Vom Blödsinn der European Safe Bonds
Ausführlich habe ich mich mit den recht sinnlosen Vorschlägen der deutschen und französischen Ökonomen zur „Stabilisierung“ der Eurozone beschäftigt.
→ Ökonomenvorschlag zur „Rettung“ des Euros: von der Lösung eines Problems, ohne das Problem zu lösen
Dabei wurde klar, dass es sich um Ideen handelt, die, selbst wenn sie umgesetzt würden, nichts brächten und die vermutlich nur dazu dienen, der deutschen Politik eine Argumentationshilfe zu liefern, weitere Milliarden nach Europa und vor allem an die Krisenländer zu überweisen. Angeblich im eigenen Interesse.
Eine der Komponenten für die Stabilisierung sollen sogenannte European Safe Bonds sein, die ich bereits in meiner oben zitierten Kritik verwarf. Hier ergänzend die fast schon beißende Kritik von Wolfgang Münchau an den wirklichkeitsfremden Ideen in der FT: “Here is a recipe for disaster. You start off by taking the two most toxic financial instruments of the past 20 years, and then merge them.”
- “The first is the collateralised debt obligation, the complex instrument at the heart of the US subprime crisis a decade ago. The financial sector created a housing boom through a relaxation of lending standards, transformed the mortgages into complex CDOs, and then sold them off to unsuspecting investors.” – bto: weil man nämlich Papiere höchst unterschiedlicher Qualität zu einem neuen Paket schnürte und als angeblich risikofreier darstellte, als die Bestandteile. So wäre es auch hier.
- “Next, you take (…) a sovereign bond from a eurozone country. They are actually risky assets because eurozone countries issue sovereign debt but no longer have their own autonomous central bank as a buyer of last resort. This is why the eurozone debt markets are inherently more crisis-prone than those of countries with an independent monetary policy.” – bto: Auch das ist klar. Wobei wir am Beispiel Irlands (und auch Griechenlands) gesehen haben, dass nationale Notenbanken sehr wohl Euro schaffen können, so sie denn wollen. Auch zur Finanzierung des Staates. Am eklatantesten war das in Irland der Fall.
- “As a next step, you mix these two very different instruments according to the following instructions: you take government bonds of all or some of the eurozone members and turn them into a CDO. You call them European Safe Bonds — or ESBies.” – bto: Aus Mist wird so Gold gemacht. Und die Erwartung ist, dass die Deutschen dann mitgehen, haften sie doch nicht offiziell …
- “The high ratings they used to give to CDOs were based on a misjudgment, deliberate or otherwise, on the nature of the risk. A single housing loan can always go bad. In good times, such a risk can be neutralised. But if the entire housing market crashes, many loans go bad at the same time. Risk correlation was also a big problem for sovereign bonds during the eurozone crisis. The two situations are therefore comparable.” – bto: Es gibt nämlich keinen neutralisierenden Portfolio-Effekt. So einfach ist das.
- “Standard & Poor’s said last year that it would rate ESBies in the lower half of the investment-grade spectrum. One would have assumed that alone would have killed the idea. But a version of the ESBies has made a surprise comeback in a recent paper by a group of French and German economists, (…). One gets the sense that the authors’ knowledge of the academic financial market literature exceeds their knowledge of the reality of financial markets.” – bto: Egal, Hauptsache sie können der Politik dienen, egal, wie blödsinnig die Vorschläge sind!
- “ESBies have another, more serious problem. They cannot take over the collateral function of ordinary government bonds. (…) Safe assets are used as collateral in so-called repurchase agreements, or repos, one of the largest sections of the money market. From a purely financial perspective, the eurozone crisis started with a realisation among investors that the bonds of the peripheral eurozone countries were not safe. The crisis ended when Mario Draghi, president of the European Central Bank, gave an unlimited pledge to buy ‚whatever it takes‘.” – bto: Erst mit diesem Versprechen wurden die Anleihen sicher, in dem Sinne, dass sie nicht ausfallen können, weil die EZB sie garantiert.
- “As a byproduct of the ECB asset purchase programme, the eurozone gained a safe asset in virtual form. As of the end of January, the ECB held €2.3tn in assets from its purchases of government bonds. (…) as long as the ECB maintains the existing stock, the eurozone already has a rock-solid, albeit synthetic, eurobond. The bonds held by the ECB constitute an available pool of assets to be used as collateral for repos. To avoid a potential collateral squeeze, the ECB has become the critical player in maintaining an orderly repo market.” – bto: Was im Klartext bedeutet, die Marktteilnehmer können sich immer mit Papieren, die (auch) die EZB hält und auch zur Verfügung stellt, absichern. Dies aus der Tatsache heraus, dass die EZB diese hält.
- “If the ECB were to (…) wind down the actual stock of government bonds, the eurozone would then have to rely on national bonds or synthetic ESBies for financial stability. Good luck with that! Not much harm would be done if the eurozone states created ESBies as some kind of public relations exercise, as a token symbol of their togetherness. This is all fine for as long as the ECB does the heavy lifting.” – bto: eben, weil diese angeblichen “safe assets” nicht safe wären. Es genügt, dass die Ratingagenturen schon jetzt sagen, dass sie entsprechend kritisch darauf blicken.
bto: “Aus Mist wird so Gold gemacht. Und die Erwartung ist, dass die Deutschen dann mitgehen, haften sie doch nicht offiziell”
Inzwischen denke ich, dass in der deutschen Politik nicht viele sind, die die Komplexität dieser Konstrukte und ihre Tragweite verstehe (ich tue es übrigens auch nicht in vollem Umfang). Das Schlimme ist, dass es in weiten Teilen der deutschen Politik keine kritische Distanz zu diesen Ideen gibt. Das eigene Nicht- oder Halbwissen trägt da dann auch seinen Teil zu bei.
bto: “Dabei wurde klar, dass es sich um Ideen handelt, die, selbst wenn sie umgesetzt würden, nichts brächten und die vermutlich nur dazu dienen, der deutschen Politik eine Argumentationshilfe zu liefern, weitere Milliarden nach Europa und vor allem an die Krisenländer zu überweisen. Angeblich im eigenen Interesse.”
Ja, so ist es und ich bin mir ziemlich sicher, dass diese “sicheren Bonds” kommen werden. Halt, weil sie gewollt werden…
Mehr zu Irland & Co gibt es in dieser Doku bei ARTE: https://youtu.be/HrptpTTs3oM
LG Michael Stöcker
Ich sehe die Thematik ein wenig differenzierter. Staatsanleihen sind in einem Kreditgeldsystem die Hauptrefinanzierungsquelle für Geschäftsbanken. Für einen einheitlichen europäischen Geldmarkt benötigen wir also auch eine qualitativ einheitliche Refinanzierungsmöglichkeit. ESBies sind eine gute Möglichkeit, dies zu realisieren. Nur solche ESBies dürfen dann zukünftig abschlagfrei von der EZB als Kollateral anerkannt werden. Die Höhe der ESBies sollte 60 % des BIP nicht überschreiten (Maastricht Kriterium).
Alle weiteren Refinanzierungsmöglichkeiten müssten aber dann zukünftig über einen Interzentralbankenmarkt abgewickelt werden, damit sich schon dort die Zinsen nach der Bonität ausspreizen können. Für die ESBies gilt also weiterhin das zweistufige Geldsystem, alle weiteren Refinanzierungen würden auf einer darüber liegenden Stufe erfolgen. Damit sollten sich dann zukünftig auch die TARGET-Salden wieder sukzessive auf ein verträgliches Maß hin zurück bilden.
Insofern sind ESBies eine gute Idee, allerdings nur dann, wenn wir zeitgleich ein dreistufiges Geldsystem einführen. Das Problem dabei: Die übergroße Mehrheit hat noch nicht einmal verstanden, wie ein zweistufiges Geldsystem funktioniert.
„Wobei wir am Beispiel Irlands (und auch Griechenlands) gesehen haben, dass nationale Notenbanken sehr wohl Euro schaffen können, so sie denn wollen.“
Das ist korrekt, wurde aber auf Druck von Deutschland so vollstreckt. Man könnte auch von germanischer Erpressung sprechen, weil ansonsten das deutsche Bankensystem kollabiert wäre: https://youtu.be/pnG0bq77N8w
LG Michael Stöcker
Die Einheitswährung Euro ist ein Fehler und gehört schleunigst rückabgewickelt.
So einfach ist das.
Selbst das wirtschaftsstarke Deutschland kennt strukturschwache Gebiete:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/deutschland-ein-geteiltes-land-15456747.html
Über die Einheitswährung Euro nahm man den wirtschaftlich noch unterschiedlicheren Ländern Europas das Anpassungsinstrument des Wechselkurses.
Im Wirtschaftsleben bringen unbedacht zusammengekaufte Konglomerate vergleichbar keinen Mehrwert.
Also nicht den Weg in das absehbare Verderben ähnlich wie in Japan weitergehen, wo die Notenbank die Staatsanleihen für die ungedeckten sozialen Lasten direkt aufkauft.