DIE LINKE: Keine halben Sachen

Auf Wunsch vieler Hörer meines Podcasts mache ich einen Check der Wahlprogramme zur Bundestagswahl. Das ist – wie ich festgestellt habe – kein Vergnügen,  obwohl ich mich ausschließlich auf die ökonomisch wesentlichen Aussagen beschränkte. Damit kürzt sich das relevante Material schon deutlich ein – was nichts daran ändert, dass ich alle Wahlprogramme lesen muss.

Heute geht es um das Programm der Partei DIE LINKE.  Wie schon zuvor fokussiere ich hier auf die ökonomisch relevanten Aussagen. Bei der Bearbeitung orientiere ich mich an meinem Buch “Ein Traum von einem Land – Deutschland 2040”. Dies einfach, weil ich dort in gebündelter Form zusammentragen habe, was wir im Land tun müssten, um auch künftig in Wohlstand zu leben.

Auch der Podcast morgen (8. September 2021) befasst sich mit dem Wahlprogramm LINKEN.

Problem erkannt?

Für DIE LINKE gibt es die Probleme, wie ich sie definiere, nicht:

  • Rückgang der Erwerbsbevölkerung,
  • ungedeckte Versprechen für die alternde Gesellschaft,
  • stagnierende Produktivität, Abwanderung der Industrie.

Zumindest sind diese Probleme kein Thema. Dafür gibt es ein alles bestimmendes Motto:

“Wer dachte, die Regierung wird uns gut durch Corona und die Krise führen, ist enttäuscht worden: Keine zusätzlichen Pflegekräfte, kein Plan für Bildungsgerechtigkeit, kein Eingreifen in die Wirtschaft, um zu produzieren, was dringend gebraucht wird: Masken, Beatmungsgeräte, Luftfilter, Impfstoff. Kein Notfallplan für Schulen oder Kitas, für den Stress in den Familien und das Leiden der Kinder, keine Evakuierung von Not- und Sammelunterkünften. (…) der Staat hat die Aufgabe, die Gesellschaft krisenfest zu organisieren und solidarische Strukturen aufzubauen. Dabei hat die Regierung versagt.”

Nachdem ich selber von „Staatsversagen“ gesprochen habe, kann ich der LINKEN hier nur zustimmen. Allerdings würde ich andere Ursachen dafür sehen und komme deshalb auch zu anderen Schlussfolgerungen. Dazu nachher mehr.

Die Schlussfolgerung der LINKEN ist klar:

“Wir streiten für einen ökologischen und sozialen Systemwechsel, für einen starken, demokratischen Sozialstaat und für Frieden. Wir schlagen ein Sofortprogramm gegen die soziale und Wirtschaftskrise vor, das zugleich die Weichen für eine bessere, klimagerechte Zukunft für alle stellt und die Gesellschaft durch eine starke öffentliche, soziale Infrastruktur krisenfester macht. Es geht um Anerkennung für diejenigen, die die Gesellschaft am Laufen halten –- und um ein besseres Leben für alle. Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gehören untrennbar zusammen. Ohne soziale Gerechtigkeit kann keine große Transformation hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft gelingen. Und ohne Klimagerechtigkeit gibt es jetzt und in Zukunft keine soziale Gerechtigkeit.”

Die Antwort der LINKEN auf alle Fragen zieht sich durch 144 Seiten Wahlprogramm stringent und konsequent: mehr Staat, massive Umverteilung – wie wir gleich sehen werden.

Doch zunächst bleibt festzuhalten: Eine Problemanalyse, die lediglich auf Verteilung und Rolle des Staates blickt, springt entschieden zu kurz.

Unser Land professionell managen

In meinem Buch diskutiere ich einige Ansatzpunkte. Dazu gehören:
  • Ordentliche Rechnungslegung – doppelte Buchführung auch für den Staat. Grundrente/Pensionen.
  • Vernetztes Denken – Beispiel Flugverkehr/Wohnung.
  • Von anderen lernen – Digitalisierung in Dänemark.
  • Sauberes Rechnen – Preisschilder an alle Gesetze, mein Vorschlag war die Aufwertung des Bundesrechnungshofes.
  • Aber auch eine Verkleinerung des Bundestages, Amtszeitbeschränkungen und generell Maßnahmen, um die praktische Erfahrung der Volksvertreter außerhalb des politischen Betriebs zu stärken.
    Dieser Teil der Besprechung des Wahlprogramms der LINKEN ist kurz. Es ist durchgehend kein Thema. Das Einzige, was im Programm an vielen Stellen auftaucht, ist der Ruf nach mehr Stellen im öffentlichen Dienst. An keiner Stelle geht es um die Aspekte von Effizienz und Effektivität unseres Staates. Interessanterweise taucht auch die Frage nach der Verkleinerung des Bundestags nicht im Programm auf. Zumindest habe ich es nicht gefunden.

    Wohlstand sichern/erhöhen

    Kommen wir zum wichtigen Thema der Wohlstandssicherung oder gar -mehrung:

    In meinem Buch diskutiere ich Themen wie:

    • Stabilisierung der Erwerbsbevölkerung: also Maßnahmen die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen, die Arbeitszeit zu erhöhen (Jahres-, Lebensarbeitszeit), intelligente Zuwanderung zu organisieren; aber auch Migranten besser zu integrieren.
    • Die Produktivität der Wirtschaft zu steigern: besseres Bildungsniveau, mehr Investitionen von Privaten (Standort) und Staat.
    • Energiekosten senken
    • und viele mehr.
    Nun, DIE LINKE hat viele Ideen zur Wirtschaft von morgen. Allerdings laufen alle diese Ideen in genau die entgegengesetzte Richtung: So wimmelt es von Überlegungen, die zu einem Rückgang des Arbeitsangebots führen:

    “Wenn die Arbeit gerechter verteilt wäre, könnten statt Überstunden und Dauerstress über eine Million Arbeitsplätze in kurzer Vollzeit um die 30-Stunden pro Woche geschaffen werden. Eine 4- Tage-Woche bzw. Arbeitszeiten um die 30 Stunden pro Woche sind genug. Eine Umverteilung von Arbeitszeiten erhöht die Lebensqualität für alle.”

    Dazu: Recht auf Arbeitszeitverkürzung, mehr Urlaub, Homeoffice, Reduktion von Stress am Arbeitsplatz, deutlich ausgeweitete Mitbestimmungsrechte, mehr Einfluss von Betriebsräten und anderes.

    Damit aber nicht genug. Werfen wir einen Blick auf die Wirtschaft von morgen:

    “Wir wollen mehr Demokratie auch in der Industrie fördern: Gelder für Forschung und Entwicklung, für die Stärkung einer regionalen Industriestruktur sollen durch regionale Wirtschafts- und Transformationsräte kontrolliert werden, in denen neben der Landesregierung und Unternehmen, auch Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbände gleichberechtigtes Stimmrecht haben.”

    Forschung und Entwicklung wird also von „Transformationsräten“ definiert. Fehlende Innovationskraft war übrigens ein Merkmal des real existierenden Sozialismus.

    “Wir fördern Unternehmen, die ganz oder zum Teil im Eigentum der Belegschaft stehen, durch Bevorzugung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. (…) Staatliche Subventionen an Unternehmen und Hilfen in wirtschaftlichen Krisen müssen, wo die Belegschaften dieses befürworten, in Form von kollektiven Belegschaftsanteilen vergeben werden. Beim Verkauf von Unternehmen müssen die Belegschaften ein Vorinformations- und Vorkaufsrecht erhalten.”

    Das ist konsequent, dient es doch dem Ziel, wieder zu volkseigenen Gesellschaften zu kommen.

    “DIE LINKE kämpft dafür, Unternehmen der Daseinsvorsorge, Banken und Versicherungen, Energiekonzerne, Unternehmen der Pharma- und medizinischen Industrie, der Post, der Telekommunikationsinfrastruktur sowie weiterer Schlüsselindustrien in öffentliche Hand und in gesellschaftliche Eigentumsformen zu überführen. Wir wollen die großen Stromkonzerne entmachten und in öffentliches Eigentum überführen. An anderer Stelle: Schattenbanken, außerbilanzielle Zweckgesellschaften, Derivate, Hedgefonds und Private- Equity-Gesellschaften müssen aufgelöst oder streng reguliert werden. In diesem Sinne muss Banking wieder langweilig werden. Die Spekulation mit Agrarrohstoffen und Nahrungsmitteln wollen wir verbieten.”

    Ich finde es erfrischend ehrlich. DIE LINKE will den Sozialismus, und zwar perfekt. Übrigens: Spekulation, was ist das eigentlich? Der Bauer, der seine Weizenernte auf den Terminmärkten verkauft, um sich vor Preisrisiken zu schützen?

    Es wird noch mal explizit gemacht:

    “Wir wollen ein einheitliches Mobilfunknetz aus einer Hand, das eine Abdeckung der gesamten Fläche sichert. Netzausbau und -betrieb soll deswegen durch die öffentliche Hand erfolgen. Das sichert eine flächendeckend gute Netzqualität sowie die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten.”

    Ich finde es immer überraschend, wie man angesichts der tatsächlichen Leistungen in der DDR und auch heute durch den Staat darauf kommen kann, dem Staat so etwas zuzutrauen. Ich erinnere an den Berliner Flughafen, der ja nun wirklich unter staatlicher Hoheit gebaut wurde.

    Für DIE LINKE ist Arzneimittelforschung eine öffentliche Aufgabe.

    “Die Herstellung von Medikamenten und medizinischen Geräten darf nicht den Profitinteressen von Aktionären unterworfen sein. Die Pharmaindustrie muss dem Gemeinwohl verpflichtet und unter demokratische Kontrolle gestellt werden.”

    Positiv anzumerken ist, dass DIE LINKE Bildung und Fortbildung ausführlich diskutiert:

    “Die Verantwortung für Aus- und Weiterbildung dürfen Unternehmen nicht auf die Beschäftigten und die Allgemeinheit verschieben. Fortbildungsmaßnahmen, die im Interesse der Unternehmen sind, müssen auch von diesen finanziert werden. Beschäftigte, deren Arbeitsplätze wegfallen, müssen abgesichert werden. Wir wollen eine soziale und ökologische Transformation mit Arbeitsplatz- und Einkommensgarantien für die Beschäftigten.”

    Dies soll aber mit einer einseitigen Belastung der Wirtschaft realisiert werden:

    • Betriebsräte brauchen ein erzwingbares Mitbestimmungs- und Initiativrecht für betriebliche Aus-, Weiter- und Fortbildung – und bei der Neuausrichtung der Unternehmen. Betriebe mit über 100 Beschäftigten müssen verpflichtend eine qualifizierte Personalplanung durchführen, die eine Weiterbildungsplanung für die Beschäftigten einschließt.
    • Alle Beschäftigten müssen zum Zwecke der Weiterbildung einen Rechtsanspruch erhalten, ihre Arbeitszeit zeitweise zu reduzieren oder zeitlich begrenzt ganz aussetzen zu können. Der Arbeitgeber muss während der Bildungsteilzeit einen teilweisen Lohnausgleich von mindestens 70 Prozent des Nettogehalts und Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Der Staat muss Bildungsteilzeit von Beschäftigten durch eine stärkere Berücksichtigung bei den Rentenansprüchen und der Höhe von Ansprüchen auf ALG 1 unterstützen. Für Geringverdienende muss ein vollständiger Lohnausgleich durch staatliche Zuschüsse garantiert werden.
    • Damit sich alle Unternehmen gleichermaßen an der Finanzierung beruflicher Weiterbildung beteiligen, schlägt DIE LINKE einen Weiterbildungsfonds vor, in den alle Unternehmen einer Branche einzahlen.
    • Weiterbildungsangebote der Arbeitsagentur und Jobcenter müssen ausgebaut werden. Das Ziel schneller Vermittlung Erwerbsloser muss gestrichen werden, stattdessen müssen Erhalt der Qualifikation und Weiterbildung Vorrang bekommen. Für die Zeit der Weiterbildung wird ein Weiterbildungsgeld in Höhe von 90 Prozent des letzten Nettoentgelts gezahlt. Die Zeit der Weiterbildung wird nicht auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld angerechnet.

    Abgesehen von der kostenmäßigen Be- und Überlastung der Unternehmen haben wir es hier mit einem problematischen Punkt zu tun: der Verlängerung der Zeit außerhalb des Arbeitsmarkts. Genau das, was man nicht machen soll.

    Auch die Schulbildung nimmt weiten Raum ein:

    “In Bildung wird viel zu wenig Geld investiert. Unsanierte Schulen mit schlechter Ausstattung sind ein sichtbares Zeichen dafür. Allein der Sanierungsbedarf bei Schulen wird bundesweit inzwischen auf fast 50 Milliarden Euro geschätzt. An den Hochschulen müssten von 2017 bis 2025 etwa 35 Milliarden Euro investiert werden, um den Modernisierungsstau abzubauen. Wir kämpfen für mehr Personal in Bildung und Erziehung. Wir wollen die Gebäude sanieren, ausbauen und dem Bedarf anpassen.”

    Recht haben sie. Allerdings ist daran zu erinnern, dass es dem Staat in den letzten Jahren keineswegs an Geld gefehlt hat, es wurde halt nur für anderes ausgegeben. Auch einem anderen Punkt kann ich zum Teil etwas abgewinnen:

    “Wir wollen eine Schule für alle: Eine Gemeinschaftsschule, die kein Kind zurücklässt und sozialer Ungleichheit entgegenwirkt. Die Gemeinschaftsschule fördert die Kinder individuell und umfassend. Sie ist ganztägig organisiert und bietet alle Schulabschlüsse an. Schule sollte so organisiert sein, dass die sozialen Unterschiede nicht noch verstärkt, sondern möglichst ausgeglichen werden. Deshalb wollen wir eine Schule, die ohne Hausaufgaben auskommt und private Nachhilfe überflüssig macht. Die Gemeinschaftsschule ist demokratisch organisiert mit einer wirklichen Mitbestimmung von Schülerinnen und Schülern.”

    In der DDR war das Leistungsniveau in den Naturwissenschaften bekanntlich hoch und wohl höher als das, was nun umgesetzt wird. Ich teile auch die Kritik an den Folgen des Verfalls der Schulen. Wer motiviert ist und es sich leisten kann, flüchtet aus dem System.

    Nur klingt das hier nicht nach Leistungssteigerung. Dafür steht DIE LINKE auch nicht, wie ein Blick nach Thüringen zeigt, wo sie bekanntlich den Ministerpräsidenten stellt und ebenso lange den Kultusminister (seit 2014).

    So gab es nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln in Thüringen eine sagenhafte Intelligenzschwemme. Jedenfalls wuchs dort der Anteil der Einser-Abiturienten (1,0 bis 1,4) von 2,8 (2006) auf 5,3 Prozent (2017). Nicht mal in Berlin gibt es einen so hohen Anteil an Einser-Abiturienten. Zum Vergleich: in Niedersachsen mit 1,9 Prozent weniger als halb so hoch. Ganz zurück zur DDR will die Linkspartei nun tatsächlich nicht.

    Tja. Was für eine Note soll man der LINKEN geben für die Ideen zur Wohlstandssicherung? Sie hat keine, sondern konzentriert sich auf die Verteilung. Alles andere als Note 6 wäre eine Beschönigung angesichts des Systemwechsels, der – wie die Geschichte lehrt – eindeutig nicht Wohlstand sichert und vermehrt.

    Die Verteilung von Wohlstand

    Das hat – zugegebenermaßen – in meinem Buch eine geringere Rolle gespielt. Nur beim Thema der Staatsfinanzierung bin ich darauf eingegangen. Das behandeln wir nachher.

    Im Programm der SPD haben wir gesehen, dass es diese Partei eine große Bedeutung hat. Und bei der LINKEN? Klar, bei der LINKEN ist es Kern der Programmatik:

    “Die soziale Ungleichheit hat zugenommen. Wir wollen einen demokratischen Sozialstaat, der soziale Garantien gibt, das gesellschaftliche Leben durch soziale Dienstleistungen und öffentliche Infrastrukturen stärkt und für gute und planbare Erwerbsarbeit sorgt, die sicher ist und zum Leben passt.”

    Nicht wenige würden sagen, das haben wir schon. Ebenfalls nicht wenige würden sagen, dass sie sich noch mehr in dieser Richtung wünschen – auch Wähler anderer Parteien. Ich finde zwar, dass man das nur dann fordern sollte, wenn man sich auch um die Voraussetzungen kümmert. Aber sei es drum, werfen wir einen Blick auf die Ideen. Diese sind umfangreich und wie bei jedem Aspekt kann ich nicht vollständig sein.

    Die Kernaussage ist: 1.200 Euro. Wer auch immer, jeder soll nach den Vorstellungen der LINKEN 1.200 Euro bekommen, pro Monat.

    “Wir wollen einen garantierten Schutz vor Armut. Sanktionen und entwürdigende Antragsverfahren schaffen wir ab. Zusammengefasst wollen wir ein garantiertes Mindesteinkommen von 1.200 Euro in jeder Lebenssituation, in der es gebraucht wird.”

    Und:

    “Wir setzen uns für ein elternunabhängiges, rückzahlungsfreies BAföG in Höhe von 1.200 Euro ein. Der BAföG-Fördersatz muss regelmäßig und automatisch an die steigenden Lebenshaltungskosten angepasst werden. Wir wollen die Altersgrenzen beim BAföG abschaffen und die Bezugsdauer an die reale durchschnittliche Studiendauer anpassen. Ebenso muss die Kopplung des BAföG an Leistungsüberprüfungen abgeschafft werden.”

    Das ist konsistent, wenn sowieso jeder 1.200 Euro bekommt, braucht man auch keinen Leistungsnachweis. Nur wozu überhaupt BAföG als Instrument? 1.200 Euro für jeden langen doch.

    Kommen wir zu den weiteren Ideen der Linken, zunächst zur Besserstellung der Arbeitnehmer.

    “Wir schaffen einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor mit zusätzlichen existenzsichernden, sozialversicherungspflichtigen und tariflich abgesicherten Arbeitsplätzen. Sie sollen Stadtteilzentren, Initiativen und kulturelle Projekte stärken. Die Entlohnung darf den Mindestlohn und einen Bruttolohn von monatlich mindestens 1.560 Euro (Vollzeit) nicht unterschreiten. Die Angebote sind für die Erwerbslosen freiwillig.”

    Was bei mir zur Frage führt: Wenn ich 1.200 Euro für null Stunden bekomme und 1560 BRUTTO für 30 Stunden. Welcher Erwerbslose macht das freiwillig? Ja, man muss schon ein sehr idealistisches Menschenbild haben!

    “Wir schaffen ein neues Normalarbeitsverhältnis um die 30 Stunden pro Woche, ein Mitbestimmungsrecht bei der Personalbemessung und eine Anti-Stress-Verordnung. (…) Der gesetzliche Mindestlohn wird auf 13 Euro erhöht. (…) Tarifbindung muss wieder für alle Unternehmen und Branchen gelten. Dafür müssen Tarifverträge leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden können. Das muss auf Antrag einer Tarifvertragspartei möglich sein. (…) Wir wollen Leiharbeit verbieten. (…) Wir wollen einen Rechtsanspruch auf eine Mindeststundenzahl im Arbeitsvertrag von 22 Stunden pro Woche für alle Beschäftigten einführen.”

    Tja, was soll man dazu sagen?

    “Mini-und Midijobs wollen wir abschaffen und in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse überführen. Ab dem ersten Euro muss für Unternehmen eine volle Pflicht zur Sozialversicherung gelten. Plattformen müssen Arbeitgeberpflichten erfüllen und Sozialversicherungsbeiträge für über sie Beschäftigte abführen. Auftraggeber müssen auch für Soloselbständige Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Dazu schaffen wir bundesweite branchenspezifische Mindesthonorarregelungen, die einem ruinösen Preiswettbewerb entgegenwirken und Soloselbständige schützen.”

    Es geht darum, das Lohnniveau allgemein zu heben und den Wettbewerb über den Lohn auszuschließen. Was nicht angesprochen wird, ist die Fragestellung, (wie das zu dem seit Jahren enttäuschenden Produktivitätszuwächsen passt) und was es für die internationale Wettbewerbsfähigkeit bedeutet. Arbeitslosigkeit ist allerdings kein Problem mehr, weil es ja gut abgesichert ist.

    An anderer Stelle ist sich DIE LINKE mit der bereits besprochenen SPD einig:

    “Wir wollen verbindliche Obergrenzen für Manager- und Vorstandsgehälter: Sie dürfen nicht mehr als das Zwanzigfache des niedrigsten Gehalts im Unternehmen betragen. Managergehälter können steigen, wenn die untersten Lohngruppen angehoben werden. Jahresgehälter über einer halben Million Euro dürfen nicht mehr steuerlich abzugsfähig sein.”

    Die Wirkung: Bestimmte Unternehmen bekommen strukturell schlechtere Manager (wenn man davon ausgeht, dass diese sich am Gehalt orientieren).

    Das sind in Summe viele Eingriffe in den Markt. Staatswirtschaft als Voraussetzung.

    Schwerpunkt Rente:

    “Wir wollen eine gesetzliche Rente, die den Lebensstandard wieder sichert und vor Armut schützt. Das ist für viele Menschen die Grundlage für ein sorgenfreies und selbstbestimmtes Leben. Forderungen, dass wer länger lebt, erst später in Rente gehen soll, weisen wir zurück. Die Rente darf nicht über Kapitalmärkte „gesichert“ werden – dann ist sie unsicher. Sie muss zu gleichen Teilen von Unternehmen und Beschäftigten finanziert werden.”

    Hinweis an der Stelle: Sie wird immer vom Arbeitnehmer finanziert, es ist nur ein Trick der Politik.

    Doch zurück zur LINKEN, die mit keinem Wort thematisiert, dass unser Rentensystem reformbedürftig ist. Nein, die Lösung liegt auf der Hand: Umverteilung.

    “Die Rente erst ab 67 muss zurückgenommen werden. Forderungen nach einem noch höheren Renteneintritt sind unrealistisch und unverantwortlich. Arbeiten bis zum Umfallen wollen wir verhindern. Jede*r muss wieder spätestens ab 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen dürfen. Das ist finanzierbar. Wenn Menschen mindestens 40 Jahre Beiträge gezahlt haben, sollen sie bereits ab 60 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können.”

    Auch hier die Frage: Ist das gerecht? Man denke nur an die zunehmende Lebenserwartung. Es ist auf jeden Fall nicht gerecht zwischen den Generationen. Hier wäre eine Anpassung nach dem Motto 2:1, wie sie unter anderem Professor Raffelhueschen vorschlägt, gerechter. Man müsste pro drei zusätzlichen Lebensjahren ein weiteres Jahr arbeiten.

    “Als Garantie führen wir eine Solidarische Mindestrente von 1.200 Euro für all jene ein, die trotz der Reformmaßnahmen eine zu niedrige Rente haben, um davon leben zu können. (…) Unser Versprechen lautet: Niemand soll im Alter von weniger als 1.200 Euro leben müssen. Die Höhe der Solidarischen Mindestrente wird regelmäßig am 1. Juli eines jeden Jahres im selben Maße erhöht, wie alle anderen gesetzlichen Renten auch.”

    Das sind die 1.200 Euro, die wir schon hatten.

    Damit nicht genug:

    “Als Sofortmaßnahme heben wir das Rentenniveau auf 53 Prozent an. (…) Als LINKES Kernprojekt erweitern wir die gesetzliche Rentenversicherung zu einer Alterssicherung für alle Erwerbstätigen. (…) Unser Konzept der solidarischen Erwerbstätigenversicherung bietet eine gesetzliche Alterssicherung auch für bislang nicht versicherte Selbstständige, Freiberufler*innen, Beamt*innen, Manager*innen und Politiker*innen. Wir wollen, dass alle Erwerbstätigen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung zahlen. Mit anderen Worten: Wir machen aus der bisherigen Arbeitnehmer*innen-Versicherung eine Erwerbstätigenversicherung.”

    Nun könnte man hier – wenn es um eine Basissicherung geht – durchaus Sympathie haben, haben wir diese doch faktisch schon über Steuergeld. Zur Erinnerung: Rund ein Drittel des Bundeshaushalts fließt heute in die Rente. Allerdings hat es einen Ponzi-Charakter. Man zwingt mehr Leute zum Einzahlen, die damit aber auch Ansprüche erwerben, die künftig auch finanziert werden müssen.

    Damit auch genug reinkommt, findet sich diese Forderung im Programm der LINKEN:

    “Die Beitragsbemessungsgrenze für die allgemeine und die knappschaftliche Rentenversicherung wird in mehreren Schritten angehoben und schließlich ganz aufgehoben.”

    Warum so zaghaft? Alle in die Rente und ab sofort auf alles Beiträge. Hier ist DIE LINKE interessanterweise zurückhaltend. Dabei bietet es sich doch an. Wer glaubt, alle Probleme durch die andere Verteilung des Kuchens lösen zu können, der muss so argumentieren.

    Und so argumentiert DIE LINKE auch bei dem Thema Gesundheit:

    “Wir wollen die Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung abschaffen. In die Solidarische Gesundheitsversicherung zahlen alle mit ihren gesamten Einkünften (Erwerbs-, Kapital- und andere Einkommen) ein und bekommen alle medizinisch notwendigen Leistungen, auch vollumfänglich Medikamente, Brillen oder Physiotherapie. Medizinisch unnötige Behandlungen zu finanziellen Zwecken an privat Versicherten gehören der Vergangenheit an.”

    alle medizinisch notwendigen Leistungen“ – das kennen wir aus Ländern wie Großbritannien aber auch Kanada. Es gibt lange Wartelisten für Operationen und es gibt starke Begrenzungen bei Behandlungen. Die es sich leisten können, gehen natürlich zum Privatarzt oder reisen in die USA (aus Kanada). Unser System ist übrigens sehr solidarisch, zahlen die privaten Krankenversicherungen doch überproportional ein.

    Wer es zu mehr „Solidarität“ führen will, wird den Standard für die meisten absenken und diejenigen, die es sich leisten können, werden noch privilegierter. Gut, DIE LINKE setzt alles daran, dass es sich niemand mehr leisten kann, aber dazu kommen wir noch.

    Bevor wir zum Fazit kommen, noch das Thema Wohnen:

    “Grund für Wohnungskrise, Verdrängung und Mietenwahnsinn sind nicht einfach, dass es zu „wenige Wohnungen“ und die Lösung ist nicht einfach „bauen, bauen, bauen“ – die Bevölkerung ist nicht sprungartig gewachsen. Fast 2 Millionen Wohnungen stehen leer. (…)  an vielen Orten auf dem Land verfällt Wohn- und Gewerberaum. Die letzten Bundesregierungen haben gegen diese Entwicklung nichts getan. Mehr noch: Sie haben den sozialen Wohnungsbau systematisch heruntergefahren, öffentlichen Wohnraum privatisiert sowie Städte und Gemeinden zur Spekulation frei gegeben.”

    Vieles ließe sich hier sagen. Die Privatisierung von Wohnraum erfolgte beispielsweise in Berlin durch einen rot-roten Senat. Also war da DIE LINKE dabei. Damals noch mit dem Namen PDS.

    Dann: Es stimmt nicht, dass die Bevölkerung nicht gewachsen ist. Zum einen haben wir eine weit höhere Zuwanderung gehabt als gedacht. Und diese wurde auch nicht allokiert, wie man es in der DDR gemacht hat, sondern die Menschen gingen in die Städte. Hinzu kam noch eine innerdeutsche Migration, die wiederum in bestimmte Städte und Stadtteile ging.

    Außerdem hilft bauen, siehe Hamburg!

    Aber DIE LINKE kann natürlich mit ihrer falschen Tatsachenbeschreibung sehr schöne Forderungen aufstellen:

    Wie es gehen kann, zeigt dagegen Berlin, wo die LINKE mitregiert: Mieten mit harten Obergrenzen deckeln, Wohnungen zurück in öffentliches Eigentum bringen, sozialen Wohnungsbau fördern und die Immobilienwirtschaft gemeinnützig machen! In Berlin sinken die Mieten erstmals seit Jahren wieder.”

    Was vor allem gesunken ist, ist das Angebot an Mietwohnungen, und zwar deutlich. Wenn die Mieten nun nicht mehr steigen, hat das auch damit zu tun, dass die Bevölkerung Berlins wieder schrumpft, was unter anderem mit der sich wieder verschlechternden wirtschaftlichen Situation der Stadt zu tun hat.

    “Wir wollen im gesamten Bundesgebiet Mietendeckel nach Berliner Vorbild. (…). Mieten dürfen nur noch soweit erhöht werden, wie die Preise allgemein steigen, höchstens um 2 Prozent im Jahr. Besonders hohe Mieten müssen abgesenkt werden.”

    Von dieser Maßnahme haben übrigens jene am meisten profitiert, die wohl nicht DIE LINKE wählen: die Mieter großer Altbauwohnungen und sogar von Häusern.

    “Wir wollen überall einen prozentualen Mindestanteil von Sozialwohnungen, um eine Mischung der Viertel sicher zu stellen und den Trend zur Bildung von Parallelgesellschaften der Reichen in Innenstädten und Villenvierteln zu stoppen. 50 Prozent des Wohnungsmarktes in öffentlicher und gemeinnütziger Hand. Das Modell Wien zeigt: Günstiger Wohnraum für die Mehrheit der Menschen in gutem Zustand und mit hoher Wohnqualität ist möglich.

    Schon vor einiger Zeit habe ich an dieser Stelle den Wiener Wohnungsmarkt anhand eines Beitrags in der NZZ diskutiert: 

    • “Auf den ersten Blick wirkt Wien tatsächlich wie ein Wohnparadies. Rund 31 % der Mieter leben in einem Gemeindebau, was die Stadt zur grössten Immobilienbesitzerin Europas macht. Weitere 26 % wohnen in einer geförderten Genossenschaftswohnung. Sowohl im Gemeindebau wie in den Genossenschaften gelten staatlich regulierte Mieten, man zahlt deshalb nur bescheidene 6 bis 7 € pro Quadratmeter (inkl. Betriebskosten) (…).” – bto: Also mehr als 50 Prozent des Marktes ist öffentlich und eine Warmmiete von sechs bis sieben Euro ist selbst aus Berliner Sicht günstig. Ziel erreicht, kann man da nur sagen.
    • “Falls ein Mieter stirbt oder auszieht, gibt es weitgehende ‘Eintrittsrechte’ für Kinder, Enkel oder andere Verwandte in Bezug auf die Altverträge. Als Folge dieser Regulierungen ist der Grossteil der Wiener Wohnungen dem freien Markt entzogen. Nur eine von acht Mietwohnungen lässt sich prinzipiell zu freien Konditionen vermieten. Dieses enge Segment beschränkt sich im Wesentlichen auf private Neubauten und sehr grosse Altbauwohnungen.”

    Doch nun zu den Schattenseiten, die stark zu meinen Erwartungen passen:

    • Es gibt in Wien eine “ausgeprägte Zweiklassengesellschaft. Privilegiert ist der ‘Mietadel’ der Alteingesessenen, die seit Langem in einer Gemeinde-, Genossenschafts- oder Altbauwohnung leben oder den günstigen Vertrag von Verwandten übernommen haben. Diesen ‘Insidern’ gegenüber stehen Neuankömmlinge oder junge Familien, die zum ersten Mal in Wien eine Wohnung suchen. Sie müssen meist im sehr engen Segment der frei vermietbaren Wohnungen etwas finden“.
    • “(…) Einwohnerzahl ist im vergangenen Jahrzehnt deutlich gewachsen. Die zusätzliche Nachfrage bricht sich aber hauptsächlich auf den zwei «freien» Teilbereichen des Wohnungsmarktes Bahn. So sind die privaten Mieten seit 2008 um beträchtliche 53 % gestiegen. (…) Ebenfalls explodiert sind die Preise für Eigentumswohnungen.)
    • “Drittens führt der strikte Mieterschutz dazu, dass der Wiener Wohnraum aus volkswirtschaftlicher Sicht schlecht genutzt wird.” – bto: weil Personen in Wohnungen sitzen, die viel zu groß sind und Familien beispielsweise keine Wohnungen finden.
    • “Das Ausschalten von Preissignalen führt ausserdem dazu, dass sich Renovierungen für die Besitzer häufig nicht lohnen. So lassen sie Altbauten bisweilen verfallen, und auch die Wiener Gemeindebauten machen nicht immer den frischesten Eindruck.” – bto: Also doch, dann war ich wohl in den falschen Gegenden unterwegs.
    • “(…) eine geringe Treffsicherheit, wenn es um soziale Ziele geht. Für Gemeinde- oder Genossenschaftswohnungen sind die Einkommensgrenzen so grosszügig angesetzt, dass 90 % der Bevölkerung dafür infrage kommen. Eine Prüfung der Bedürftigkeit findet zudem nur beim Einzug statt. So kann der gut verdienende Arzt, der als Student eine Gemeindewohnung erhalten hat, sein Leben lang zur günstigen Miete im Gemeindebau wohnen bleiben.” – bto: was wiederum sehr schön ist. Wir hatten das übrigens auch in Deutschland und das wurde dann durch eine Fehlbelegungsabgabe korrigiert. Die NZZ zeigt dazu eine Abbildung, wonach der größte Anteil der Mieter im öffentlichen Bereich mittlere Einkommen hat.
    • “Österreichweit gibt die Politik dafür rund 2,5 Mrd. € pro Jahr aus – etwa gleich viel wie für die Universitäten. Einen Teil der Finanzierung leisten die Arbeitnehmer, die 1 % ihres Bruttolohnes als ‘Wohnbauförderungsbeitrag’ an den Staat abliefern müssen.” – bto: Bei uns wären das 25 Milliarden. Das sind aber nur die laufenden Subventionen. Man muss ja den Wohnraum erst erwerben oder bauen, bevor man ihn subventionieren kann. Nehmen wir dazu ein Kaufpreis-Multiple von 20 an, ergibt das schlappe 500 Milliarden Einmalaufwand. Na gut, man kann ja enteignen …
    • Es führt zum “Ausschalten von Marktkräften, dass einfach andere Zuteilungsmechanismenzum Tragen kommen. So führt die Stadt Wien für Gemeindewohnungen jahrelange Wartelisten. Aber auf dem Wohnungsmarkt hilft es erfahrungsgemäss, wenn man jemanden kennt – am besten ‘in der Partei’“. – bto: Genauso war es in Berlin vor der Privatisierung der Immobilien. Das streben die linken Politiker auch an, geht es doch darum, sich den von allen bezahlten Zugriff auf Wohnungen zugunsten der eigenen Klientel zu sichern.
    • “(…) es (wäre) nötig, die Marktkräfte stärker spielen zu lassen. Allerdings wehrt sich die Stadtregierung vehement dagegen. Kürzlich hat sie den Markt noch mehr «zugemacht» mit neuen Beschränkungen, die das Bauen von Wohnungen für Private unattraktiver machen. Stattdessen sollen mehr staatlich verbilligte Wohnungen entstehen. Dahinter steht auch politisches Kalkül. Der geförderte Wohnbau ist immer noch eine Machtbastion des ‘roten Wien’. Kaum etwas erlaubt es der SPÖ besser, sich als Wohltäterin der Bevölkerung zu präsentieren.” – bto: Und davon träumt auch DIE LINKE hierzulande. Zuerst verhindert sie den Bau neuer Wohnungen und fördert die Zuwanderung (Stichwort: Wir schieben niemanden ab.), dann nutzt sie die steigenden Mieten zur politischen Mobilisierung, um dann über Enteignung die eigene Klientel zu bevorzugen.

    Über das Ziel gibt es  bei der LINKEN keine Zweifel:

    “Perspektivisch wollen wir den Wohnungsbestand komplett dem Markt entziehen.”

    Fazit: Note 1 für die Stringenz. Keiner macht der LINKEN hier was vor. Note 6 für die Wirkung auf den Wohlstand im Lande.

    Klimapolitik

    Womit wir zu dem ganz großen Thema des Wahlkampfes kommen: Klimaschutz.

    Das fällt für mich bekanntlich unter die Verwendung von Wohlstand und gehört nicht zum Thema “Wohlstand schaffen”.

    Die Verwendung kann verschiedene Ziele haben: den Kampf gegen den Klimawandel, die Hilfe für die Armen in aller Welt und auch den Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit Europas.

    Zweifellos stehen wir gerade bei dem Thema Klimaschutz vor gigantischen Ausgaben, die eben überwiegend Konsumcharakter haben, weil sie nicht zur Schaffung künftigen Wohlstands beitragen, sondern im Gegenteil zur Entwertung vorhandenen Vermögens führen.

    DIE LINKE macht keinen Hehl daraus, wie sie das Thema Klimaschutz sieht: als ein weiteres Argument zur radikalen Umverteilung. Die Begründung gleich zu Beginn:

    “Nach Zahlen der Nichtregierungsorganisation Oxfam stoßen die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung in Deutschland pro Kopf etwa 4,5-mal so viel CO2 aus wie die unteren 50 Prozent. Der Klimawandel wird nicht von den Menschen gemacht, sondern von den Reichen – mit zahlreichen Reisen, großen Immobilien und Yachten. Den Preis dagegen zahlen die Armen, die sich nicht gegen Klimaschäden versichern können oder bei steigenden Lebensmittelpreisen das Essen nicht mehr werden leisten können. Wir wollen eine sozial-ökologische Wende, von der alle Menschen durch bezahlbare Energie, erschwingliche Mobilität, gesunde Nahrungsmittel und mehr Lebensqualität profitieren. Dafür wollen wir die großen Konzerne entmachten und die Produktion an sozialen und ökologischen Zielen ausrichten.”

    Oxfam hat übrigens Folgendes gesagt:

    Die wohlhabendsten Teile der Menschheit tragen in überproportionalem Maß zur Erderwärmung bei. Das geht aus einem Bericht hervor, den die Entwicklungsorganisation Oxfam vor der am Dienstag beginnenden Generaldebatte der 75. UN-Vollversammlung in New York veröffentlichte. Die Studie konzentriert sich auf die klimapolitisch wichtigen Jahre von 1990 bis 2015, in denen sich die Emissionen weltweit verdoppelt haben. 

    Die reichsten zehn Prozent (630 Millionen) seien in dieser Zeit für mehr als die Hälfte (52 Prozent) des CO2-Ausstoßes verantwortlich gewesen, berichtete Oxfam. Zu diesen zehn Prozent dürften übrigens alle Deutschen gehören.

    Aber egal, was schlägt DIE LINKE zum Klimaschutz vor?

    “Wir fordern die Energiewende mit 100% Erneuerbaren bis 2035. Wir wollen den Kohlausstieg bis spätestens 2030. Wir wollen die Energiekonzerne entmachten und eine Energiewende in Bürgerhand, in öffentlichem oder genossenschaftlichem Eigentum.”

    Das bedeutet in der Praxis eine deutliche Reduktion des Stromverbrauchs, denn selbst in den optimistischsten Szenarien ist das nicht darstellbar. Das habe ich in mehreren Podcasts besprochen. Zur Erinnerung:

    • “Laut exklusiven Berechnungen des Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln (EWI) für das Handelsblatt wird der Stromverbrauch in Deutschland bis 2030 auf 685 Terawattstunden steigen – von knapp 580 TWh im Jahr 2019. (…) Nach den EWI-Berechnungen wird Deutschland wegen des kräftigen Anstiegs des Stromverbrauchs im Jahr 2030 nur 55 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken – und damit das selbst gesteckte Ziel von 65 Prozent kräftig unterschreiten. Die Lücke entspricht der Leistung fast aller heute in Deutschland installierten Windräder – oder neun großen Atomkraftwerken.”
    • “Die Prognose ist brisant – denn sie zeigt eine Realität, der sich die Bundesregierung hartnäckig verweigert. Die plant bis 2030 nicht mit einer steigenden, sondern mit einer konstanten Stromnachfrage von 580 Terawattstunden. Die Energieexpertin Veronika Grimm, selbst Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung, fällt ein klares Urteil über diese Prognose: ‘Mir erscheint das unrealistisch.’

    Wir steuern hier also auf ein ziemliches Problem zu. Wenn der Beitrag der LINKEN sich darauf beschränkt, Forderungen aufzustellen, ist das kein wirklicher Gewinn.

    Und genau dies tut DIE LINKE:

    “Wir wollen, dass die Bundesrepublik bis spätestens 2040 keine Treibhausgase mehr produziert. Die genannten Ziele müssen in einem Klimaschutzgesetz festgeschrieben werden. Emissionshandel bietet keinen wirksamen Klimaschutz.”

    Ehrliche Ansage: Staatliche Vorgaben – Planwirtschaft – sind das gewünschte Modell. Konkret:

    “Die großen Energiekonzerne werden entmachtet und Energieversorgung am Gemeinwohl ausgerichtet. Durch die Energiewende in öffentlicher und genossenschaftlicher Hand können bis 2030 über 100 000 hochwertige und gut bezahlte Arbeitsplätze in der Produktion, Installation und Wartung dieser Anlagen geschaffen werden.”

    Wie das geschehen soll, bleibt offen. Konkreter sind diese Ideen:

    “Bus und Bahn ausbauen und die Preise drastisch senken, große Teile des Güterverkehrs auf die Schiene verlagern, vernetzte Mobilität schaffen, kurze Wege fördern, statt Flugstrecken Bahnverbindungen ausbauen – und weniger Autos, dafür aber Modelle mit einem geringeren ökologischen Fußabdruck bauen. Dies darf nicht dem Markt und privaten Konzernen überlassen werden. Wir wollen den öffentlichen Nahverkehr ausbauen, ein preiswertes 365-Tage-Ticket schaffen und den ÖPNV perspektivisch für die Nutzer*innen kostenlos machen. In den öffentlichen Verkehr, Radwege, Fußwege und Stadtumbau investieren wir 38 Milliarden Euro pro Jahr.”

    Auch hier gilt: Diese Ziele formulieren auch andere. 38 Milliarden pro Jahr sind eine Zahl, von der niemand weiß, woher sie kommt, was sie beinhaltet und vor allem, was sie bringen. Konkret ist hingegen wieder, was verboten wird:

    “Stopp des Neu- und Ausbaus von Autobahnen. (…) Um Menschen und Klima zu schützen, brauchen wir endlich auch Tempolimits: 120 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts. (…) Spätestens ab 2030 dürfen keine PKW mit Verbrenner mehr neu zugelassen oder exportiert werden.”

    Eine Forderung, die ja immer mehr Unterstützung findet. Allerdings gilt für DIE LINKE wie für alle ähnlich argumentierenden Politiker: Bekommt alle Ziele unter ein Dach, bevor ihr solche Ziele formuliert.

    “Wir fordern einen Mobilitätskonzern Deutsche Bahn-Lufthansa. Einen sanften Wandel von Kurzstreckenflügen zu Hochgeschwindigkeitszügen bekommen wir hin, wenn wir beide Geschäftsbereiche in einem Unternehmen organisieren statt in Konkurrenz zueinander. Das ist bei den Summen öffentlicher Gelder, die gerade in diese beiden Unternehmen gesteckt werden, von denen eins ohnehin bereits zu 100 Prozent im Staatsbesitz ist, sehr gut möglich.”

    Das ist konsequent. Da es ohnehin das Ziel ist, alle Unternehmen zu vergesellschaften, kann man ja gleich behalten, was man schon hat. Und eine integrierte Bahn- und Fluggesellschaft wäre doch mal eine Innovation.

    “Unser Ziel ist es, dass die Industrie bis 2035 weitgehend CO2-neutral und energie-effizient produziert (…) Es dürfen keine Arbeitsplätze verlagert werden, bevor nicht neue, gleichwertige Arbeit geschaffen wurde. Umgekehrt müssen neue Industrieanlagen so ausgerichtet sein, dass bis spätestens 2040 weitgehend CO2-frei und klimaneutral produziert werden kann. (…) Die Industriekonzerne müssen verpflichtet werden, diesen Umbau in die Wege zu leiten. Bei der Finanzierung der ökologischen Modernisierung der Produktion, wollen wir die Konzerne und Aktionäre in die Pflicht zu nehmen.”

    Das ist zusammengefasst ein Programm zur Deindustrialisierung. Warum sollte ein Unternehmen diese Investitionen tätigen und vor allem warum in Deutschland?

    Im Kern geht es dabei um eine Verteilung der Lasten auf eine einzige Bevölkerungsgruppe, die von den LINKEN zu Unrecht als „Reiche“ und damit zu belastenden Gruppe der Unternehmer gerichtet.

    Das gleiche Prinzip gilt auch bei der Ertüchtigung des Gebäudebestands:

    “Wir wollen einen bundesweiter Klima-Check aller Gebäude bis 2025. Mit verbindlichen Sanierungsplänen wollen wir bis 2040 einen klimaneutralen Gebäudebestand garantieren und viele neue Arbeitsplätze schaffen. (…) Auch die Vermieter*innen müssen sich an den Kosten beteiligen. Aufschläge auf die Miete sollen nur noch in Höhe der erreichten Einsparungen bei Heizung und Warmwasser zulässig sein. (…) Vermieter*innen, die Kosten energetischer Sanierungen nicht tragen können, können sich unter den Schirm der Wohnungsgemeinnützigkeit begeben. Dadurch erhalten sie Zugang zur vollen öffentlichen Förderung der Sanierungskosten und verpflichten sich im Gegenzug zur gemeinnützigen Bewirtschaftung ihrer Wohnungen.”

    Nachdem es – wie bereits diskutiert – ohnehin das Ziel ist, sämtlichen Wohnungsbestand in Deutschland zu verstaatlichen, wissen alle Vermieter, was zu tun ist.

    Fazit: DIE LINKE macht mit beim Spiel der großen Ziele ohne einen halbwegs realistischen Weg zur Zielerreichung. Sie ist dafür transparent und konsequent bei ihrem eigentlichen Ziel: dem Systemwechsel hin zum Sozialismus. Dies auch im besonders betonten Schulterschluss mit Fridays for Future.

    Das verdient eine klare Note 6. Keine einzige neue Idee zum Thema.

    Europa

    Europa ist ebenfalls ein großes Thema!

    In meinem Buch erläutere ich ausführlich, dass die EU und vor allem die Eurozone bei dem zentralen Versprechen der Wohlstandsschaffung versagt.

    • Die Schulden sind so weit auseinander, an ein „Sparen“ ist nicht zu denken – es muss eine Monetarisierung passieren.
    • Die Wettbewerbsfähigkeit ist so weit auseinander, dass es mit Transfers nicht zu lösen ist.
    • Transferunion kann nicht funktionieren und wäre angesichts der Vermögensverteilung nicht gerecht.
    • Wir brauchen einen Schuldentilgungsfonds, an dem auch wir mitmachen!
    • Auf keinen Fall aber eine Schulden-Transferunion – siehe Bundesrechnungshof.
    • Und wir müssen über eine Neuordnung der Währungsunion sprechen.
    • Der größte Fehler, den wir machen können, ist in eine Haftungsgemeinschaft einzutreten, denn das kauft nur Zeit und vernichtet unser Vermögen.

    DIE LINKE hat hier eine gänzlich andere Sicht:

    “(…) aufgrund der Kürzungspolitik der vergangenen Jahre ist die öffentliche Daseinsvorsorge unterfinanziert. Banken wurden mit Milliarden gerettet, aber Krankenhäuser kaputtgespart. Die Spaltung zwischen Nord- und Süd-, Ost- und Westeuropa wächst. Die deutsche Politik von Niedriglöhnen und Exporterfolgen um jeden Preis hat die Krise mitverursacht und auch innerhalb der EU Ungleichheit und Konkurrenz verstärkt. Die Herausforderungen von Klimawandel und globaler sozialer Gerechtigkeit kann kein Land alleine stemmen. Wir müssen grenzübergreifende – globale – Lösungen finden. All das zeigt: Es ist höchste Zeit für einen Neustart in Europa!”

    Diese Analyse hat – wie so oft – auch einige richtige Aspekte. Der Euro hat zweifellos zu einer Spaltung geführt, statt zu einen. Die deutsche Politik hat sicherlich zu sehr auf Exporte gesetzt. Auch den Klimaschutz kann man nicht allein bewirken. Und einen Neustart braucht die EU auf jeden Fall! Nur ob er so aussehen sollte, wie ihn DIE LINKE fordert?

    “Es braucht in Europa endlich höhere Steuern für Reiche und Konzerne. (…) Die Defizit- und Schuldenregeln müssen angepasst werden. (…) Der EU- Haushalt muss durch die Ausgabe europäischer Anleihen ausgeweitet werden. Angesichts des größten Einbruchs der Weltwirtschaft seit Jahrzehnten ist ein Umfang von einer bis zwei Billion Euro für das europäische Investitions- und Ausgabenprogramm erforderlich. Die Kompetenzen der EU-Kommission zur Kontrolle und Lenkung der Mittelvergabe müssen beschränkt und das Europäische Parlament stärker einbezogen werden. Die demokratische Kontrolle der Verwendung von EU-Mitteln muss auf europäischer Ebene erfolgen. Dabei dürfen keine Kürzungsauflagen, wie etwa der Abbau von Arbeitsrechten, mehr verhängt werden.”

    Man muss es übersetzen: DIE LINKE fordert mehr Verschuldung auf Einzelstaatsebene, mehr Schulden auf der EU-Ebene, dies ohne wirkliche Kontrolle, sondern mit „demokratischer Kontrolle“ durch die strukturelle Mehrheit der Empfängerländer dieser Gelder in der EU.

    Und sollte es mit den Schulden Probleme geben:

    “Die EZB muss sozialen und ökologische Investitionen der Mitgliedstaaten ermöglichen und diese vom Wohlwollen der Finanzmärkte unabhängig machen. (…) Die EU-Verträge müssen geändert werden, um der EZB die Staatsfinanzierung zu ermöglichen. Wir wollen, dass die EZB demokratisch vom Europäischen Parlament kontrolliert wird, anstatt weiter dem Einfluss von Finanzlobbyisten ausgeliefert zu sein. Die EZB muss Kreditprogramme zur Verfügung stellen, damit die öffentlichen Investitionsbanken der Mitgliedstaaten einen klimaneutralen Umbau der Wirtschaft bis spätestens 2040 unterstützen und in Gesundheitsversorgung und Bildung, erneuerbare Energien, Bahn und Nahverkehr, sozialen und ökologischen Wohnungsbau investieren können.”

    Inflationsrisiken sieht DIE LINKE hier nicht, da die EZB ja weiterhin dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet sei. Was hier beschrieben wird, ist angesichts der völlig fehlenden Möglichkeit der Begrenzung der nationalen Schuldenaufnahme ein Programm zur Förderung des Verschuldungswettlaufs.

    Die anderen Forderungen der LINKEN zu Europa beschäftigen sich nicht mit der Notwendigkeit, die EU wettbewerbsfähig zu machen. Es geht dafür unter anderem darum, die Grenzen für alle zu öffnen und den Zuzug zu erleichtern. Wohlstand zum Verteilen sei reichlich vorhanden, ist im Programm zu lesen.

    Note 5 für ein Programm, das einige Defizite anspricht, die Lösung aber nur in Umverteilung, Staatswirtschaft und Notenbankfinanzierung sieht.

    Mehr Vermögen für alle

    Ein wichtiges Ziel sollte es angesichts der beklagten Ungleichheit im Lande sein, die Deutschen vermögender zu machen. Bekanntlich sind unsere Reichen nicht reicher als die Reichen in Italien, Frankreich, Spanien. Aber der Rest der Bevölkerung ist deutlich weniger vermögend oder besitzt gar nichts. Was zu tun ist, ist klar:

    • Abgaben und Steuerentlastung,
    • Fördern der kostengünstigen Aktienanalage,
    • Fördern privaten Wohneigentums,
    • finanzielle Bildung.

    Wir wissen, dass privates Vermögen zu höherer Zufriedenheit führt. Wir wissen, dass es unabhängig vom Staat macht. Beides keine Themen für DIE LINKE:

    “Die Beschäftigten dürfen nicht den Risiken auf dem Kapitalmarkt ausgesetzt werden. Wir lehnen es ab, die Arbeitgeber im Rahmen kapitalgedeckter betrieblicher Altersvorsorge und sogenannter »Zielrenten« aus der Haftung zu entlassen. Das gilt auch für den Verzicht auf Rentengarantien zugunsten einer reinen Beitragszusage.2

    Dazu passend auch die Forderung, die Riester-Rente abzuschaffen. Die Kritik an dieser teile ich durchaus. Allerdings sollten wir eine Alternative dazu finden, zum Beispiel die von der SPD zumindest erwähnte schwedische Aktienrente.

    Ebenso logisch das Verhindern der Bildung von privatem Wohneigentum:

    “Wir wollen ein weitgehendes Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen. Der Wunsch nach Wohneigentum darf nicht auf Kosten derjenigen gehen, die schon in den Wohnungen wohnen.”

    Wohlstand und DIE LINKE passen, wie gesagt, nicht zusammen. Insofern ist es schon unfair, hier eine Note zu geben. Es ist kein Ziel und im Unterschied zu den anderen Parteien im linken Spektrum will die LINKE gar nicht den Eindruck erwecken, hier etwas tun zu wollen.

    Finanzierung des Staates

    Kommen wir zum letzten Punkt. In meinem Buch schlage ich einen grundlegenden Umbau der Finanzierung des Staates vor:

    • Die Umverteilung in der breiten Mitte mindern. Hier sollte der Staat sich zurückhalten.
    • Die Anreize für Arbeitsaufnahmen steigern also deutlich geringere Steuern und vor allem Abgaben im unteren Einkommensbereich, auch kombiniert mit der Idee einer negativen Einkommensteuer.
    • Insgesamt deutliche Steuer- und Abgabensenkung, vor allem deshalb auch, weil wir am europäischen Schuldentilgungsfonds partizipieren.
    • Im Gegenzug eine gerechtere Besteuerung von Vermögen und Kapitalgewinnen, aber dies durch eine Weiterung der erfassten Bereiche – Erbschaftsteuer/Wertzuwächse Immobilien – jedoch tiefe Sätze.

    Zunächst eine gute Nachricht für die Reichen im Lande. Die Forderung nach Arbeitslagern für Reiche hat es nicht in das Wahlprogramm geschafft. Dafür geht es im Programm durchgehend darum, alle Probleme durch eine höhere Besteuerung der „Reichen“ zu lösen. Ausgangspunkt ist zunächst eine Behauptung: “Noch nie waren Einkommen so ungleich verteilt.”

    Diese Aussage ist falsch. Die Verteilung der verfügbaren Einkommen hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht verändert. Die Markteinkommen haben sich aus verschiedenen Gründen etwas auseinanderentwickelt, vor allem weil wir Millionen Menschen aus der Arbeitslosigkeit in den Arbeitsmarkt gebracht haben und zugleich Hunderttausende an Zuwanderern in die Arbeitswelt integriert haben. Dies ist ein großer Erfolg.

    Vor Corona haben wir zudem schon gesehen, dass die Löhne im unteren Bereich überproportional gestiegen sind, die Ungleichheit also abgenommen hat. Der Sozialstaat funktioniert und das seit Jahren.

    Bei den Vermögen ist das bekanntlich anders:

    “Immer größere Vermögen haben sich in immer weniger Händen konzentriert: Zwei Drittel aller Vermögen sind in der Hand der oberen zehn Prozent der Bevölkerung. Allein die 45 reichsten Haushalte besitzen so viel wie die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung zusammengenommen. Das reichste Prozent der Bevölkerung vereint rund 35% des Vermögens auf sich, also mehr als ein Drittel. Die reichsten 5 % haben mehr als die ‘restlichen’ 95 %.”

    In mehreren Podcasts habe ich die Zahlen analysiert und aufgezeigt, dass es in der Tat eine im internationalen Vergleich ungleichere Vermögensverteilung gibt:

    • Diese ist Folge des ausgebauten Sozialstaats, eben weil die Notwendigkeit zur privaten Vorsorge fehlt. Schweden, Dänemark sind noch ungleicher.
    • Berücksichtig man die Rentenansprüche, sinkt die Ungleichheit der Nettovermögen (Gini von 0,73) spürbar (auf 0,53).Will man dennoch die Ungleichheit weiter reduzieren, ist die Lösung nicht Umverteilung, sondern mehr Vermögensbildung für die breite Masse.”

    Das Programm der LINKEN fördert die Ungleichheit weiter (bei gleichzeitig absolut sinkendem Vermögensniveau!), weil alles getan wird, um private Vermögensbildung zu behindern und zu bestrafen.

    Eine weitere Behauptung darf nicht fehlen:

    “Noch nie war die Armutsgefahr so hoch: Mehr als jede*r Sechste im reichen Deutschland ist arm oder von Armut bedroht.”

    Deutschland ist eines der Länder mit dem geringsten Armutsrisiko. Hinzu kommt, dass man sich die Definition genauer anschauen muss. So stellt der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung fest:

    “Einer wissenschaftlichen Konvention folgend wird die Armutsrisikoschwelle bei 60 Prozent des Medians der Nettoäquivalenzeinkommen festgelegt. Die Armutsrisikoquote ist der prozentuale Anteil der Personen mit einem Nettoäquivalenzeinkommen unterhalb dieser Schwelle an der jeweiligen Bevölkerungsgruppe. Die Quote gibt also wieder, wie groß der Anteil der Bevölkerung unterhalb eines bestimmten Punktes in der Einkommensverteilung ist, sie liefert keine Informationen über individuelle Hilfebedürftigkeit.”

    Wenn also morgen alle das Doppelte verdienen, haben wir genauso viele Arme. Es geht also nur um die Spreizung der Einkommen.

    Hinzu kommt Folgendes: Bis zur Coronakrise sank dank der guten Arbeitsmarktlage die Zahl der deutschen „Regelleistungsbezieher“ auf zuletzt 3,4 Millionen (5,8 Millionen im Jahr 2007), während die Anzahl der Empfänger mit Migrationshintergrund auf zwei Millionen (1,3 Millionen im Jahr 2007) stieg. Werden wir ein „ungerechteres Land“, weil wir humanitäre Hilfe leisten? DIE LINKE will laut Programm die Grenzen für alle öffnen, also die Ungleichheit noch weiter erhöhen.

    Egal, basierend auf der falschen Analyse kann man sich richtig austoben:

    Zunächst für den ersten Bedarf eine Vermögensabgabe:

    “Wir wollen eine Vermögensabgabe erheben. Diese soll für Nettovermögen über 2 Mio. Euro  erhoben werden. Die Vermögensabgabe ist progressiv von 10 bis 30 Prozent gestaffelt und kann über 20 Jahre in Raten gezahlt werden.”

    Der Besitzer eines Hauses im Umland von München, nehmen wir einen Wert von drei Millionen an, darf also 100.000 Euro bezahlen, 5.000 Euro in 20 Raten.

    Dazu kommt noch die Vermögenssteuer:

    “DIE LINKE fordert eine Vermögensteuer, die Vermögen oberhalb von einer Million Euro mit 5 % belastet.”

    In unserem Beispiel sind das dann 100.000 Euro pro Jahr für den Hauseigentümer in München. Da muss man schon ziemlich viel Nach-Steuereinkommen haben, nur um die Vermögenssteuer und Abgabe von jährlich 50.000 Euro zu bezahlen.

    Hinzu kommt, dass eine solche Besteuerung einen erheblich negativen Effekt auf die Vermögenspreise haben dürfte. Das klingt zunächst unproblematisch, sicherlich aus Sicht der LINKEN, aber es hat Wirkungen auf das gesamte Finanzsystem.

    Und vor allem viel Vor-Steuereinkommen, denn die Lücke zwischen Brutto und Netto wächst erheblich. Wir hatten bereits den Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze und die Einbeziehung aller Einkommensarten, verbunden mit einer Pflichtversicherung für alle. Doch auch die Steuern steigen:

    “Höhere Einkommen wollen wir stärker besteuern. Ab 70.000 Euro zu versteuerndem Einkommen im Jahr beträgt der Steuersatz 53 Prozent.(…) Wir sehen zwei Stufen einer gesonderten Reichensteuer vor: 60 Prozent ab der aktuellen Reichensteuergrenze von 260.533 Euro und 75 Prozent für Einkommen oberhalb von einer Million Euro zu versteuerndem Einkommen. DIE LINKE will den Solidaritätszuschlag für hohe Einkommen erhalten.”

    Auch das kann nicht wundern, zieht sich doch durch das Programm ein zentraler Gedanke: Kampf den „Reichen“.

    Vermutlich ahnt auch DIE LINKE, dass selbst diese Maßnahmen angesichts der angedachten Ausgabenprogramme und dem zu erwartenden Effekt auf die Steuerbasis nicht durch Umverteilung zu finanzieren sind. Selbst wenn man die reichsten 45 Familien enteignet, langt es nicht einmal zur Finanzierung des Bundeshaushalts für ein Jahr. Auch die geforderte Finanztransaktionssteuer ist nur theoretisch relevant. Dann wird eben woanders gehandelt.

    Deshalb:

    “Die Schuldenbremse ist volkswirtschaftliche unsinnig und gehört abgeschafft.”

    Bekanntlich bin ich kein Fan der Schuldenbremse. Ich sehe aber die dringende Notwendigkeit, das Geld sinnvoll zu verwenden. Zur Sicherung des künftigen Wohlstands ist es richtig, Staatsschulden als Instrument zu nutzen. Für das Programm, wie wir es hier diskutiert haben, sicherlich nicht.

    Note 1, wenn es darum geht, ehrlich zu sein. Note 6, wenn man bedenkt, dass es ein Programm zur Wohlstandsvernichtung ist. Genau das Gegenteil von dem, was wir dringend brauchen.

    Fazit

    DIE LINKE träumt von einer reicheren Version der DDR, allerdings mit offenen Grenzen. Enttäuschend fand ich das intellektuelle Niveau. Sind doch normalerweise die Vertreter linker Ideen die spannendsten Gesprächspartner. Hier gewinnt man jedoch den Eindruck, es handelt sich um Menschen, deren einziges verbindendes Element die Abneigung gegen alle jene eint, die mehr haben als sie selbst. Neid ist ein starkes Gefühl, aber für mich ein unzureichendes Wahlargument.

    Was mir gefallen hat

    Das Programm wimmelt von vielen konkreten Ideen. In Bezug auf die Ideenvielfalt ist DIE LINKE am nahesten dran an der FDP, die hier, nachdem ich vier von sechs Programmen gelesen habe, den ersten Platz einnimmt. Was mir auch gefällt: Es ist ehrlich.