2015: kein gutes Jahr für unseren Wohlstand

Meine kritische Sicht auf die Qualität der deutschen Politik ist bekannt. Im naiven Glauben an die wirtschaftliche Unbesiegbarkeit werden die Weichen falsch gestellt, wohin man auch blickt. Thomas Mayer fasste das in seinem Jahresrückblick eindrücklich zusammen, deshalb an dieser Stelle die – traurigen – Highlights:

  • „Die Nullzinspolitik führt zu Fehlallokation von Kapital und Arbeit, verringert das Produktivitätswachstum und führt die Wirtschaft in die Stagnation, die dann die Nullzinspolitik legitimiert.“ – bto: Knapper kann man die verfehlte Politik nicht zusammenfassen!
  • Fällt die Wirtschaft in die nächste Rezession, steht das Kreditgeldsystem praktisch vor seinem Ende. Die Banken würden mangels Mut zur Kreditvergabe kein Kreditgeld mehr schaffen, sodass sich die Zentralbank genötigt sehen würde, selbst geschaffenes „Helikoptergeld“ unter die Leute zu bringen. Das könnte die Inflation beflügeln. Doch könnte die Inflation flugs viel weiter steigen, als es der EZB lieb sein würde. Denn der entschlossene Kampf des Geldemittenten für Geldentwertung könnte die Leute veranlassen, aus dem Geld zu fliehen.“ – bto: deshalb die panische Angst vor der nächsten Rezession.
  • Wir lernten die schaurige neue Finanzwelt kennen: Hohe Volatilität und gleichlaufende Entwicklung der Finanzpreise. Dagegen ist kein Kraut der Portfolioversicherung oder Diversifizierung gewachsen. Denn wenn die Zinsen sicherer Staatsanleihen schon negativ sind, können sie kaum weiter fallen. Die Preise der Anleihen können daher nicht mehr steigen, wenn die Aktienpreise in die Knie gehen. Jedes Portfolio fährt dann Achterbahn, und Anleger können sich nur noch auf das ertragslose und wahrscheinlich bald gebührenpflichtige Bankkonto retten.“ – bto: siehe dazu meine Beiträge aus der letzten Woche zu den mauen Ertragsperspektiven aller Assets Eiszeit eben.
  • Die zunehmende Betonung des Sozialen auf Kosten der Wirtschaft in unserer Sozialen Marktwirtschaft, die waghalsige Energiewende und die sehr kostspielige Euro-Rettung konnten Merkel nichts anhaben. Aber der mit ihrer Billigung aufkommende unkontrollierte Zustrom von Flüchtlingen führte zu einem Riss zwischen ihr und ihrer Partei sowie der Wählergunst: Zäsur in der Ära Merkel.“
  • Oft hat die Krisenmanagerin Merkel Probleme dadurch entschärft, dass sie diese in die Zukunft verschoben hat. Das ging bei der Euro-Rettung, deren Kosten zukünftige Steuerzahler tragen müssen. Das ging noch bei der zentralgelenkten Energiewende, deren wirtschaftliche Kollateralschäden erst mit der Zeit sichtbar werden. Aber das ist vorbei, wenn während eines Jahres über eine Million Flüchtlinge ins Land strömen.“
  • „Wir hängen an der Weltkonjunktur und tun nichts dafür, uns für die nächste Weltrezession zu wappnen. Werden wir von der nächsten globalen Rezession ebenso kalt erwischt wie von dem Flüchtlingsstrom?“ – bto: Davon bin ich 100 Prozent überzeugt. Und es wird wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich brutal. 
  • „Tsipras’ Fehler war, offen gegen die Auflagen zu rebellieren, statt sie wie die vorherigen Regierungen formal zu akzeptieren und faktisch zu unterlaufen. Aber er war lernfähig. Nach der Fehlerkorrektur, publikumswirksam durch die Entlassung des Finanzministers untermauert, floss das Geld wieder und der Guerillakrieg gegen die Auflagen ging weiter wie bisher.“ – bto: Das trifft es sehr gut. Alle tun so, als würden sie sich dran halten. Keiner macht es! Siehe auch Frankreich, Italien, …
  • Nach der Währungsunion geriet nun das Schengener Abkommen in die Krise. Wegen der Flüchtlingskrise zerfiel die Europäische Union in drei Teile: die Aufnahmewilligen (Schweden, Deutschland, Österreich), die Unwilligen (Osteuropa und Großbritannien) und die Scheinheiligen, bei denen Worte und Taten weit auseinanderklafften (Frankreich und Italien). Für Deutschland bedeutet das eine doppelte Isolation in der EU.“ – bto: Das habe ich auch beschrieben, vor allem wird es für uns teuer!
  • In der Währungsunion steht es nun gegen die „lateineuropäischen“ Länder, die es nicht so genau mit der Staatsverschuldung nehmen und die die EZB gerne als Finanzierungsquelle und Erfüllungsgehilfe für ihre Wirtschaftspolitik in Anspruch nehmen. In der Flüchtlingspolitik steht es gegen Osteuropa und Großbritannien.“ – bto: eine wahre Meisterleistung unserer Regierung.
  • Die Formel „Scheitert Schengen, scheitert der Euro, scheitert Europa“ nimmt uns in eine Pflicht, die wir nicht erfüllen können. Sie ist darauf angelegt, uns den Schwarzen Peter im Spiel um den europäischen Frieden in die Hände zu spielen.“ – bto: Die deutsche Politik ist krachend gescheitert.

„Statt als Einheitswährung wäre der Euro als Angebot einer Gemeinschaftswährung aufzustellen, neben der auch andere nationale oder regionale Währungen möglich sind. Statt als Club ohne Ausschlussmöglichkeit nachlässiger Mitglieder müsste Schengen als variable Willensgemeinschaft verstanden werden, deren Mitgliedschaft nur durch laufende Anstrengungen zur Kontrolle der Außengrenzen unter allgemein akzeptierten Bedingungen erhalten werden kann. Kurz gesagt, statt als starre Föderation muss Europa als atmende Konföderation strukturiert werden, die die Souveränität der europäischen Völker respektiert.“

bto: Da dies aber für die Regierungen einer Niederlage gleichkommt und für die Bürokratie in Brüssel einen massiven Machtverlust bedeutet (mit entsprechendem Personalabbau) werden die Rückzugsgefechte noch eine Weile andauern.

→ F.A.Z.: „Mayers Weltwirtschaft: Mein Jahr 2015“, 21. Dezember 2015