichermaßen die Existenz des Russischen Reiches, der Österreich-Ungarischen Doppelmonarchie und des Osmanischen Reiches bedrohten. Ich verweise auf die beiden jüngst erschienen Standardwerke “Die Schlafwandler” von Christopher Clarke und “Der Höllensturz” von Ian Kershaw.

    3. Schließlich ist es schlichtweg falsch, dass 2012 niemand mit einem Krieg in Europa gerechnet hatte. Im Gegenteil: Seit Mitte der 1870er Jahre, spätestens aber seit den 1890er Jahren wurde allgemein erwartet, dass es zu einem großen Krieg zwischen Deutschland und Frankreich kommen würde. Schon 1905 verabschiedete der deutsche Generalstab den Schlieffen-Plan, der einen Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Russland vorsah. Auch die anderen Großmächte steuerten keineswegs einen Friedens-Kurs, wie die zahllosen außenpolitischen Krisen und die kleineren Kriege zwischen 1875 und 1914 zeigen.

    Es mag ja sein, dass die Globalisierung auf dem Rückzug ist (nicht zuletzt dank Donald Trump). Doch was bezwecken Sie damit, wenn Sie in diesem Forum die Angst vor einem neuen Weltkrieg schüren?

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  4. Dr. Peter Dauerer
    Dr. Peter Dauerer sagte:

    Nachdem jetzt auch hier die Gefahr eines großen Krieges thematisiert wird, möchte ich drei Fragen in die Runde werfen.

    Wer soll gegen wen kämpfen und mit welchem Ziel?

    Laut Heinsohn fehlen uns die Kämpfer. Welche Familie schickt ihren einzigen Sohn oder sogar ihr einziges Kind in den Krieg?

    In Frankreich müssen bei einem bewaffneten Konflikt alle Atomkraftwerke heruntergefahren werden. Man stelle sich 15 Marschflugkörper auf die größten Umspannwerke in Deutschland vor. Kann sich jemand vorstellen, wie es bei uns nach 48 Stunden Stromausfall zugeht, wenn man sich singuläre, zeitlich und lokal begrenzte Blackouts der Vergangenheit ansieht?

    Ein großer militärischer Konflikt in Zentraleuropa führt nach wenigen Tagen zur Implosion des gesamten Staates. Daher sehe ich diese Angstmacherei vor einem extrem unwahrscheinlichen Krieg nur als Mittel zum Zweck des “Weiter so wie bisher”.

    Antworten
    • Johannes
      Johannes sagte:

      DPD: “Wer soll gegen wen kämpfen und mit welchem Ziel?”

      Lässt sich rational nicht beantworten. Rationalität ist für mich auch kein geeigneter Erklärungsansatz für den Einstieg in einen Krieg. Kriege sind im Kern die Fortführung von Politk mit Mitteln der Gewalt.

      DPD: “Welche Familie schickt ihren einzigen Sohn oder sogar ihr einziges Kind in den Krieg?”

      Das bestimmt dann sicher nicht mehr die Familie, sondern der Verteidigungsminister, des jeweiligen Landes.

      DPD: “Kann sich jemand vorstellen, wie es bei uns nach 48 Stunden Stromausfall zugeht, wenn man sich singuläre, zeitlich und lokal begrenzte Blackouts der Vergangenheit ansieht?”

      Kann ich sehr gut (bin mit Energiebranche u.v.a. der Energieverteilung gut vertraut) und es würde grausam werden; unsere gesamte Infrastruktur ist stromabhängig. Darum, die Energieverteilung wäre das erste strategische Ziel.

      DPD: “Ein großer militärischer Konflikt in Zentraleuropa führt nach wenigen Tagen zur Implosion des gesamten Staates. Daher sehe ich diese Angstmacherei vor einem extrem unwahrscheinlichen Krieg nur als Mittel zum Zweck des „Weiter so wie bisher“.”

      SIe MÖCHTEN es offenbar so sehen, weil Ihnen die potentiellen Kriegsfolgen zu gewaltig scheinen. Der Blogbetreiber ist nun wahrlich kein Vertreter des “Weiter so wie bisher” – lesen Sie sich einmal mal durch´s Archiv.

      Antworten
      • Dr. Peter Dauerer
        Dr. Peter Dauerer sagte:

        Damit meinte ich ganz bestimmt nicht Dr. Stelter, sondern hier speziell die Deutsche Bank als Herausgeber dieser Zeilen und im Allgemeinen alle anderen EU_Friedensprojekt-Ideologen, von denen man auch im Prvatleben immens viele trifft.

        Zum einzigen Sohn: ich habe einen minderjährigen Sohn und Verwandte in Südamerika.

      • Johannes
        Johannes sagte:

        @ DPD: “Nachdem jetzt auch hier die Gefahr eines großen Krieges thematisiert wird…” hatte ich so verstanden, dass Sie mit “hier” diesen Blog meinen.

    • Ulrike
      Ulrike sagte:

      Jemand hat mal in etwa gesagt “Die leute vorbereiten sich immer für die vergangenen Kriege”.
      Es wird ein neuer Krieg kommen (oder ist schon da?). Er wird anders ausschauen als alle vergangenen Kriege. (man muss sich die technologische Differenz vorstellen so in etwa wie zwischen den napoleonischen Kriegen und dem I Weltkrieg).
      Ich persönlich denke wir sind längst im Krieg, einem hybriden Krieg, der noch nicht bei uns vollständig angekommen ist. Langfristig (innerhalb der nächsten 60 Jahre) werden die Staaten mehr oder weniger zerfallen und wir werden eine politische Struktur erleben wie etwa im Mittelalter: Dezentralität zusammen mit einer neuen Art des Feudalismus.

      Antworten
    • Daniel Stelter
      Daniel Stelter sagte:

      Nein, ich wollte mit meinen Einführungszeilen nicht implizieren, dass wir vor einem Krieg stehen. Eher vor einem Rückfall aus der Globalisierung. Ich bin ganz bei Heinsohn, dass wir als Kinder-arme Gesellschaften keinen Krieg führen. Da die Washington Post das aber so positioniert hat, habe ich wohl zu viel davon übernommen.

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      • Hans-Peter Stumpf
        Hans-Peter Stumpf sagte:

        Ich sehe dies genauso wie Dr. Dauerer.
        Insbesondere fehlen in Europa die überzähligen Söhne für einen großen militärischen Konflikt, Europa sollte sich auf mögliche gemeinsame Verteidigungsstrategien nach außen beschränken, dafür würden dann noch genug Söhne benötigt werden.
        Dass die Deutsche Bank hier eigene Ziele im Hintergrund hat, glaube ich ebenso.

    • Karl F.
      Karl F. sagte:

      Sehe ich auch so.
      Die Spannungen in Europa vor dem 1. Weltkrieg, die nationalen Unabhängigkeitsbewegungen, die nun Vielvölkerstaaten wie Österreich oder das Osmanische Reich auseinandersprengten, das Streben der europäischen Nationen und der USA nach Einflusszonen und Kolonialgebiete, das sind alles Gegebenheiten, die ja trotz der Globalisierung vor 1914 vorhanden waren und in den Krieg geführt haben.
      Hier muss man doch wohl eine gewisse Panikmache der Deutschen Bank unterstellen.

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