Das verlogene Jammern

Die Politiker führen die Öffentlichkeit seit Jahren in die Irre. Damit meine ich nur die unsägliche Vermischung von wirtschaftsfördernder Zuwanderung qualifizierter Menschen mit der ungesteuerten Zuwanderung der letzten zwei Jahre. Ich denke vielmehr an die Wirkungen des Euro und die Konsequenzen für den Wohlstand Deutschlands.

Zum einen wird immer wieder betont, wir seien die wahren Nutznießer des Euro. Nur dank des Euro könnten wir so viel exportieren. Doch wem nutzen die Exporte eigentlich, wenn wir als Gegenleistung für unsere Autos wertlose und unverzinste Forderungen aufbauen? Siehe die Target2-Diskussion von gestern bei bto. Dennoch kann Wirtschaftsminister Gabriel ungestört die These wieder verbreiten und daraus ableiten, wir sollten uns dafür solidarisch zeigen. Bekanntlich denke ich das auch, aber nur, weil ich anerkenne, dass unsere Forderungen ohnehin schon verloren sind.

Dass wir in Wirklichkeit nicht die Gewinner des Euro sind, habe ich hier schon vor langer Zeit erläutert:

→ „Zehn Gründe, warum wir die Verlierer des Euro sind“

Wie dumm unsere Exportfixierung ist, lesen Sie an dieser Stelle:

→ „Der Irrsinn der Doppel-Null“.

Und was die deutschen Politiker wirklich machen müssten, wenn sie es ernst meinten mit dem Wunsch nach mehr Zinsen für die deutschen Sparer, steht hier:

→ „Negativzins: Handeln statt Jammern!“

Angesichts des Anstiegs der Inflation ist die Empörung wieder groß. Zwar denke ich, dass es sich nur um eine temporäre Erhöhung handelt, dennoch gibt es wieder mal Anlass zu lauten Protesten, denen aber keine Taten folgen werden. Unsere Politiker wissen nur zu genau, dass es zwar eine Alternative zur jetzigen EZB- Politik gibt, diese aber das Ende des Euro und massive Verluste für deutsche Sparer bedeuten würde. Diese sind zwar schon da, aber die Illusion soll möglichst lange aufrechterhalten bleiben. Mindestens bis nach der Bundestagswahl. Umso witziger ist es dann in der englischen Presse zu lesen, wie deutsche Volkswirte die Politik der EZB kritisieren. Dabei trifft die Kritik zu. Was allerdings fehlt, ist eine klare Aussage zur Alternative. Nur der von mir sehr geschätzte Stefan Kooths nennt sie beim Namen: “Prof Kooths said the EU authorities must bite the bullet and accept a tremendous restructuring crisis rather than trying to kick the can down the road. All we are doing now with easy credit is keeping alive firms that should go bankrupt. It feeds into the ‘zombification’ of Europe, he said”. Tja. Wie richtig! Nur welcher Politiker nimmt freiwillig eine unglaubliche Krise in Kauf?

Schauen wir uns die Highlights des Beitrages an:

  • The ECB wants to inflate away the debt of the southern European countries. This is a clear conflict of interest with net creditors like Germany, said Clemens Fuest, president of the IFO Institute in Munich.” bto: Natürlich will sie das, und zwar schon seit mehr als fünf Jahren! Wäre es da nicht besser, wenn das IFO statt das deutsche Wirtschaftsmodell zu loben dafür werben würde weniger Außenhandelsüberschüsse anzuhäufen und damit Forderungen an diejenigen, die sich die Schulden nicht leisten können? Und was würde Herr Fuest denn den Schuldnern raten, was sie sonst tun sollen. Denn eines ist klar. Die Gläubiger erleiden so oder so Verluste.
  • Professor Clemens said the politics are poisonous because the ECB’s majority bloc is openly sweeping aside German objections. This plays into the hands of the eurosceptic Alternative fur Deutschland (Afd), while the ruling Christian Democrats are toughening their line to stop a leakage of votes.” bto: Ich denke nicht, dass die AfD davon profitiert. NOCH nicht. Denn die Folgen der verfehlten Euro-“Rettungs”-Politik sind den meisten Deutschen noch gar nicht präsent. Das wird sich ändern, sobald wir richtige Verluste realisieren, zum Beispiel, wenn Italien austritt.
  • The UBS bubble index shows that Munich is now the fifth most expensive housing market in the world, with prices that have increasingly lost touch with economic fundamentals.” bto: was übrigens ein Zeichen für die Angst der Leute um ihr Geld ist. Denn viel wird cash gekauft, nicht auf Kredit.
  • Prof Kooths said the ECB has crossed the line of legitimacy and should halt QE immediately. We no longer consider the actions of the ECB to be monetary policy. Seven years ago, in the eye of the storm, the eurozone was facing a liquidity crunch but nobody can say there is a liquidity shortage now, he said.” bto: Nein, das kann man wahrlich nicht behaupten!
  • The problem is that the weak euro amounts to stimulus on steroids for Germany’s export economy. Capacity usage in industry has reached 85.7pc. The Bundesbank warns of mounting labour market bottlenecks. The Verdi labour union is pushing for a 6pc pay rise this year.” bto: So, nun muss man das durchdenken. Wir haben eine künstlich geschwächte Währung, die unsere Exporte inner- und außerhalb des Euroraums massiv erleichtert. Diese Exporte führen zu massiven Überschüssen und damit dem Aufbau von weitgehend wertlosen Forderungen. Zugleich steigern wir die Löhne, was kein Problem ist, haben wir doch ein Wechselkursdoping. Dann platzt die Blase: Der Euro zerfällt, die neue DM oder der Rest-Euro (je nach Betrachtung) geht durch die Decke, unsere Kapitalsammelstellen verlieren massiv unsere Ersparnisse und die Exporte kollabieren und die Kosten sind dann viel zu hoch. Ja, so kann man ein Land effektiv ruinieren.
  • The ECB is trying to reinflate Germany. It is exactly what they want. It is their plan. The question is whether the German people will accept it, said Hans-Werner Sinn, emeritus professor at Munich University.Prof Sinn estimates that it would require inflation averaging 4.5pc in Germany and zero in southern Europe for ten years to rebalance monetary union – an implausible outcome in every respect.” bto: Diese Berechnung hat Sinn schon 2012 vorgelegt. Damals wie heute völlig illusorisch! Nur: Was bedeutet dies letztlich? Nichts anderes, als dass eine Anpassung über interne Ab- und Aufwertung nicht funktionieren kann. Doch was dann? Eben. Der zwangsläufig eines Tages eintretende Verfall.

bto: Je später dieser Tag eintritt, desto teurer für die Gläubiger. Wiederum eine Meisterleistung unserer Politik. Wobei unsere Volkswirte auch eine Mitschuld tragen. Sie haben keine Vorschläge unterbreitet, was zu tun wäre. Ein einfacher Euro-Austritt ist politisch nicht vermittelbar. Der Schuldentilgungsfonds des Sachverständigenrates war ein guter Ansatz. Wie ich an anderer Stelle beschrieben habe, müsste er um die privaten Schulden entsprechend erweitert werden.

→ Kommentar in der SZ: „Ohne Verluste geht es nicht“

Doch nach der nicht überraschenden politischen Kritik haben die Ökonomen aufgegeben. Dabei brauchen wir dringend und schnell intelligente Lösungen, um den maximalen Gau noch abzuwenden.

→ The Telegraph: “German fury grows over inflation ‘Horror-Kurve’ as fears of destructive boom-bust cycle mount”, 8. Januar 2017