China: Schuldenwirtschaft nach westlichem Vorbild
Dieser Beitrag erschien am 4. Januar 2014 bei bto und ist, wie wir heute Morgen gesehen haben, mehr als aktuell:
Einige Auguren sehen in China eines der größten Risiken für die Entwicklung der Weltwirtschaft. Zitiert werden dabei Themen wie
- die Umstellung von einer investitions- und exportfokussierten Wirtschaft zu einer Wirtschaft mit mehr Binnenkonsum.
- der drastische Anstieg der Verschuldung des Privatsektors seit 2008.
- die Notwendigkeit, mehr in Innovation und Kreativität zu investieren, um das nächste Niveau des BIP pro Kopf zu erreichen.
Es gibt aber durchaus ermutigende Zeichen. So die Beschlüsse des letzten Parteikongresses, die durchaus das Potential haben, den enormen Wandel, vor dem das Land steht, zu gestalten. Gerade die Möglichkeit der Landbevölkerung Land zu beleihen und zu veräußern – also klassische Eigentumsrechte als Grundlage jeder dynamischen Volkswirtschaft wahrzunehmen – wird eine ungeahnte Dynamik auslösen.
Dies widerspiegeln auch die aktuellen Beiträge, die wir hier aufgreifen.
So berichtet die FT (Anmeldung erforderlich), dass es zunehmend Sorgen um die Stabilität des Finanzsystems gibt, nachdem die Schulden der Regionalregierungen in den letzten drei Jahren um immerhin 70 Prozent oder drei Billionen US-Dollar gestiegen sind. Damit geht die – sicherlich nicht falsche – Befürchtung einher, dass die Kredite nicht immer in sinnvolle Projekte geflossen sind. Die Angst vor Zahlungsausfällen wächst und führt zu einem Anstieg der kurzfristigen Zinsen – was angesichts der eher kurzfristigen Finanzierung wiederum das Risiko von Kreditausfällen erhöht. Kein Wunder, dass die Zentralregierung sich bemüßigt sah, weitreichende Zusagen zur Liquiditätsversorgung und weiterem Kreditwachstum auch 2014 zu machen.
In dieses Bild passt die Entscheidung der Zentralregierung, den Lokalregierungen die Ausgabe von Anleihen zu gestatten, damit diese die bestehenden Schulden umschulden („rollieren“) können (FT, Anmeldung erforderlich). Beobachter sehen hierin ein weiteres Eingeständnis der bestehenden erheblichen Probleme. Immerhin 40 Prozent der ausstehenden Schulden stehen in diesem Jahr zur Refinanzierung an. Viele der Infrastrukturprojekte werfen (noch??) nicht die erhofften Erträge ab, weshalb sich eine Umschuldung anbietet. Früher hat die Regierung diese Umschuldungen nicht gerne gesehen, besteht doch die Gefahr, dass die Lokalregierungen die Schulden auf die lange Bank schieben. Nun werden diese offiziell gutgeheißen.
Die Gesamtstaatsverschuldung liegt mit 53,3 Prozent zwar noch auf bestem Maastricht Niveau, die Unternehmensverschuldung mit 111 Prozent jedoch schon bedenklich hoch. An anderer Stelle haben wir gezeigt, dass es hohe Privatschulden sind, die zu Krisen führen. Die finanzielle Situation des Staates ist noch so gut, dass dieser intervenieren kann.
George Magnus weist in einem weiteren Beitrag über China (FT, Anmeldung erforderlich) auf das enorme Kreditwachstum hin: immer noch rund doppelt so schnell wie das Wachstum der Realwirtschaft. Wie im Westen kann das auch in China nicht ewig weitergehen. Magnus sieht die Gefahr einer Schuldenkrise, die nicht nur das Wirtschaftswachstum gefährdet, sondern auch die Stabilität des Finanzsystems. Schwer denkbar, dass dies am Westen spurlos vorübergeht. Wir erinnern an die Bedeutung von China für Deutschland und von Deutschland für Europa.
Hinter all dem stehen die fundamentalen Herausforderungen des Wandels in China. Wie Stephen Roach in einem Beitrag für Project Syndicate darlegt, gibt es eine Spannung zwischen den längerfristigen, „strategischen“ Zielen (mehr Binnennachfrage, weniger Investition/Export) und den kürzerfristigen, „taktischen“ Zielen (anhaltend hohes Wirtschaftswachstum). Aus seiner Sicht wäre es nicht so tragisch, wenn China sich auf tiefere Wachstumsraten einlassen würde. Doch viele der taktischen Ziele sind nicht-ökonomische, und obwohl es nachvollziehbare Projekte sind, wünscht er sich eine Prioritätensetzung der Politik.
Aus unserer Sicht liegt genau dort das Problem. Es ist politikimmanent, diese Zielkonflikte nicht wirklich zu lösen. Im Westen haben wir die Konflikte durch immer neue Schulden aufgeschoben (Sozialstaat auf Kredit in Europa, Konsumentenkredite in den USA) – wodurch die Konflikte in Zukunft nur noch größer werden. Wetten, dass auch China diesen Weg geht?