Die EZB und der Klima­wandel

Die EZB sieht sich in einer führenden Rolle, wenn es um die Bekämpfung des Klimawandels geht. Was mit einer Bevorzugung „grüner Investments“ beginnt, wird in der direkten Staatsfinanzierung enden. Denn dies ist das eigentliche Ziel.
Schon bei ihrer Vorstellung im Europaparlament als Kandidatin für den Vorsitz der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte Christine Lagarde, die ehemalige französische Finanzministerin und Chefin des IWF betont, dass sie die EZB beim Kampf gegen den Klimawandel in einer entscheidenden Rolle sieht.

Heute als Präsidentin der EZB beginnen die ersten Schritte dazu. Zunächst soll die EZB bei ihren Anleihekäufen jene Schuldner bevorzugen, die mit ihren Aktivitäten die Klimaschutzbemühungen unterstützen. Damit soll versucht werden, die relativen Finanzierungskosten für „gute“ Investments besser zu stellen als für „schlechte Investments“.

Viele Probleme

Was theoretisch gut klingt, erweist sich bei genauerem Hinsehen allerdings als höchst problematisch. Denn wer soll beurteilen, was „grün“ ist und was nicht? Nehmen wir als Beispiel eine Anleihe von Siemens. Der Konzern ist führend bei der Herstellung von Windkraftanlagen (gut) und zugleich bei Gasturbinen (schlecht).

Wie soll man die Anleihe also beurteilen? Blickt man auf die Unternehmen, die in gängigen ESG-Rankings (ESG steht für Environment Social Governance – also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) auftauchen, so stellt man fest, dass je nachdem, wer die Auswahl trifft, andere Unternehmen in der Liste vertreten sind. Der Verdacht liegt also nahe, dass die Klassifizierung durch geschickte Positionierung von den Unternehmen selbst beeinflusst werden kann.

Diesem Problem will die EU nun aber entgegentreten, indem sie eine einheitliche Methodik vorgibt. Auch dies klingt in der Theorie gut, wird aber in der Praxis ebenfalls zu Ungerechtigkeiten und falschen Ergebnissen führen. Zu unterschiedlich sind die Unternehmen, zu verschieden die Chancen und Risiken aus dem Klimawandel für das Geschäftsmodell. Das große Risiko besteht darin, dass ein Gütesiegel die Investoren und damit auch die EZB in die Irre führt.

Schon im Januar dieses Jahres hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) davor gewarnt, dass die Folgen des Klimawandels und vor allem der Politik der Bekämpfung des Klimawandels unzureichend in den Risikomodellen der Investoren berücksichtigt sind. Konkret sehen die Experten zwei Arten von Gefahren:

  • Die „physischen Risiken“, also tatsächliche Schäden durch Sturm, Überschwemmung, Hitze. Sie reichen von der Zerstörung von Vermögenswerten und Leben bis hin zu geringerer Arbeitsproduktivität und dem Verschieben von Ressourcen von der Investition in die Zukunft zur Behebung von Schäden.
  • Die „Übergangsrisiken“, zum Beispiel durch einen schneller als erwarteten Umstieg von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien, der zu einer Abwertung der Vermögen der Unternehmen führt, die fossile Brennstoffe fördern und nutzen.

Beide Risiken können dazu führen, dass der Wert von Unternehmen unerwartet deutlich fällt und Aktionäre und Gläubiger viel Geld verlieren mit erheblichen negativen Folgen für das Weltfinanzsystem. Die Antwort darauf ist aber nicht, dass die Notenbank die relativen Zinsen um ein paar Nach-Kommastellen ändert.

Die Lösung liegt darin, dass Unternehmen und Investoren mit Szenarien versuchen, die Risiken zu bewerten und sich entsprechend darauf vorzubereiten. Dies setzt aber eine intensive Analyse jedes einzelnen Unternehmens voraus, die eben nicht durch ein einheitliches, vereinfachendes Gütesiegel ersetzt werden kann.

Vor allem zeigen die Nachteile, dass wir es mit einem untauglichen Instrumentarium zu tun haben. Will man den Klimawandel bekämpfen, dann geht das nur, indem man die Kosten von CO2 rasch und deutlich für die Unternehmen relevant macht. Das ist das Signal, welches wirkt. Indirekte Versuche, die Kosten von Fremd- und Eigenkapital zu beeinflussen, wirken zum einen deutlich weniger und öffnen Versuchen der Manipulation Tür und Tor.

Es ist nur der Testballon

Dies alles wissen die Verantwortlichen der EZB auch. Sie wissen, dass in einem Umfeld von Nullzins die Tatsache, dass die Notenbank bestimmte Anleihen bevorzugt, letztlich an den Finanzierungskosten nichts ändert. Kein Unternehmen wird eine Investition tätigen, weil Geld 0,5 Prozent weniger kostet, kein Unternehmen eine Investition unterlassen, weil es 0,5 Prozent mehr kostet.

Was vorbereitet werden soll, ist im Grunde etwas ganz anderes: Es soll die gesellschaftliche Akzeptanz geschaffen werden für eine andere Rolle der Geldpolitik. So hat die EZB zwar schon heute die Aufgabe, die Europäische Union bei ihren Aktivitäten zu unterstützen, aber nur nachrangig nach dem Ziel der Geldwertstabilität.

Wenn nun also die EU als globaler Vorreiter glaubt, das Weltklima faktisch im Alleingang retten zu können und dazu mehrere Billionen Euro mobilisieren will, stellt sich die Frage, woher diese kommen sollen. Offensichtliche Lösung: Diese unzweifelhaft „grün“ eingestuften Anleihen werden von der EZB gekauft. Wer kann schon gegen diese direkte Staatsfinanzierung sein, geht es doch um einen „guten Zweck“. Auch in Deutschland, ohnehin übereifrig im Bereich des Klimaschutzes, dürfte die Zustimmung breit sein. Die paar ewig gestrigen Kritiker, die an die Risiken einer direkten Staatsfinanzierung erinnern werden, nimmt dann niemand mehr so richtig wahr.

Der Clou daran: Die hoch verschuldeten Staaten der Eurozone arbeiten schon seit Langem auf die Lösung ihrer Probleme durch die EZB hin. Die solideren Staaten haben bisher immer dagegengehalten. Dann brachte Corona den Dammbruch zur Schulden- und Transferunion. Die Klimapolitik vollendet den Umbau durch die Legitimierung der monetären Staatsfinanzierung. Wie ich schon vor Jahren schrieb: Gäbe es den Klimawandel nicht, man müsste ihn erfinden.

Auf Deutschland bezogen bleibt nur festzuhalten: Angesichts der absehbaren Monetarisierung von Staatsschulden und Ausgabenprogrammen in Billionen-Höhe lautet die Devise: Mitmachen, nicht Geisterfahrer spielen! Höchste Zeit, dass auch wir mehr ins Inland investieren und Steuern sowie Abgaben senken. Denn jeder neue Euro, der für Frankreich, Italien, Spanien und Co. geschaffen wird, gilt auch bei uns!