Rechnen ist eine Kern­kom­petenz für Wohl­stand

Mehrfach war der Niedergang des deutschen Bildungswesens Thema bei bto:

→ Berliner Bildungspolitik als Menetekel für den Niedergang des Standorts

→ Zum Niedergang des Bildungswesens

→ Der Verfall des deutschen Bildungswesens in Zahlen

→ Demografie, Bildung und gescheiterte Zuwanderung ruinieren Deutschland und Europa

Heute zur Erinnerung eine kleine Notiz zum Thema “rechnen können” ein Interview mit dem Mathematikprofessor Oliver Ernst, Leiter des Arbeitskreises Schulmathematik der sächsischen Unis:

  • “An den Hochschulen beobachten wir schon länger, dass die mathematischen Fähigkeiten der Abiturienten abnehmen. (…) Und das gilt nicht nur für das Mathematikstudium, das uns besonders am Herzen liegt, sondern für alle Studienfächer, die auf Mathematik aufbauen. Das Kind ist also längst in den Brunnen gefallen. Und es gibt keine schöne Lösung. Klar, die Schüler freuen sich über die Verbesserung ihrer Noten. Aber dem voraus gingen eine Reihe von Fehlentwicklungen.” – bto: Es ist halt das Senken von Standards, um Menge zu schaffen.
  • “Insbesondere die Gestaltung der Abituraufgaben macht uns zunehmend Sorgen. (…) Da liegt seit einigen Jahren etwas im Trend, das wir Scheinmodellierung nennen. Modellierung bedeutet die Anwendung mathematischer Techniken in der Welt. Bei der Scheinmodellierung wird das umgedreht. Man nimmt ein mathematisches Problem und konstruiert darum herum eine erfundene Anwendung, die von der eigentlichen Mathematik wegführt. (…) Wir plädieren dafür, dass in der Mathematik Aufgaben im Mittelpunkt stehen, die den kreativen, analytischen Verstand schärfen.” – bto: Das leuchtet ein. Denn letztlich geht es um das analytische Denken, das geschult werden sollte.
  • “Die Anwendung der Taschenrechner. Die Schulen entscheiden, welche verwendet werden: grafische Taschenrechner (GTR) oder Computer-Algebra-Systeme (CAS), die Formeln umrechnen und Terme umformen können. Letztere verhindern, dass sich Schüler essenzielle mathematische Fähigkeiten aneignen. Noch wichtiger: Die Existenz zweier Systeme macht es extrem schwierig, für beide Schülergruppen faire Abituraufgaben zu gestalten.” – bto: Und das muss man sich vorstellen. Wir reden hier von Sachsen, dem Land mit den höchsten Standards in Deutschland.
  • “Wir hören ja immer, dass Sachsen bei den Vergleichstests so glänzend dasteht. Das mag sein. Es mag auch sein, dass es anderswo noch schlimmer ist. Wir erkennen aber deutliche Probleme auch bei sächsischen Absolventen. Und dabei leben wir im Hochtechnologieland Deutschland davon, dass die Schulbildung zu einem Studium befähigt.” – bto: So ist es. Und zwar zu einem relevanten Studium, also was Nutzbringendes.
  • “In anderen Ländern ist das auch nicht so negativ wie bei uns, etwa in Großbritannien. Da brüstet sich aber auch kein Politiker damit, in Mathe schlecht gewesen zu sein. Das ist eine Kultur, die überwunden werden muss. Wir müssen unbedingt zu einem positiven und entkrampften Verhältnis zur Mathematik zurückfinden. (…) Und wir wären schon froh, wenn wir bei den Absolventen den Stand von vor zehn Jahren hätten.” – bto: Oh man, klarer kann man nicht zeigen, wie grundlegend es bei uns falsch läuft.

→ freiepresse.de: “Mathematische Fähigkeiten nehmen immer mehr ab”, 29. Juni 2013