„Globale Sturmwinde“
Felix Zulauf ist einer der anerkanntesten Experten, wenn es um Kapitalmärkte und Geldanlage geht. Schon mehrfach habe ich an dieser Stelle aus seinen Beiträgen zitiert und ich bin zudem sehr stolz darauf, dass er meine Piketty Kritik („Die Schulden im 21. Jahrhundert“) empfohlen hat. Mit Blick auf die Entwicklung in China hier sein Kommentar in der FINANZ und WIRTSCHAFT:
- „China – und zahlreiche andere Schwellenländer – befinden sich in einer schweren Zahlungsbilanzkrise.“
- „Eine Zahlungsbilanzkrise läuft immer nach dem gleichen Muster ab: Zuerst zieht eine aufstrebende Volkswirtschaft aus guten Gründen Kapital an. Dies führt mit der Zeit zu einem Boom, in dem dann Exzesse – zu hohe Kapazitäten, hohe Verschuldung, zu viele Beschäftigte und zu hohe Löhne – aufgebaut werden. Sie müssen im nachfolgenden Abschwung eliminiert werden. Die Währung wertet sich dabei ab und überschiesst nach unten, während die Konjunktur in eine Rezession fällt.“ – bto: Und angesichts der weltweiten Vernetzung trifft das auch uns.
- „(…) ‚wenn man die chinesischen Zahlen genauer analysiert und Plausibilitätskontrollen durchführt, dann zeigt sich heute bestenfalls noch ein Wachstum von 2 %, verglichen mit mehr als 10 % noch vor wenigen Jahren.‘” – bto: Wichtig dabei ist, es nutzt wenig, wenn der Servicesektor noch recht gut dasteht. Weltwirtschaftlich ist der Industriesektor entscheidend.
- „China hat den grössten Boom der Geschichte erlebt. Ein Beispiel für das Ausmass der Exzesse: In den drei extremsten Boomjahren hat China so viel Zement verbraucht wie die USA in den letzten hundert Jahren. Ein Grossteil des Aufschwungs war mit Kredit finanziert, was eine gigantische Kreditblase bewirkte.“
- „Jetzt aber ist der Boom in China vorbei. Nun haben Abschwung und Korrektur der aufgebauten Exzesse begonnen. Die Zinsen sind gefallen, ebenso die Immobilienpreise, die Börsenkurse und der Wert des Yuans. Entsprechend nimmt erstmals der Drang zur Diversifikation der Vermögen ins Ausland zu. Vergleiche mit anderen Volkswirtschaften in ähnlichen Phasen der Entwicklung führen zu einem geschätzten potenziellen Kapitalabfluss im Gegenwert von rund 3000 Mrd. $.“ – bto: Das hält China ohne deutliche Abwertung nicht aus.
- „Wenn in einer Volkswirtschaft mehr Kapital ab- als zufliesst, dann sinkt der Wert ihrer Währung. Das gilt auch für China. Von den verbleibenden Devisenreserven von 3300 Mrd. $ sind geschätzt rund 1300 Mrd. illiquide. Mit anderen Worten verbleiben rund 2000 Mrd. $, die beim aktuellen Tempo von über 100 Mrd. $ Kapitalabfluss pro Monat in etwa achtzehn Monaten verbraucht wären.“
- „Die einfachste Lösung ist deshalb, den Yuan laufen und den freien Markt entscheiden zu lassen, wo das Gleichgewicht für die Währung sein soll.”
- „China ist der grösste Exporteur der Welt, und Nordostasien ist der wichtigste Standort für global produzierte und gehandelte Güter, die damit deutlich günstiger werden. Dadurch entsteht Preisdruck auf Konkurrenten in anderen Regionen: ein deflationärer Schock für die ganze Welt. Über Zweit- und Drittrundeneffekte werden mit Kostensenkungsbemühungen auch die Einkommen von anderen Wirtschaftssubjekten gekürzt. Aus dieser Abwärtsspirale kann eine globale Rezession entstehen, obwohl vorher in unseren Breitengraden keine Überhitzung stattgefunden hat.“ – bto: genau jene Dynamik, die ich hier immer wieder beschrieben und befürchtet habe.
- „Heute verschlechtert sich die globale Liquiditätslage, die Expansion der Bilanzen des Fed und der Zentralbank Chinas ist bereits rückläufig. Noch expandiert die EZB ihre Bilanz, aber EZB-Chef Mario Draghi wurde von seinen Kollegen beim letzten Entscheid zurückgepfiffen, womit weitere Steigerungen der monetären Expansion vorderhand wohl vom Tisch sind.“ – bto: Ich denke, dann kommen die Helikopter. Ich denke, die Notenbanken werden dann „all-in“ gehen und Staaten direkt finanzieren, also alles tun, um einen Kollaps zu verhindern. Ob sie damit Erfolg haben werden, weiß ich allerdings auch nicht.
→ FINANZ und WIRTSCHAFT: „Globale Sturmwinde“, 15. Januar 2016