Recht hat er: “Sünden haben Folgen”
Felix Zulauf gehört seit Jahrzehnten zu den schärfsten Beobachtern der Märkte und zu den besten Kommentatoren. Mehrfach besprach ich Beiträge von ihm bei bto. Nun hat er erneut für die FINANZ und WIRTSCHAFT seine Gedanken zusammengefasst. Man kann nicht sagen, dass er optimistischer geworden ist.
- „Es mischt sich Sorge in die Freude über steigende Aktienkurse – weil die Entwicklung nicht auf exzellenten Fundamentaldaten basiert, sondern primär auf dem von Zentralbanken geschaffenen Geldüberhang und der dadurch verzerrten Zinslandschaft.“ – bto: Daran kann man gar nicht oft genug erinnern.
- „Im Verlauf der vergangenen (…) Jahre haben sich Politik, Wirtschaft und auch unsere Gesellschaft deutlich von den früheren konservativ-liberalen, auf Marktwirtschaft ausgerichteten Verhaltensregeln entfernt. (…) Die Schweiz ist nur ein Beispiel, wie sich die westliche Welt immer mehr in die Arme der Etatisten geworfen hat. Viele Gründe haben zu diesen Veränderungen geführt, doch zuvorderst steht die ordnungspolitische Verwahrlosung unserer Elite.“ – bto: … die nun nach noch mehr Staat und Umverteilung ruft! Ich erinnere an eine Diskussion bei bto, bei der ich die steile These von Thomas Fricke auf SPIEGEL ONLINE beleuchtet habe, wonach Deutschland „neoliberal“ sei. Ja, wo denn?
- „In Europa (…) verfehlte (…) [die] Einführung des Euros, einer Währung, die für keine Volkswirtschaft der Mitgliedländer richtig ist und deshalb wachsende Ungleichgewichte produziert, die mit zentralistischen Lösungen ausbalanciert werden. Personenfreizügigkeit in einem Wirtschaftsraum mit so steilem Einkommens- und Wohlstandsgefälle, besonders wenn wir die Wohlfahrtssysteme einbeziehen, löst größere Migrationsbewegungen (…) Technokraten (…) förder(n) zwar Mobilität und Migration, aber auch Nationalismus und Protektionismus.“ – bto: Es ist so banal wie richtig.
- „Noch nie haben bei Wahlen die einst dominanten Volksparteien so wenig Stimmen erreicht wie in den vergangenen Jahren. (…) Leider reagiert das Establishment komplett falsch auf diesen urdemokratischen Prozess. Wer nicht kongruent ist mit einer sozialdemokratisch-ökologisch-dirigistischen Grundhaltung, wird als politisch inkorrekt in die Schmuddelecke des Rechtsradikalismus gestellt.“ – bto: Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass diese Haltung und Vorgehensweise weit in die bürgerlich-liberalen und wirtschaftsnahen Kreise reicht. Ich bin immer wieder darüber entsetzt, wie erfolgreich jahrzehntelange schulische und mediale Bearbeitung ist. Hier ist der wahre „Erfolg“ der 68er zu besichtigen, mit nachhaltig negativen Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft, die letztlich zu einer Überreaktion in die andere Richtung führen werden.
- „Die dogmatische Haltung der EU in Fragen der Personenfreizügigkeit hat zum Brexit geführt.“ – bto: falsch, die dogmatische Haltung der deutschen Bundesregierung die zeitgleich im eigenen Land unkontrollierte und ungesteuerte Zuwanderung zuließ!
- „Selbst für Deutschland bringt ein niedriger als die einstige D-Mark bewerteter Euro nur vordergründig Vorteile. Seit der Einführung des Euros hat sich der Exportanteil am deutschen BIP verdoppelt, und die wirtschaftliche Kapazität beträgt inzwischen 200 Prozent der Binnennachfrage. In einer Welt mit Stagnationsproblemen führt dies zu Handelskonflikten.“ – bto: und zum Export der sauer erarbeiteten Euro in Schuldnerländer, die ohnehin nicht zahlen. Wie blöd!
- „Die EU (…) könnte sich (…) eine föderalistische Architektur mit souveränen Nationalstaaten geben (was) sehr viel nachhaltiger wäre, aber deutlich von der gegenwärtigen Zielvorstellung der EU-Eliten abweicht. (Dann) müsste allerdings die Einheitswährung eliminiert werden, denn sie erzwingt einen Zentralismus (..) Falls die EU dogmatisch am Ziel der Vollintegration festhält, wird sie scheitern, weil die Mehrheit der europäischen Bevölkerung dies nicht will.“ – bto: was wohl stimmt. Damit kann aber auch der Euro nicht überleben, wenn man die Argumentation konsequent zu Ende denkt.
- „Was (die Zentralbanken) nach 2010 vollzogen haben, ist (…) die größte Finanzmarktmanipulation der Geschichte. (…) Wer nicht mehr bereit ist, dem System Schmerzen aufzuerlegen, um die marktwirtschaftlichen Prozesse der notwendigen Bereinigung und Restrukturierung ablaufen zu lassen, der schwächt nicht nur das ganze System strukturell, sondern führt es letztlich in die Staatswirtschaft.“ – bto: Das Coole ist, dass uns die Politik derweil immer was von Marktversagen erzählt, um noch mehr Staat durchzusetzen. Es ist eine riesige Manipulation im Gange.
- „Wenn die EZB nach acht Jahren Konjunkturerholung noch immer pro Monat neu geschöpfte 60 Mr. € in die Finanzmärkte pumpt, obschon die EU unter den Industrieregionen seit Jahren das beste Wachstum aufweist, zeugt dies von Verlust an Realitätssinn. Dass mit diesen Geldern längst überfällige Staatsbankrotte und -restrukturierungen verschleppt werden, macht die Sache nicht besser.“ – bto: Yes! Eine gigantische Konkursverschleppung mit absehbar katastrophalen Folgen!
- „Die Notenbanken haben (…) gigantische Fehlallokationen im System ausgelöst, die früher oder später bereinigt werden müssen. Weil es dazu an Einsicht und Kraft fehlt, dürften weitere dirigistische Massnahmen anstelle einer Bereinigung realistischer sein und zu weiterer Repression führen. Dies alles erhöht die Staats- und Fiskalquoten.“ – bto: Auch das ist keine neue Einsicht. Wir müssen uns nur verdeutlichen, dass der finanziell-politische Komplex hier die Grundlagen für unseren Wohlstand fundamental zerstört.
- „Wenn parallel dazu die Aktienkurse steigen, heißt dies nicht unbedingt, dass die realwirtschaftliche Prosperität auch zunimmt – das Gegenteil ist der Fall. Die beste Performance weltweit hat in den vergangenen zehn Jahren der Aktienindex Venezuelas erreicht, der um den Faktor 3200 gestiegen ist. Niemand wird ernsthaft behaupten, in Venezuela herrsche breite Prosperität. Der Westen steht am Anfang einer Beschleunigung in den Sozialismus, während Venezuela in der Endphase mit dem unausweichlichen Zusammenbruch steht.“ – bto: verstärkt durch unsere demografische Entwicklung.
- „Gegenwärtig versucht das Fed, seine Politik zu normalisieren; China bremst ebenfalls. Wir werden sehen, wie lange diese Notenbanken es durchhalten, wenn dies im zweiten Halbjahr zu Rückschlägen an den Aktienmärkten führen wird.“ – bto: zwei Tage?
→ FINANZ und WIRTSCHAFT: „Sünden haben Folgen“, 6. Juni 2016