US-Wahlen: Kommt mit Trump die Depression?
Bevor ich ab heute Nachmittag in mehreren Beiträgen meine Sicht auf die US-Wahlen darlege, beginnen wir die Woche mit einer kurzen Sicht auf die Highlights zu dem Thema.
Zunächst der immer geschätzte Thomas Fricke mit seiner Prognose einer neuen großen Depression, ausgelöst von der Wahl Donald Trumps, sollte es denn dazu kommen:
- „Es wäre nicht das erste Mal, dass eine historische Katastrophe durch etwas relativ Banales ausgelöst wird. Es wäre aber definitiv neu in der Menschheitsgeschichte, dass ein Desaster durch nicht ordnungsgemäß verschickte E-Mails in Gang kommt.“ – bto: Das ist schon mal starker Tobak zum Einstieg. Zum einen sind es nicht nur die E-Mails, sondern auch die unzureichende Trennung von Amt und finanziellem Interesse, welches zu Zweifeln an der Kandidatin führt (und um es gleich zu sagen, ich finde beide Kandidaten ein Trauerspiel). Zum anderen ist es wohl zu früh, von einer historischen Katastrophe zu sprechen. Das sage ich, obwohl auch ich Inhalt und Ton der meisten Aussagen Trumps nicht teile.
- Fricke meint, wenn Donald Trump gewänne, “ein Präsident mit wirren Einmauerungsideen und hohem Aggressionspotenzial“, wäre das “ein ziemlich düsteres Szenario: die Wiederholung eines Menschheitsdramas, ähnlich dem der Dreißigerjahre“. – bto: Was die militärische Aggressivität betrifft, würde ich das nicht teilen. Er will eher weniger militärisches Engagement der USA. Große Depression als Folge von Trump?
- „Heute wie damals gingen den düsteren Zeiten ein paar Jahrzehnte scheinbar unbeschwerter Globalisierung voran. Nach Berechnungen von Ökonomen waren Anfang des 20. Jahrhunderts die Grenzen so offen und die Märkte weltweit in etwa so stark integriert wie dann erst wieder nach drei Jahrzehnten erneuter Globalisierung im Jahr 2000.“ – bto: Das stimmt, dennoch gab es auch ohne einen Mr. Trump den Ersten Weltkrieg, der dies alles beendete. Fragt sich, wieso es trotzdem zu der Urkatastrophe des Jahrhunderts kam, aus der sich die Folgekatastrophen ableiten lassen?
- „Ende der Zwanzigerjahre strichen die reichsten zehn Prozent der US-Bevölkerung ein Einkommen in Höhe von fast 50 Prozent des gesamten Nationaleinkommens ein, wie der französische Ökonom Thomas Piketty berechnet hat – ein absurder Höchstwert, der (erst) im erneuten Globalisierungswahn wieder erreicht wurde.“ – bto: was nicht als Kriegsauslöser gelten sollte. Nach Umverteilung ist dies in vielen Ländern heute übrigens kein Problem, in den USA jedoch schon, was in der Tat einer der Gründe für den Erfolg Trumps ist.
- „Damals, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, entsprachen die Privatvermögen in Europa der Leistung ganzer Volkswirtschaften über sechs bis sieben Jahre. Irre. So ähnlich wie – nach den deutlich sozialeren Nachkriegsjahrzehnten – 2010 wieder.“ – bto: Lieber Thomas Fricke, zunächst sagt die Höhe des Vermögens nichts über die Verteilung. In meinem Buch “Die Schulden im 21. Jahrhundert” habe ich unter anderem geschrieben, dass es doch eine paradiesische Welt wäre, wenn die Vermögen so hoch wären, blieben uns doch Katastrophen und Kriege erspart. Natürlich liegt hinter der heutigen Entwicklung der Leverage-Effekt immer höherer Schulden, was das System in die Krise stürzt. Die Verteilung ist in der Tat in einigen Ländern ein Problem, erklärt aber alleine die Krise nicht. Sie erklärt die zunehmende Unzufriedenheit, was aber vor allem damit zu tun hat, dass die Notenbanken seit Jahren mehr auf die Finanz- als auf die Realwirtschaft schauen.
- „Je liberaler es zuging, desto größer (…) der Einfluss der Finanzjongleure (…). Nach Auswertung von US-Wirtschaftshistorikern nahm die Zahl der Finanzkrisen bereits vor dem Crash 1929 stark zu, ähnlich wie seit der Finanzliberalisierung der Achtzigerjahre bis zum Lehman-Crash 2008, dem größten Crash seit: 1929.“ – bto: was eng zusammenhängt: Leverage, Finanzsystem, Gehälter. Liberal ging es übrigens vor allem im Finanzsektor zu.
- „Je stärker der Einfluss der Finanzsphäre, desto stärker der Eindruck, dass die gewählten Politiker die Kontrolle verlieren. Damals kam es regelmäßig zu Spekulationsattacken gegen einzelne Länder.“
- „Danach korrigierte die Politik aber nicht mit kühlem Kopf die unerwünschten Nebenwirkungen der Globalisierung. Stattdessen folgte eine Kaskade fataler Reflexe, die sich mehr oder weniger dumpf gegen alles Internationale richteten. So erließen die USA Gesetze gegen Zuwanderung (…).“ – bto: was natürlich auf Drängen der Arbeitnehmer erfolgt, die den Lohndruck reduzieren wollen. Verständlich, damals wie heute. Wenn der Kuchen nicht mehr wächst, nehmen die Verteilungskonflikte zu.
- „Damals folgte dem Börsen- und Bankencrash politisch fast überall in Europa ein Rechtsruck. Tendenz: wie heute. Kein Zufall, wie systematische Auswertungen von Historikern ergeben haben. Demnach gewinnen rechte Parteien nach Finanzkrisen bei Wahlen im Schnitt 40 Prozent Stimmen hinzu.“ – bto: was aber vor allem daran liegt, dass die amtierenden Politiker sich als unwillig/unfähig erweisen, die Krise zu lösen und sich stattdessen mit Scheinthemen beschäftigen.
- „Heute zeigen die Führungsleute in Russland, der Türkei, Ungarn und Polen, dass die Regel auch im 21. Jahrhundert noch zu gelten scheint.“ – bto: Hm, die Türkei hat in den letzten Jahren einen wahren Boom hinter sich, Polen hatte keine Finanzkrise. Putin herrschte schon, als der Ölpreis noch hoch war, und die Ungarn lasse ich gelten. Die hatten ihre eigene Fremdwährungs-Schuldenblase. Die anderen Beispiele stützen die These nicht.
- „1931 waren es die Briten, (…) die als erste den Goldstandard verließen (…). Die Franzosen erhöhten zur Strafe die Zölle, andere werteten ihre Währungen wieder ab. Es folgte ein Wettlauf der Abwertungen und Abschottungen. Und der Kollaps des Welthandels.“ – bto: Das stimmt. Doch war das die Folge, die dann die Krise verstärkt hat, nicht der Auslöser.
- „Nach Diagnose des französischen Historikers Pierre Milza trug zur politischen Eskalation in den Dreißigern bei, dass sich überall ‚die Mittelschicht, getrieben von Abstiegsängsten (ins Proletariat), radikalisierte‘; das Bürgertum ‚zurück wollte in eine (verklärte) Welt, in der jeder wieder seinen vorbestimmten Platz hat‘; und sich ‚die Eliten als unfähig erwiesen, auf die tiefe Krise (des Liberalismus) zu reagieren‘.” – bto: Das stimmt auch heute, wie Fricke richtig anmerkt. Allerdings ist es keine Krise des Liberalismus, sondern eine Krise der staatlich und vonseiten der Notenbanken geförderten Schuldenpolitik, zu deren Zwecken die Banken dereguliert wurden. Ansonsten kann doch bei einem Staatsanteil von rund 50 Prozent nicht von Liberalismus gesprochen werden!
- „Noch ist Zeit zu belegen, dass wir die Krise einer entgleisten Globalisierung am Ende diesmal besser bewältigen – und das angehen, was tatsächlich schiefgelaufen ist. Sprich: vor allem die Ursachen von Reichtumsgefälle, Globalisierungsängsten, Bankendominanz und verheerenden Finanzkrisen beheben. – bto: Und wie macht man das? Indem man die Überschuldung bereinigt und in Bildung und Infrastruktur investiert. Meinetwegen auch über Besteuerung – bekanntlich habe ich das auch im Zusammenhang mit Schuldenrestrukturierungen angedacht.
- „Statt Grenzen zu schließen, plumpen Nationalismus zu zelebrieren und die Illusion einer heilen alten Zeit zu nähren – und damit nur alte Katastrophen zu wiederholen.“
bto: Das sind sicherlich richtige Überlegungen. In der Tat läuft zurzeit die große Depression in Zeitlupe ab. Und zwar völlig unabhängig von Trump oder Clinton. Den Eindruck zu erwecken, mit Trump käme die Depression und mit Clinton nicht, ist schlichtweg falsch. Schließlich spricht nichts dafür, dass sie die Banken härter anfassen wird: nicht ihre Reden, nicht, dass ihr Mann damals die Banken dereguliert hat. Beide werden, sollten sie gewählt werden, mit erheblichen Problemen zu kämpfen haben und den Protektionismus fördern. Weil sie gar nicht anders können. Der Zug für eine konstruktive und kooperative Lösung für die große Depression des 21. Jahrhunderts ist abgefahren. Die Zeit, die die Notenbanken gekauft haben, wurde nicht genutzt. Die Krise hat nur Pause gemacht.
Während ich also die Sicht von Fricke nicht ganz teile – Trump könnte sogar mit radikaler Politik die Krise eher beenden –bin ich ganz bei Henrik Müller, der knapp zusammenfasst, dass die Party für uns so oder so vorbei ist, egal, wer gewählt wird. Auch wenn der Titel wieder nur vor Trump warnt …
- “Die USA, so sieht es aus, verabschieden sich von ihrer Rolle als Weltmacht und konzentrieren sich künftig vor allem auf sich selbst und ihre eigenen Interessen – oder was man so dafür hält.” – bto: Und zwar egal, wer gewinnt!
- “Bislang gibt die Bundesrepublik vergleichsweise wenig fürs Militär aus: gerade mal 1,19 Prozent des Bruttoninlandprodukts (BIP). Das ist deutlich weniger als die 2 Prozent, auf die sich die Nato-Staaten 2002 geeinigt hatten. (…) Es erfordert keine prophetischen Gaben, um vorherzusagen, dass die Forderungen an Deutschland, das einzige europäische Land mit nennenswertem Spielraum im Staatshaushalt, ziemlich forsch ausfallen werden.” – bto: Das fleißige und dumme Eichhörnchen darf dann, statt bessere Straßen und gute Schulen zu haben, mehr für das Militär (anderer!) ausgeben. Schuld daran ist aber nicht der/die neue Präsident/in, sondern Schuld haben unsere Politiker, die seit Jahren von der Substanz zehren, statt für die Zukunft vorzusorgen.
- “Statt derzeit 37 Milliarden Euro jährlich müsste die Bundesrepublik künftig um die 80 Milliarden ausgeben, womöglich noch mehr. Im Falle eines Zerbrechens der Nato und des kompletten Wegfalls der amerikanischen Sicherheitsgarantie könnte gar ein neues Wettrüsten die Folge sein, wie es das anderswo auf der Welt bereits gibt.” – bto: also ein echtes Konjunkturprogramm. Und wer zahlt dann die sozialen Wohltaten und für die Migranten? Das ist genau der Cocktail, vor dem ich immer gewarnt habe.
- “Teuer dürfte es für Deutschland auch in wirtschaftlicher Hinsicht werden. Der inzwischen verbreiteten Haltung, offene internationale Märkte seien verantwortlich für soziale Probleme im Westen, haben beide Kandidaten im Wahlkampf neue Nahrung gegeben. Beide haben angekündigt, TPP, das Freihandelsabkommen mit Asien, nicht in Kraft zu setzen. Entsprechend hat wohl auch TTIP, das USA-EU-Abkommen, keine Chance mehr.” – bto: Darüber darf sich doch nur der naivste Politiker wundern. Die einseitige Exportorientierung kommt uns teuer zu stehen.
- “Der Überschuss im Handel mit den USA beträgt aktuell mehr als 50 Milliarden Euro. Seit Jahren schon kritisieren die USA die deutschen außenwirtschaftlichen Überschüsse. In einem künftig rabiateren Klima dürfte der Druck weiter wachsen – die Androhung von Importbeschränkungen inklusive.”
- “Es steht viel auf dem Spiel. Deutschland wäre besser für die neue Situation gewappnet, wäre die EU geeint und stark. Aber davon kann keine Rede sein.” – bto: Dass sie es nicht ist, hat auch sehr viel mit unserer Politik zu tun!
-> SPIEGEL ONLINE: “Stürzt die Welt zurück in die Dreißiger?”, 4. November 2016
-> manager magazin online: “Trump als Präsident würde uns Milliarden kosten”, 5. November 2016