„Wer kauft Anleihen, für die man draufzahlt?“

Verschiedentlich habe ich über den Trend zu Negativzinsen und die dahinter liegenden Ursachen geschrieben. Umso mehr wundert mich, welche Erklärungen man zuweilen aufgetischt bekommt.  Doch zunächst die Fakten und die nicht so tolle Erklärung und dann die Erinnerung an die eigentlichen Ursachen:

  • „Mittlerweile weisen laut Bloomberg europäische Staatsanleihen im Wert von mehr als 2 Billionen Euro eine negative Rendite auf. Etwa ein Drittel aller Anleihen im Europäischen Staatsanleihen-Index sei damit negativ – deutlich mehr als noch im Oktober.“ – bto: Es ist natürlich von Nominalrendite die Rede. Sollte es zu einer Deflation kommen, wären diese Anleihen gar nicht so schlecht. Wie wir wissen, ist eine deflationäre Entwicklung nicht sicher, aber angesichts der Schuldenprobleme der Welt und gerade auch Chinas nicht ausgeschlossen. Deshalb,  möglicher Grund Nummer 1: Absicherung gegen Deflation.
  • „Wer hält eigentlich solche Anleihen mit einer negativen Rendite – bei denen man als Anleger Geld damit verliert, dass man sein Geld für einige Zeit einem Staat zur Verfügung stellt?“ – bto: berechtigte Frage. Außer dem ersten Grund gibt es noch weitere.
  • „Auf der einen Seite institutionelle Anleger aller Art, die aus irgendwelchen Gründen gezwungen sind, in solche Anleihen zu investieren.“ – bto: Damit haben wir Grund 2: die staatlich verordnete Enteignung der Sparer, „financial repression“ genannt.
  • „(…) auf der anderen Seite eher spekulative Anleger, die trotz des hohen Kursniveaus solcher Anleihen noch auf Kursgewinne setzen.“ – bto: Nummer 3: Spekulation.
  • „Möglichkeiten, wo man sicher große Beträge ohne Risiko und ohne Strafzins parken könne, würden rar. ‚Es gibt wenig Alternativen für Banken und große Investoren, um große Beträge in hochliquide Mittel für eine gewisse Zeit ohne große Verlustgefahr anzulegen.‘“ – bto: Dabei hebt die F.A.Z. auf die Gefahr von Kursverlusten (Nummer 4) ab. Ich würde die Gefahr von Gläubigerbeteiligung bei Bankensanierungen mit erwähnen (Grund Nummer 5).
  • Dann wird es theoretischer (und damit fragwürdiger): „Kann es sein, dass solche negativen Zinsen auch der Ausdruck von sich verändernden Zeitpräferenzen der Menschen sind? Zugespitzt formuliert: Kann es passieren, dass die Menschen in alternden Industriegesellschaften so viel Wert auf eine sichere Altersvorsorge legen, dass ihnen irgendwann ein Euro in der Zukunft mehr wert ist als ein Euro in der Gegenwart – und sie aus diesem Grund bereit sind, für den sicheren Transfer von Geld von heute in die Zukunft negative Zinsen zu zahlen?“ – bto: Damit hätten wir Grund Nummer 6. Das muss man sich aber mal überlegen! „Sicherer Transfer“ in Staatsanleihen! Von Portugal! Das Einzige, das hier sicher ist, ist der Verlust, vor allem mit Blick auf die Rente. Wer glaubt ernsthaft, dass immer weiter steigende Schulden bedient werden?? „Joachim Fels, ökonomischer Berater von Pimco, geht aber davon aus. ‚Ich glaube in der Tat, dass viele Menschen in reichen Volkswirtschaften, in denen die Grundbedürfnisse abgedeckt sind, mittlerweile eine negative Zeitpräferenz haben.‘ Mit anderen Worten, die Menschen schätzten den zukünftigen Konsum im Ruhestand höher als den jetzigen. ‚Ich halte es deshalb nicht nur für möglich, sondern wahrscheinlich, das negative Zinsen eine Folge einer geänderten Zeitpräferenz sind.‘“

Tja. Ich halte von dem letzten Punkt recht wenig. Ich denke, es bleibt bei dem Kerngrund für die tiefen Zinsen: Zu tiefe Zinsen in der Vergangenheit machen noch tiefere Zinsen heute erforderlich, die wiederum nochmals tiefere Zinsen morgen bedingen. Geld muss immer billiger und immer großzügiger in das System gepumpt werden.

Deshalb lesen:

→ „Warum die Fed in der Abwärtsspirale gefangen ist – und wir gleich mit“
→ „Wer auf ewig tiefe Zinsen setzt, lebt gefährlich“
→ „Tiefe Zinsen bis der Ketchup spritzt“

Und hier der Link zur F.A.Z.:

→ F.A.Z.: „Wer kauft Anleihen, für die man draufzahlt?“, 24. November 2015