“Das Geschwafel vom Exit aus der Welt des billigen Geldes”
Dieser Kommentar erschien bei manager magazin online:
Diese Woche hat EZB Präsident Mario Draghi vor Bundestagsabgeordneten für seine Politik des billigen Geldes geworben. Nur so sei die Wachstumsschwäche der Eurozone zu überwinden, nur so die drohende Deflation zu verhindern. Die deutschen Politiker machten pflichtgemäß klar, dass sie wenig von einer Politik halten, die Sparer um angemessene Zinsen bringt und Spekulationsblasen aufpumpt. Sie riefen Draghi zu einer Umkehr auf und forderten einen Plan für den Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes und für den Abbau der gekauften Anleihen von Staaten und Unternehmen.
Hans Michelbach, Obmann der Union im Finanzausschuss äußerte sich dann im Deutschlandfunk so: “Die Menschen wollen keine Eurobonds, sie wollen keine Einlagensicherung für Konten in den Krisenländern, keine Haftung übernehmen dafür. Also ich glaube, man muss den Menschen auch neues Vertrauen geben und muss sagen, wir wollen ganz klar die Niedrigzinsphase beenden, und die Staaten, die dazu nicht mitmachen, die Banken, die dazu nicht in der Lage sind, die müssen auch die Folgen selbst tragen.”
- Die Politik ist nicht bereit die Konsequenzen, die eine Beendigung der EZB Maßnahmen hätte zu tragen.
- Die Ursachen der Krise von 2008 wurden nicht bekämpft, lediglich die Symptome.
- Die Krise hat nur pausiert und ist dabei mit voller Wucht zurückzukehren.
Da hat der CSU-Politiker Michelbach natürlich gut gebrüllt. Die Banken und Staaten sollen selber die Konsequenzen tragen, wenn sie nicht in der Lage sind, die höheren Zinsen, die er fordert, zu verkraften. Die Banken wären dann nach den neuen Abwicklungsregeln der EU, also unter Beteiligung der Aktionäre und Gläubiger abzuwickeln, die Staaten müssten wohl – da es eine solche Regelung noch nicht gibt – einseitig die Zahlungen einstellen und so die Gläubiger enteignen. Oder aber drastisch Abgaben erhöhen und Ausgaben kürzen.
Die Folgen einer solchen Politik liegen auf der Hand.
Zum einen würde die Realwirtschaft in den betreffenden Ländern wieder in eine Rezession fallen, nachdem wir es doch gerade erst geschafft haben in der Eurozone das Vorkrisenniveau von 2008 zu erreichen.
Zum anderen wäre ein Bankenrun die Folge, weil niemand, der denken kann, freiwillig einer Bank Geld leihen würde. Anders als uns der Politiker weiß machen will, wären davon aber nicht nur diese Staaten und Banken betroffen, sondern vor allem wir. Deutschland ist der Hauptgläubiger in der Eurozone, und zwar wir alle direkt und indirekt. Wie an dieser Stelle mehrfach erläutert sind diese Forderungen eine Folge unserer Handelserfolge. Wenn nun Banken und Staaten ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, verlieren die Gläubiger – also wir – einen erheblichen Teil unserer Forderungen. Das träfe unsere Banken und Versicherungen schwer.
Ein Schuldentilgungsfonds wäre vernünftig
Wer also als Politiker fordert, die Insolvenz der überschuldeten Schuldner möglichst rasch herbeizuführen, der sollte auch eine Antwort haben, wie er mit dem entstehenden Schaden umgeht. Eine Möglichkeit wäre eine geordnete Schuldenrestrukturierung, zum Beispiel in Form eines europäischen Schuldentilgungsfonds bei dem wir Deutsche unseren Schuldnern helfen ihren Verpflichtungen zumindest teilweise nachzukommen.
Ohnehin hat die Politik in Europa in den letzten Jahren nur an den Symptomen herumgedoktert, statt die eigentlichen Krisenursachen zu bekämpfen. Die Krise war keine alleinige Bankenkrise und auch keine Staatsschuldenkrise. Natürlich ist das Bankensystem in Europa völlig überdimensioniert. Dies jedoch, weil es einen Verschuldungsboom im Privatsektor finanziert hat.
Der deutliche Fall des Zinsniveaus mit der Euroeinführung – deutsche Zinsen für alle – hat wie ein Brandbeschleuniger gewirkt. Vor allem in Spanien, Portugal und Irland ist die Privatverschuldung dramatisch gestiegen, bis im Jahre 2008 die Blase platzte. Ein Staatsschuldenproblem war und ist es in Griechenland, Portugal und Italien. Während Italien die Zinsersparnis nicht dazu nutzte die eigenen Finanzen in den Griff zu bekommen, haben die Griechen die billige Finanzierung großzügig genutzt. Mit bekanntem Ergebnis.
Als die Blase platzte und die Wirtschaft einbrach, stiegen auch die Staatsschulden in Irland und Spanien deutlich an. Dies jedoch in der Folge, nicht als Ursache der Krise. Der ausschließliche Fokus auf die Staatsdefizite hat dann in der Folge die Rezession in Europa verstärkt. Richtiger wäre es gewesen, wie in den USA die Banken zu rekapitalisieren und die faulen Kredite abzuschreiben. So haben wir es heute immer noch mit einem Bankensystem zu tun, welches unterkapitalisiert und mit zu vielen faulen Schulden belastet ist. Zombie-Banken finanzieren Zombie-Unternehmen und verhindern so einen wirklichen Aufschwung.
Zombie-Banken finanzieren Zombie-Unternehmen
Eindrücklich zeigt die Diskussion um die italienischen Banken aber auch die Deutsche Bank, dass es eben nicht gelungen ist, dass Finanzsystem wetterfest zu machen. In Italien fürchtet Premier Renzi zu Recht die Rache der Wähler. In Deutschland steht die Bundesregierung vor der Wahl zwischen Pest (neue Weltfinanzkrise) und Cholera (Regeln zur Bankenabwicklung auch Altpapier) sollte es wirklich zu einer Schieflage bei der Deutschen Bank kommen.
Krisenursache vor acht Jahren war ein völlig überdehntes und unterkapitalisiertes Bankensystem mit einem hoch verschuldeten Privatsektor, der zudem die Kredite für Konsum und Spekulation falsch verwendet hat. Keine dieser Ursachen wurde bereinigt. Das Korsett des Euro erschwert zusätzlich die Bereinigung, weil Länder wie Italien nicht in der Lage sind, innerhalb des Euro wieder wettbewerbsfähig zu werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein Euroland den Club verlässt, mit allen damit verbundenen chaotischen Folgen.
Immer deutlicher wird, dass die Krisenpolitik von Bundesregierung und EU gescheitert ist. Das billige Geld der EZB hat wie ein Schmerzmittel gewirkt und uns alle eingeschläfert. Die Krise hat Pause gemacht und gerade wir in Deutschland konnten uns auf die Schulter klopfen, stehen wir doch gut da. Nun sieht es so aus, als wäre die Pause zu Ende. Die Bankenkrise flammt wieder auf und nur noch aggressivere Maßnahmen von Staaten und Notenbanken werden eine neue große Depression aufschieben können. Noch tiefere Zinsen, Einschränkungen der Bargeldnutzung und die direkte Finanzierung der Staaten durch die Notenbanken – das berühmte Helikopter-Geld stehen auf dem Programm. Von einem Exit aus der Politik der EZB kann dann wahrlich keine Rede sein. Im Gegenteil: “All-in” würde ein Spieler sagen.
Japan und England gehen voran
→ manager-magazin.de: “Das Geschwafel vom Exit aus der Welt des billigen Geldes”, 30. September 2016