„China devaluation – a necessary evil?“
Es setzt sich immer mehr der Konsens durch, dass – allen Beteuerungen der chinesischen Regierung zum Trotz – nur in einer Abwertung der Währung eine Lösung aus chinesischer Sicht liegt: mit allen sich daraus ergebenden negativen Konsequenzen für die Weltwirtschaft, die unter einer unermesslichen Schuldenlast ächzt. Die FT schaut mal wieder etwas tiefer.
Zunächst wird der Economist zitiert, der vorgerechnet hat, dass, wenn nur fünf Prozent der Chinesen sich entschlössen, den erlaubten Betrag von 50.000 US-Dollar Gegenwert in ausländische Währungen zu wechseln, die gesamten Währungsreserven des Landes in diesem Jahr aufgebraucht würden. Immerhin 3,3 Billionen US-Dollar. Das führt erneut die unglaublichen Dimensionen des Landes und die Bedeutung für die Welt vor Augen.
Die FT meint dann, dass es die Kapitalmärkte wohl beruhigen würde, käme es zu einer geordneten Abwertung, weil dann die Angst nicht mehr da wäre. So bestünde einfach zu viel Unsicherheit bezüglich des weiteren Kurses. Dies scheint die chinesische Führung jedoch anders zu sehen. Allerdings gibt es Hinweise für einen Politikwechsel, und die Befürchtung es könnte zu weitergehenden Beschränkungen des Kapitalverkehrs kommen, beschleunigt zugleich die Kapitalflucht aus dem Land.
Dem Land gelingt es nicht, die gewünschte „Reblancierung“ der Wirtschaft zu gestalten, weg von der auf den Export ausgerichteten zu einer mehr von inländischem Konsum getragenen Wirtschaftsstruktur. Dabei sieht es auf den ersten Blick so aus, als würde es gelingen, wie man am linken Teil der Abbildung sieht:
Danach wächst der Anteil des Servicesektors, während der Industriesektor relativ schrumpft. Arbeitet man jedoch mit realen Zahlen, zeigt sich, dass es keine Veränderung gegeben hat. Ein schönes Beispiel für die Bedeutung einer sauberen Analyse!
Das liegt an der seit Jahren andauernden Deflation auf dem Niveau der Produzentenpreise. Diese stellt bekanntlich die größte Gefahr für die Weltwirtschaft dar:
Seit 2012 fallen die Produzentenpreise.
Um den Umbau der Wirtschaft weiter zu befördern, bedarf es Reformen – und wohl einer schwächeren Währung, schließt die FT.
Das denken auch immer mehr Chinesen, so scheint es. Berichtet doch das Instutute of International Finance, dass die Kapitalflucht aus China 2015 noch größer war, als bisher angenommen. 676 Milliarden US-Dollar haben das Land verlassen. Dabei werden immer neue Wege gesucht um die offiziellen Beschränkungen zu umgehen. Damit steht China fast für den gesamten Kapitalexport der Schwellenländer im letzten Jahr. Und so wie es aussieht, dürfte sich der Trend auch 2016 fortsetzen:
Nimmt man die Entwicklung der ersten paar Wochen des neuen Jahres als Basis, so könnte es noch deutlich schlimmer kommen, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Finanzmärkte.
→ FT (Anmeldung erforderlich): „China devaluation – a necessary evil?“, 17. Januar 2016
→ FT (Anmeldung erforderlich): Capital flight from China worse than thought, 20. Januar 2016
Gut Hr. Tischer. Bei einem eher lockerem Zusammenschluss bliebe der Ländern deutlich mehr Freiheit. Wäre vermutlich -bei eigenen Währungen- auch gut gegangen. Aber die Politik….. Wir sind einer Meinung. LG. R.K.
Herr Klages, ich widerspreche nicht Ihrer Einschätzung, was den oder einen wesentlichen Unterschied zwischen den Südländern und dem Norden Europas angeht.
Deshalb hätte man auch keine Währungsunion einführend dürfen (zumindest nicht ohne supranationale Institutionen mit Durchgriffsrechten auf nationale Politiken, z. B. Wirtschafts- und Finanzpolitiken).
Es kann aber dennoch einen „lockereren“ Wirtschaftsraum geben, z. B. eine europäische Freihandelszone, in der zumindest einige Länder eine eigene Währung hätten. Ungleichgewichte würden weitgehend über die Abwertung bzw. Aufwertung der eigenen Währung erfolgen.
So etwas hatten wir in hohem Maße VOR der Währungsunion.
Also:
Theoretisch ließe sich schon etwas machen ¬ – angesichts der Lage m. A. n. allerdings nur theoretisch.
„Dem Land gelingt es nicht, die gewünschte „Reblancierung“ der Wirtschaft zu gestalten, weg von der auf den Export ausgerichteten zu einer mehr von inländischem Konsum getragenen Wirtschaftsstruktur.“
Ich würde sagen:
Soweit ersichtlich gelingt es dem Land nicht, einen geordneten, relativ friktionslose Umsteuerung der Wirtschaft zu gestalten.
Die Umsteuerung wird gelingen, es sei denn das Land zerfällt, weil die internen Friktionen nicht beherrscht werden können.
Geht man davon aus, dass sie gelingt, bleibt die Frage, wie HOCH die Kosten der Umsteuerung insbesondere für die Weltwirtschaft sind.
Sie sind gewaltig, wie hier und anderswo immer wieder betont wird.
Das liegt daran, dass
a) man auch in China den Fehler begangen hat, realwirtschaftliche Anpassungen, speziell auf der Angebotsseite, mit einem nachfragewirksamen Verschuldungsaufbau zu verdrängen (wobei die Devisenreserven des Landes nur Blendung sind, weil sie am verheerenden Wirkmechanismus extrem hoher privater Verschuldung in Rezessionsphasen nichts ändern)
und
b) das Land sehr, sehr groß und daher weltwirtschaftlich sehr gewichtig ist.
Wenn der sprichwörtliche Sack Reis umfällt, gibt es nicht nur ein paar lokale Erschütterungen, sondern ein Erdbeben, das – so wie die Dinge liegen – Schockwellen rund um den Erdball auslösen wird.
Und alle die davon betroffen sind, haben praktisch nichts in der Hand, um die Auswirkungen abwehren zu können.
Lieber Daniel Stelter,
wenn ich die Entwicklung Chinas betrachte, bin ich immer wieder beeindruckt, mit welcher Konsequenz und Potenz die nationalen Ziele verfolgt werden. Die Industrialisierung innerhalb von ca. 50 Jahren, während der Umbauphase die Limitierung des Bevölkerungswachstums, jetzt kurz vor der Phase der Expansion deren Lockerung, der Inverse Kolonialismus- externe Wirtschaft darf ins Land, aber nur in Kooperation mit chinesischen Unternehmen, d.h. neben Produkten/Industrie maximaler Wissensgewinn, das Lernen und Importieren von den besten Sozialsystemen anderer Länder für die angestrebte Entwicklung, der Aufkauf global von Boden, Rohstoffen, Firmen, Wissen etc. Ob die Investition in Immobilien im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung so überflüssig war bei 1,3 Milliarden Einwohnern, die, wie schon einmal in Chinas Geschichte, umgesiedelt werden können, wage ich zu bezweifeln, insbesondere, wenn man sich den technologischen Standard der entstandenen Satellitenstädte/ Universitätsstädte anschaut.
Noch sieht das wirtschaftliche Diffusionsprinzip so aus, dass westliche Nationen in China aufgrund günstiger Arbeitskräfte und des großen Absatzmarktes einen Zugewinn verbuchen konnten. Bei einer Umkehr des Prinzips- und das vermutlich doch nur zu schaffen durch eine Deflation, wird perspektivisch China günstige Arbeitskraft im Westen abrufen können. Scheint das Timing von Deflation und politischen Destabilisierung des europäischen Raumes nicht perfekt abgestimmt? Wem- da ist vermutlich nicht nur an China zu denken- würde ein Ausstieg Deutschlands aus der Währungsunion am meisten nutzen?
Wäre die Frage nicht zu stellen, was uns eine stabile/sichere Eurozone kosten darf und anstatt darüber nachzudenken, ob es günstiger ist, dass zuerst Italien oder Deutschland aus dem Euro aussteigen, ein drittes Szenario möglich sein könnte, nämlich wie zu erreichen wäre, aus dem Euroraum ggf. wirtschaftlich einen weitestgehend eigenständigen Raum zu schaffen?
Natürlich hoffe ich auf Widerlegung dieser Gedanken,
Danke für die vielen interessanten Beiträge,
Herzliche Grüße, Ulrike Helbig
Hallo Frau Helbig,
nachdenken können wir über Vieles.
Man kann dabei durchaus zu der gut begründbaren Auffassung gelangen, dass ein Europa – ob identisch oder nicht mit dem Euroraum – als „eigenständischer Raum“ sehr vorteilhaft wäre, wenn es ein einheitlicher, z. B. einer ohne Handelsbeschränkungen wäre, der jedoch nationale Sonderheiten erlaubte.
Nur GEWOLLT herstellen lässt er sich nicht, weil die KOSTEN der Umgestaltung kurzfristig zu hoch wären. Niemand will für derartige Kosten verantwortlich sein.
Die Umgestaltung wird vermutlich kommen – durch eine nicht mehr beherrschbare Krise.
Wenn ich die Dinge richtig sehe, sind wir auf dem Weg dahin.
Hallo Hr. Tischer,
leider muss ich Ihnen widersprechen: Die Unterschiede im Umgang/der Einschätzung/des Stellenwertes von Geld differiert im Euroraum doch erheblich: Die Südländer sind schon immer inflationsresistent durch überdauernde und werthaltige Anlagen bei gleichzeitig niedrigem Cash gewesen, immer in der weisen Voraussicht, dass der Staat die Bürger ohnedies durch übermäßiges Gelddrucken um Barwerte bringt. Das ist im Norden nun einmal nicht so: Hier regiert die konsequente Wertbeständigkeit des Geldes, weshalb auch die Zins- und Zinseszinsbedeutung viel größer ist.
Diese beiden Weltanschauungen, egal welche man präferiert, wird man in einem Europa definitiv nicht unter einen Hut bekommen.
Wir sind eben nicht auf dem Weg dahin. Leider.
LG
R.K.
Liebe Frau Helbig,
„out of the box“ denken, sollten wir alle viel mehr tun, da haben Sie recht. Ich denke, natürlich könnten wir in Europa eine gemeinsame Politik machen, die Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit steigert. Damit wären wir resistenter gegenüber allen Krisen der Welt. Dazu kann auch eine – in Maßen betriebene – Staatsverschuldung (auch gerne von der EZB finanziert) gehören. Allerdings muss es auch in Richtung Reformen gehen. Denn nur mit Gelddrucken schafft man auch keinen Wohlstand, auch dann nicht, wenn die Staaten damit Ausgaben finanzieren.
Ich fürchte aber, hier fehlt jeglicher Konsens, nicht nur, dass wir unterschiedlich zur Inflation stehen, wie Herr Tischer schrieb. Auch, was Reformen, Wettbewerbsfähigkeit etc. betrifft, sind wir ganz anders unterwegs …
Deshalb bleibe ich skeptisch. Leider.
Vielen Dank für Ihr Interesse,
Liebe Grüße
DSt