Schuldenschnitt für Portugal
Dieser Beitrag erschien zum ersten Mal am 10. Januar 2014 bei bto. Heute Morgen habe ich bereits gezeigt, wie schlecht es um einige Länder der Eurozone steht. Hier deshalb der Blick auf Portugal, wo sich seit 2014 nicht viel zum Positiven geändert hat: Die Linksregierung hat eine Bankenrettung mit ungleicher Gläubigerbeteiligung durchgezogen. Letztere sind jetzt vor Gericht. Die Schulden sind noch höher als 2014 und nur dank der EZB ist das Land nicht pleite.
Abgesehen davon, dass ich Irland nach wie vor für heillos überschuldet halte, gibt es auch bei Portugal gute Gründe, an den offiziellen Verlautbarungen zu zweifeln. Ein Hedgefund ist sogar so weit gegangen, eine eigene Webpage einzurichten, auf der man eine Präsentation zur Lage Portugals ansehen und herunterladen kann. Die Kernaussagen sind ernüchternd:
- Portugal wird nicht in der Lage sein, den Anstieg der Schulden zu bremsen. Eine Reduktion der Schuldenquote in 2014 ist illusorisch.
- In Portugal sind alle drei Sektoren, Staat, Unternehmen und private Haushalte überschuldet. Die Verschuldung besteht überwiegend gegenüber dem Ausland. Diese Schulden können weder durch Inflation entwertet werden, noch kann Portugal aus den Schulden herauswachsen.
- Bei einem Leistungsbilanzüberschuss von 0,9 Prozent vom BIP (Wert 2013) dauert es 128 Jahre, um die Nettoauslandsverschuldung auf null zu bringen.
- Die Staatsschulden wachsen weiter um circa ein Prozent pro Monat. Weder über Steuererhöhungen noch über Ausgabenkürzungen kann Portugal diesen Anstieg bremsen. Folge wäre eine weitere Verschärfung der Krise.
- Mindestens 30 Prozent der Staatsschulden müssen abgeschrieben werden, um einen nachhaltigen Schuldenstand zu erreichen.
- Portugal wird bereits jetzt sehr großzügig von den anderen europäischen Ländern unterstützt: 70 Milliarden Verbindlichkeiten aus Target2 (also faktisch gegenüber der Bundesbank), 44 Milliarden langfristiger Finanzierungskredit der EZB an die Banken (entspricht 9 Prozent der Verbindlichkeiten der Banken), 23 Milliarden direkte Staatsanleihenkäufe der EZB (entspricht elf Prozent der Staatsschulden), 47 Milliarden Rettungskredite von den europäischen Partnern (entspricht 22 Prozent der Staatsschulden), zusätzlich noch Zinssubventionen und Darlehen des IWF (zwölf Prozent der Staatsschulden).
- Profitiert von diesen Maßnahmen haben vor allem Investoren und Spekulanten, während die Anpassungslast einseitig bei der Bevölkerung lag.
- Das Land steht vor enormen strukturellen Herausforderungen: tiefste Geburtenrate der Eurozone, Abwanderung der Jugend, geringstes Qualifikationsniveau der Bevölkerung, langjährige Unterinvestition. Folge: geringes Wachstumspotenzial.
Die einzige realistische Option, die Portugal hat, ist die einer Schuldenrestrukturierung. Die Hedgefund-Manager fokussieren dabei auf die Beteiligung der privaten Gläubiger, wie in Griechenland geschehen. Vermutlich dürfte das aber wie in Griechenland nicht genügen. Das Land braucht eine deutlich stärkere Schuldenentlastung, und angesichts der fehlenden strukturellen Wettbewerbsfähigkeit, ist die Frage der Zugehörigkeit zur Eurozone offen zu diskutieren.
Aus aktuellem Anlass – Portugal – zu Häring, der hier vor einiger Zeit im Zusammenhang mit der Abschaffung von Bargeldnoten in Indien kontrovers diskutiert wurde.
Häring am 23.05.2016 in seinem Blog, hier
http://norberthaering.de/de/27-german/news/619-praet-portugal
zu einem Interview, das der Chefvolkswirt der EZB der portugiesischen Zeitung „Publico“ gegeben hatte:
„Peter Praet sagte der Zeitung, die Regierung dürfe die Warnsignale des Marktes nicht ignorieren. “Portugal sollte diese Botschaft nicht vergessen: Die Marktdisziplin ist noch da”, sagte er. Die Anleiheinvestoren seien in Sorge. Der Regierung in Lissabon müsse klar sein, dass die Europäische Zentralbank nur Papiere mit vergleichsweise geringer Ausfallwahrscheinlichkeit kaufe. Es könne zwar Ausnahmeregelungen geben. Aber dazu müsse das entsprechende Land an einem Rettungsprogramm teilnehmen. “Hier gibt es keine Unklarheit”, sagte er. „
Häring wertete dies so:
„Wenn die EZB Zweifel an ihrer Bereitschaft befördert, weiter portugiesische Anleihen zu kaufen, geht die Rendite nach oben. Das kostet die Regierung viel Geld, das sie nicht hat. Das verstärkt die Sorgen der Anleger und treibt die Renditen weiter nach oben, so lange, bis die Rating-Agenturen die Anleihen auf Ramschstatus herabstufen und die EZB ihre vermeintlich objektive – tatsächlich aber selbst herbeigeführte – Begründung hat, die unbotmäßige linke Regierung bei ihrem Anleihekaufprogramm zu boykottieren.“
Nach Häring ist die Logik der EZB, nicht zu erpressen:
Die Portugiesen Schulden machen lassen, Klappe halten und deren Staatsanleihen kaufen, egal, ob das die Richtlinien erlauben oder nicht.
Häring erledigt sich damit selbst als ernst zu nehmender Kommentator.