Die EZB sollte den Banken die faulen Kredite abkaufen
Im Rahmen einer Veranstaltung habe ich vor einigen Tagen Professor Richard Werner kennengelernt. Er lehrt derzeit an der University of Southampton und ist Autor vieler Veröffentlichungen zur Geldpolitik und zum internationalen Banking. Er arbeitete lange Jahre in Japan und gilt als Erfinder des „Quantitative Easing“.
In einem Gespräch mit der F.A.Z. hat er schon 2014 seine Thesen dargelegt, die – wie ich finde – nichts von ihrer Aktualität verloren haben:
- Die EZB „hätte schon vor zwei Jahren aktiv werden müssen und gezielt die schlechten Kredite kaufen. Stattdessen haben wir mit vielen Milliarden Steuergeld die Banken gerettet, was ziemlich absurd gewesen ist. Der Weg über die Zentralbank wäre viel günstiger gewesen und ist es noch. (…) Besser wäre es, die Notenbank kaufte je nach Bank ganz spezifisch die schlechten Kredite auf. Das wäre wirkungsvoller und würde die Institute schneller wieder gesund machen. Und zwar sollte sie womöglich auch zum Nominalwert kaufen, das würde den Instituten am meisten helfen.“ – bto: Das, so finde ich, ist ein sehr interessanter Gedanke. Ich selbst habe 2010 – damals noch bei BCG – vorgeschlagen, dass die US-Notenbank den Immobilienbesitzern eine Verkaufsoption zum Einstandspreis einräumt. Die Krise wäre sofort zu Ende gewesen und die Kosten würden auch hier viel geringer.
- „Wenn Banken vom Staat saniert werden, wie dies bei der Commerzbank und anderen Banken passiert ist, dann zahlen wir Steuerzahler. Wenn es die Zentralbank tut, dann nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie hierbei zur Kasse gebeten werden, ist praktisch null. Dafür gibt es mehrere Gründe.“
- „Erstens muss die Notenbank nicht so bilanzieren wie eine Geschäftsbank. Sie kann Wertpapiere lange, auch bis zum Laufzeitende in nicht selten vielen Jahren, zum Nominalwert bilanzieren. (…) Zweitens bedeutet eine Abschreibung auf ein Wertpapier noch lange nicht, dass die Notenbank insgesamt einen Verlust erzielt. Dafür sind ihre gesamten Wertpapiergeschäfte maßgeblich, von denen jede Zentralbank kontinuierlich viele durchführt. Und drittens bedeutet sogar ein Zentralbank-Verlust nicht, dass irgendein Steuerzahler zur Kasse gebeten würde. Da müsste schon das ganze Eigenkapital aufgezehrt sein und selbst dann ist die Sache nicht klar. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass die Aufgabe der Zentralbanken es nicht ist, Profite zu erwirtschaften – das wäre zu einfach: Dann brauchte sie nur Geld zu drucken. Wenn sie eine Lizenz zum Gelddrucken hätten, könnten sie auch leicht Gewinne produzieren. Aus demselben Grund sind theoretisch buchbare Verluste von Zentralbanken keine echten Verluste.“ – bto: Deshalb auch die Idee von Adair Turner und anderen, die Staatschulden in der Bilanz der Notenbank einfach zu annullieren.
- Natürlich ist das keine konservative Geschäftspolitik. Aber: „Leider geht es hier nun um eine Zentralbank, welche diese guten Vorsätze bereits vor zehn Jahren in den Wind schrieb, und 30 Prozent Kreditwachstum in Irland, Portugal, Spanien und Griechenland über Jahre zuließ – also keine konservative Zentralbank. Und da muss man manchmal robustere Methoden anwenden, um derartig schwerwiegende – obwohl absehbare – Fehler auszumerzen.“ – bto: Klarer kann man es nicht auf den Punkt bringen.
- Der Vorteil für die Banken ist klar: „Es würde ihnen einen Gewinn bringen, den sie einsetzen könnten, um ihre Kapitalbasis zu stärken. Die Banken würden saniert werden ohne Verwendung von Steuergeldern, und sie könnten dann wieder Kredite für produktive Zwecke, insbesondere an kleine und mittelständische Unternehmen, vergeben. Im Gegenzug würden ihnen Auflagen gemacht für ihre Kreditvergabe.“ – bto: Werner verbindet es mit einem Systemwechsel, was ein enormer weiterer Vorteil gegenüber der heutigen Politik wäre.
- „Sie muss akzeptieren, dass die EZB erstens ihre Geschäfte überwacht und zweitens bereit sein, ihr Gebaren auf die elementare Aufgabe zu konzentrieren, die Banken in einer Marktwirtschaft haben. Die Bereitstellung von Krediten für Investitionen.“ – bto: Damit kämen wir weg vom kurzfristigen Doping und würden nebenher auch die Vermögenswerte wieder auf ein normales Niveau bringen.
- „Sie würden keine Kredite mehr vergeben etwa für den dann gehebelten Kauf von Wertpapieren und auch nicht für Konsumzwecke, denn beides steigert am Ende nicht unsere reale Wirtschaftsleistung.“ – bto: Bingo!
- „Durch diese Kreditlenkungspolitik erzielte Japan sein Wirtschaftswunder, wurde die kleine Insel Taiwan ein Wirtschaftsgigant, eroberte Korea die Weltmärkte und wurde China schließlich eine globale Wirtschaftsmacht, die der USA den Rang abläuft.“– bto: O. k., heute wissen wir, dass auch in China ein guter Teil der Kredite unproduktiv war. Dennoch ein richtiger Gedanke.
→ F.A.Z.: Ökonomen im Gespräch (8): „Richard Werner über die Kreditkäufe der EZB“, 15. Oktober 2014
Mittlerweile wissen wir auch, dass der EZB ohnehin nichts anderes übrig bleiben wird, Anleihen schlechterer Qualität aufzukaufen, weil es sonst schwierig wird, etwas zu kaufen. Die Bank of America hat nachgerechnet:
Dann doch lieber gleich den Banken den Müll abkaufen?
→ Zero Hedge: „BofA Explains Why The ECB Will Be Forced To Buy Junk Bonds“, 22. März 2016