„Aufstieg der Rechtspopulisten: Schaut auf die Banken“
Glückwunsch an SPIEGEL ONLINE, der mit Thomas Fricke den wohl smartesten deutschen Wirtschaftskommentator an Bord genommen hat. Zu den guten alten Zeiten der FTD war er – neben dem Kapital – meine Hauptmotivation zum Kauf. Nicht immer bin ich einer Meinung. Aber es ist immer interessant. Gleich im ersten Beitrag erinnert Fricke an die eigentlichen Gründe für den Aufstieg radikaler Parteien:
- „Nach Deutschland kommen kaum mehr Flüchtende, das Asylrecht ist verschärft, und für Integration wird jetzt auch gesorgt. Kein Grund mehr, gegen Fremde zu poltern, den fehlenden Kurswechsel von Merkel zu beklagen oder die Lügenpresse zu schimpfen.“ – bto: Ich teile Frickes Optimismus hier nicht. Die Politik hat keine Antwort auf die demografische Bombe, vor der wir stehen. Hunderte von Millionen wollen nach Europa. Wir sollten auch aufhören, von Flüchtlingen zu reden. Es sind überwiegend Migranten. Integration wird noch lange nicht sicher klappen.
- „Was den Ländern mit Rechtsruck gemein ist, ist etwas anderes, und das geht tiefer: Überall wirkt auf die eine oder andere Art jene Jahrhundertfinanzkrise nach, die 2007 ausbrach, und für deren Schäden heute die mitzahlen, die oft gar nicht wissen, was Hedgefonds und Derivate sind.“ – bto: Da bin zu 100 Prozent bei Fricke.
- „Wie der Bonner Ökonom Moritz Schularick mit zwei Kollegen in einer beeindruckenden historischen Studie (PDF) kürzlich herausfand, erleben stramm rechte Parteien nach solchen Crashs systematisch Zulauf. Das gilt für Deutschland nach 1929, aber auch für Skandinavien bei in Bankenkrisen etwa in den Neunzigerjahren.“ – bto: Die Ökonomen haben sich scheinbar auf das Thema eingeschossen. Schon vor zwei Jahren haben sie sehr schön die Bedeutung der privaten Verschuldung als Krisenursache herausgearbeitet.
- „Nach Umfragen von Forsa glauben nur 25 Prozent der Deutschen, dass die ‚normalen Bürger‘ vom Euro am meisten profitieren – aber 81 Prozent, dass die Eurokrise dieselben normalen Bürger am meisten trifft. Willkommen Verdrossenheit. Zumal zumindest der zweite Teil der Vermutung nicht so falsch ist.“ – bto: Auch der erste Teil der Vermutung ist nicht falsch! Was ist der Nutzen einer Wirtschaft, die rein auf Außenhandelsüberschüsse abzielt zulasten der Binnennachfrage?
- „Zum typischen Lauf von Finanzkrisen gehört, dass Banken wohl oder übel gerettet werden, obgleich sie das Problem mitverursacht haben – weil ohne Banken nichts geht und bei Nichtrettung aller Erfahrung nach ein wirtschaftlicher Kollaps droht. Nur ist das Retten für den Staat teuer und führt oft zu steigenden Steuern oder sinkenden Renten. Das Volk dankt.“ – bto: auch richtig.
- „Was die Sache nur schlimmer macht, ist, dass Crashs typischerweise auf euphorische Zeiten folgen, in denen ein paar wenige viel Geld gemacht haben. Und in denen mehr in Spekulation als in neue Fabriken und sichere Arbeitsplätze investiert wurde. Selten war das Reichtumsgefälle so groß, wie zur Zeit der Crashs 1929 und 2008 – ohne dass sich daran seither viel geändert hat.“ – bto: Eigentlich meint er Zeiten des ‚Leverage‘, die zu starken Vermögenszuwächsen geführt haben. Schulden sind der Treiber!
- „Und dann müssen die, die etwas zurückgelegt haben, auch noch damit klarkommen, dass es keine Zinsen mehr gibt. Was ebenfalls eine typische Folgeerscheinung großer Crashs ist, weil in Schuldenkrisen kaum noch jemand neue Kredite nachfragt und die Wirtschaft wenig investiert.“ – bto: Liegt eher daran, dass die Schuldner mit tiefen Zinsen am Leben erhalten werden!
- „Mit dem Finanzdebakel und seinen Nachwehen lässt sich nicht alles erklären, aber doch eine Menge jenes Unmuts, den die Trumps, Le Pens und Petrys heute für sich nutzen: ob über Nullzinsen, überforderte Politiker, irre Ungleichheit oder unglaubwürdig gewordene Wirtschaftsexperten …“ – bto: Das stimmt. Zugleich beschäftigt sich die Elite mit Themen wie zu viel Sex in der Werbung … Die Weigerung der Politik, die Probleme zu lösen und stattdessen auf Vertuschen zu setzen, ist der eigentliche Grund für den Aufschwung alternativer Parteien.
- „Nötig sind dann Reformen, die dafür sorgen, dass die Einkommen für alle im Land steigen, Banken wieder zu Dienstleistern werden oder die Wirtschaft so stark expandiert, dass sie von allein mehr Geld unters Volk bringt.“
Tja. Angesichts der massiven Vermögensvernichtung, vor der wir stehen, dürfte der Aufschwung der radikaleren Parteien in Europa erst am Anfang stehen. Oder was passiert, sobald wir eine Billion Euro für die Euro-Rettung oder -Auflösung verlieren?
→ SPIEGEL Online: „Aufstieg der Rechtspopulisten: Schaut auf die Banken“, 15. April 2016