„Roubini: ‚Geldpolitik muss den Kollaps verhindern‘“
Mit seiner Vorhersage der Finanzkrise wurde er berühmt: Nouriel Roubini. Nicht alle seine Prognosen sind seither eingetreten und mit der Erholung der Weltwirtschaft – die, wie wir wissen, nur vordergründig ist – wurde es wieder ruhig um ihn. Hier äußert er sich im Gespräch mit der FINANZ und WIRTSCHAFT. Ein paar Highlights:
- „Wenn es hart auf hart kommt, lassen sich die Zinsen weit ins Negative senken. (…) Die Banken dürften nur so viel Bargeld halten, wie sie für Transaktionen mit Kunden benötigen. Der Rest bliebe Überschussreserve zum Negativzins. Letztendlich könnte auch Bargeld besteuert werden. In solch einer Welt könnten wir uns wiederfinden.“ – bto: Ich denke, dies überrascht keinen Leser von bto.
- „Wenn Sie wie Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble Nein sagen zur Europäischen Zentralbank und Nein zu einem Fiskalstimulus, dann bedeutet dies für die Eurozone eine erneute Rezession, Deflation, Depression. Wer keine expansive Geldpolitik will, braucht massiven fiskalischen Stimulus. Andernfalls ist die gesamtwirtschaftliche Nachfrage kleiner als das Angebot, die Wirtschaft fällt in eine Depression. Doch die meisten Kritiker der Zentralbanken sind auch kritisch gegenüber höheren Staatsausgaben. Das ist ein Widerspruch.“ – bto: Die fehlende gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist allerdings auch nur ein Symptom für das eigentliche Problem der Überschuldung.
- „Die Geldpolitik muss den Kollaps der Wirtschaft verhindern. Weidmann sagte: Die Leute sind nicht nur Sparer, die unter tiefen Zinsen leiden, sondern auch Schuldner, die in Konkurs gehen können, und Arbeitnehmer, die unter Umständen ihre Stelle verlieren. Selbst Weidmann attestiert, dass negative Zinsen per saldo positiv sind.“
- „Die Situation ist nicht so schlecht. Die Leute nennen sie das neue Mittelmass, die neue Normalität, die säkulare Stagnation – wir sagen die neue Anormalität. Wenigstens befinden wir uns nicht in einer Rezession oder einer Depression. Es ist womöglich das Beste, was wir für die Welt erwarten können in den nächsten paar Jahren.“ – bto: Willkommen in der Eiszeit!
- „Die befürchtete harte Landung der chinesischen Wirtschaft oder gar Nullwachstum sind unwahrscheinlich. China hat in der Tat zu viel investiert, hat Überkapazitäten und zu hohe Schulden. (…) Das Potenzialwachstum in China für die nächsten fünf Jahre beträgt 5%. Die schlechte Nachricht ist, dass die Abschwächung holprig verläuft – die gute, dass es keine harte Landung gibt.“
- „China hat die Möglichkeit, Schulden zu sozialisieren, deshalb ist ein Bank Run unwahrscheinlich. Von Zeit zu Zeit ereignet sich ein Schock, und die Märkte geraten in Panik. Aber die Wirtschaft und die Währung werden nicht kollabieren. Die Regierung hat genügend Instrumente, um dies einigermassen zu bewältigen – wenn auch auf turbulente und chaotische Weise.“
- „Allerdings will die Regierung das Wachstum auf 6,5% halten – das ist über dem Potenzial. Die einzige Möglichkeit, dies zu erreichen, sind mehr schlechte Investments, mehr Überkapazität und höhere Schulden. Das wird letztlich zu Problemen führen.“
- „Falls Italien den Zugang zum Kapitalmarkt verliert, ist ein Bail-out nicht möglich. In einem positiven Szenario bleibt Premier Matteo Renzi an der Macht, die Wirtschaft läuft ordentlich, und die Schulden werden stabilisiert. In einem anderen Szenario verliert Renzi die Macht, und mit dem neuen Wahlgesetz übernimmt die Partei Cinque Stelle. Sie ist gegen den Euro; Italien könnte aus der Währungsunion austreten. (…) Falls Italien geht, bedeutet dies das Ende der Eurozone.“ – bto: Italien bleibt der Hauptkandidat für einen Austritt aus dem Euro, wie auch in der Eiszeit beschrieben.
- „Nach sieben Jahren Reflation, in denen die Zentralbanken die Vermögenspreise in die Höhe getrieben haben, gibt es keine offensichtlich günstige Anlageklasse mehr. Aktien sind hoch bewertet (..). Ich würde wegen des Risikos von Marktkorrekturen empfehlen, mehr Bargeld zu halten als sonst üblich. Ich kaufe hingegen kein Gold, denn sein Aufwärtspotenzial ist limitiert, ausser, es gibt globale Inflation oder eine weltweite Finanzkrise. Derzeit sind zehnjährige US-Staatsanleihen eine gute Anlage. Die Bewertung ist in Ordnung, und die Renditen könnten sogar noch fallen und damit die Kurse steigen – wenn auch nur, weil die Zentralbanken in Japan und Europa ihre Geldpolitik noch mehr lockern.“ – bto: Das werden sie. Gold gehört aber zur Versicherung in jedes Portfolio.
→ FINANZ und WIRTSCHAFT: „Roubini: ‚Geldpolitik muss den Kollaps verhindern‘“, 20. April 2016