Best of bto 2020: Berlin als Warnung für alle Transfereuropäer
Nun ist offiziell, was man schon ahnte: Die angeblich einmalige Aktion des 750-Milliarden-Transfers für den europäischen „Wiederaufbau-Fonds“ und die gemeinsame Verschuldung auf EU-Ebene sind nicht einmalig, sondern sollen dauerhafte Instrumente werden. So zumindest Finanzminister Olaf Scholz, von dem man dachte, er müsse von Berufs wegen an die deutschen Steuerzahler denken.
Damit nicht genug. Nicht nur sollen Milliarden-Euro-Transfers zur Dauereinrichtung werden, man möchte auch an der Autonomie der Staaten nicht rütteln, was die Mittelverwendung angeht. Die Begründung, die auch bei uns zu hören ist, geht dann so: Bayern (6,7 Mrd.), Baden-Württemberg (2,4 Mrd.) und Hessen (1,9 Mrd.) als Netto-Einzahler in den Länderfinanzausgleich würden ja auch nicht mitbestimmen, wie Berlin – als mit Abstand größter Empfänger – mit den rund 4,3 Milliarden Euro umgeht. Genauso wenig sollte das Deutschland tun, wenn es um Italien geht.
Dabei wird umgekehrt ein Schuh draus: Berlin führt täglich vor, wie falsch der Länderfinanzausgleich – auch nach seiner in diesem Jahr in Kraft getretenen Neuordnung – konzipiert ist und wie fatal es wäre, dies auf EU-Ebene zu wiederholen.
Länderfinanzausgleich als Warnung
Der naive Betrachter würde ja davon ausgehen, dass die Transfers dazu dienen, die wirtschaftlichen Unterschiede über Zeit auszugleichen, also die Entwicklung in den ärmeren Regionen so zu fördern, sodass diese künftig kein Geld mehr von den anderen Ländern benötigten.
Doch weit gefehlt. Beispiele aus Berlin:
- Die Ansiedlung von Google mit einem Innovationszentrum in Berlin wurde aufgrund von Bürgerprotesten, die gut bezahlte Arbeitsplätze und damit steigende Mieten befürchteten, verhindert. Amazon wollte man auch nicht. Zwar bleiben einige Jobs in der Stadt, der große Gewinner ist aber München. So ist wenigstens sichergestellt, dass Bayern auch künftig überweisen kann.
- Seit Jahren werden Millionen aufgewendet, um vorhandene Wohnungen zu kaufen. Besonders aktiv ist hier der Grünenpolitiker Florian Schmidt, der, ohne die Finanzierung immer sichern zu können, vom Vorkaufsrecht Gebrauch macht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen der Verschwendung von Steuergeldern. Dass dieses Vorgehen keinen zusätzlichen Wohnraum schafft, sondern die teuerste denkbare Subventionierung von Wohnraum ist, spielt dabei keine Rolle. Es geht darum, denjenigen, die bereits eine Wohnung haben, dauerhaft niedrige Mieten zu sichern – der eigenen Wählerklientel.
- Neubau hingegen wird verhindert, wo es nur geht. Obwohl die Stadt viele freie Flächen hat, sind die Probleme, eine Baugenehmigung zu bekommen, legendär. Im Zuge der Corona-Krise wurde es noch schlimmer. Nur ein Drittel der Bauanträge wurde beispielsweise in Berlin Mitte bearbeitet.
- Wie immer, wenn die Nachfrage schneller steigt als das Angebot, steigen auch die Preise, hier also die Mieten. Um das zu verhindern, hat der Berliner Senat einen Mietendeckel beschlossen, der nicht nur den Anstieg verhindert, sondern sogar die Vermieter zum Absenken der Mieten verpflichtet. Obwohl es fraglich ist, dass dieses Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat, hat es schon jetzt den zu erwartenden Effekt: Es werden weniger Wohnungen zum Mieten angeboten und Neubau und Modernisierung sind eingebrochen.
- Mit den Gesetzen ist das ohnehin eine Sache. Obwohl die Politik seit Jahren die „grüne Verkehrswende“ postuliert, kommt der Neubau von Radwegen nur langsam voran. Deshalb verfiel man auf die Idee, abseits jeglicher Genehmigungsverfahren sogenannte „Pop-up-Radwege“ zu installieren, überwiegend durch Farbstreifen auf den Straßen. Die Idee, diese einfach als „dauerhaft“ zu erklären, wurde dann von den Gerichten wieder kassiert.
- Bildung wird in Berlin ebenfalls großgeschrieben – zumindest alle fünf Jahre auf Wahlplakaten. Nicht nur, dass Berlin mittlerweile den jahrelangen Tabellenletzten im Niveau der Schulbildung Bremen abgelöst hat, es mangelt auch an der technischen Ausrüstung. Nicht nur regnet es in vielen Schulen rein. Die Breitbandanbindung der 700 allgemeinbildenden öffentlichen Schulen wurde noch nicht mal beauftragt. Legt man die Geschwindigkeit zugrunde, mit der die Berufsschulen der Stadt mit Breitband versorgt werden, darf man davon ausgehen, dass im Jahr 2040 die letzte Berliner Schule angeschlossen wird.
- Öffentliche Dienstleistungen darf man als Bürger ebenfalls nicht erwarten: Autozulassung, ja selbst das Beantragen eines neuen Personalausweises ist in der deutschen Hauptstadt auf Wochen und Monate hinaus nicht möglich. Rund 15 Prozent der Arbeitsplätze der öffentlichen Verwaltung waren am Beginn der Corona-Krise digitalisiert, jetzt sollen es mehr sein. Man könnte auch Personal aufstocken, aber die 200 neuen Stellen werden lieber für die Überwachung des Mietendeckels geschaffen.
- Außerdem wird mit einem 44-seitigen „Diversity Leitfaden“ sichergestellt, dass die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, sollten sie wieder Zeit für die Bürger haben, diese Gendergerecht ansprechen.
Die Liste ließe sich fortführen: über die rechtsfreien Räume – Rigaer-Straße, Görlitzer Park –, die Obdachlosenheime, deren Bewohner teure Autos fahren und Sozialleistungen erschleichen, bis hin zum Debakel des BER. Da ist es doch tröstlich, dass der noch regierende Bürgermeister Müller sich ein Olympia 2036 in der Stadt vorstellen könnte.
Nichts spricht dafür, dass die Berliner Politik die Stadt wirtschaftlich voranbringen will. Dass Berlin 2019 zum ersten Mal ein BIP pro Kopf über dem Bundesdurchschnitt aufwies, war nicht wegen, sondern trotz des Senats der Fall – Tourismus und Start-ups halfen.
Die Berliner Politiker setzen darauf, dass außerhalb der Stadt Kapitalismus und Wirtschaft funktionieren und so dauerhaft das sozialistische Paradies Berlin finanzieren. Frei nach dem Motto von Margret Thatcher, wonach Sozialismus solange funktioniert, wie einem das Geld anderer Leute nicht ausgeht.
Was, wenn das Geld ausgeht?
Solange Bayern nicht ernsthaft mit dem Austritt aus der Bundesrepublik droht, könnte man davon ausgehen, dass die Umverteilung innerhalb Deutschlands ewig links-grüne Rundumversorgungsträume und ideologische Programme in der Hauptstadt finanziert. So reiste Berlins Innensenator Geisel – bundesweit bekannt durch seine interessante Interpretation der Demonstrationsfreiheit – extra nach Griechenland, um über die Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria zu verhandeln. Im Deutschlandfunk danach gefragt, ob dies die klamme Stadt nicht zu sehr belasten würde, antwortete er selbstbewusst, die Stadt habe schließlich über 100.000 Menschen in den letzten Jahren „erfolgreich integriert“. Eine Aussage, die angesichts des objektiven Mangels an Wohnraum, zerfallender Schulen und den Problemen der inneren Sicherheit nur als Propaganda bezeichnet werden kann.
Der Clou ist aber ein ganz anderer: Die Kosten der Aufnahme von Flüchtlingen werden zu einem guten Teil vom Bund und nicht von den Ländern getragen. Es ist also eine humanitäre Geste, die andere bezahlen. Hinzu kommt, dass das Wachstum der Einwohnerzahl für Berlin ein wichtiger Hebel ist, um mehr Geld aus dem Topf zu erhalten. Je mehr Menschen Berlin aufnimmt, desto mehr Zahlungen sind zu erwarten. Man erinnert sich an die Zeiten, als der Berliner Senat Studenten eine finanzielle Prämie zahlte, wenn sie ihren Hauptwohnsitz nach Berlin verlegten.
Rationales Verhalten, führt es doch zu höheren Staatseinnahmen. Wünschenswert wäre es jedoch, wenn die Stadt stattdessen versuchen würde, wirtschaftlich erfolgreicher zu werden.
Berlin sieht sich dafür auf anderen Gebieten als Vorreiter. So ist die Bevölkerung dem Automobil besonders skeptisch gegenüber eingestellt. Geht es nach dem Senat, soll der private Verkehr soweit wie möglich zurückgedrängt werden. Neben den zunehmenden Einschränkungen geht es um Themen wie City-Maut und Fahrverbote für Verbrennungsmotoren. So verständlich die Notwendigkeit neuer Mobilitätskonzepte für Städte ist, so negativ wirkt die Art der Diskussion auf den Standort Deutschland.
Die Bundespolitik dürfte nicht unwesentlich von den tagtäglichen Erfahrungen in Berlin geprägt sein und scheint drauf und dran, die Grundlagen für den Wohlstand in Deutschland zu vergessen. Nur so kann ich mir erklären, dass man den offensichtlichen Konflikt zwischen einer beschleunigten Realisierung der Klimaziele und dem Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland – und dabei vor allem der Automobilindustrie mit ihren weit überdurchschnittlichen Löhnen – nicht erkennt. Die Kündigungswelle hat nichts mit Corona zu tun. Es ist die Antwort einer Branche, die am Standort Deutschland keine Zukunft mehr sieht.
Kippt die Autoindustrie, ist auch Schluss mit der Party in Berlin. Denn ohne die gut bezahlten Arbeitsplätze in Bayern und Baden-Württemberg dürften die Schecks im Länderfinanzausgleich kleiner ausfallen und die bereits zitierte Margret Thatcher wieder mal recht bekommen.
Italien ist nicht wie Berlin
Kommen wir zur Eurozone zurück. Kein Mitgliedsland ist annähernd so schlecht regiert wie Berlin. Selbst Italien ist, verglichen mit Berlin, ein funktionierendes Gemeinwesen mit einer starken Wirtschaft. Die Lombardei gehört seit Jahren zu den wirtschaftlich stärksten Regionen Europas. Trotzdem befinden sich Italien, Spanien und Frankreich in einer Abwärtsspirale steigender Schulden und abnehmender Wettbewerbsfähigkeit. Hier nun über mehr Überweisungen aus Deutschland die Probleme lösen zu wollen, klingt angesichts der Erkenntnisse aus dem deutschen Länderfinanzausgleich mehr als aberwitzig.
Würden diese Mittel dazu verwendet, die Wirtschaftskraft zu steigern und den Arbeitsmarkt zu reformieren, wäre das durchaus vertretbar. Doch dem ist nicht so. Verwendet Berlin das Geld aus dem Länderfinanzausgleich für den Kauf vorhandener Wohnungen, so plant die Regierung in Rom mehr Sozialleistungen. Beides mag bei den Wählern ankommen, funktioniert aber nur, solange sich jemand findet, der das bezahlt.
Mögen sich die Bayern, Baden-Württemberger und Hessen die vier Milliarden jährlich für das sozialistische Paradies Berlin noch leisten können, so übersteigt der Finanzbedarf der anderen Euroländer unsere Leistungsfähigkeit bei Weitem. Vor allem angesichts des Desasters, das wir durch eine falsch gemachte Klimapolitik verursachen. Um es klar zu sagen: Wir müssen gegen den Klimawandel vorgehen, doch nicht mit planwirtschaftlichen Zielvorgaben, sondern mit einem CO2-Preis, der dafür sorgt, dass die Prinzipien von Effizienz und Effektivität auch bei diesem so wichtigen Thema gelten.
Auf Eurozonenebene ein offensichtlich gescheitertes Konstrukt x-mal größer etablieren zu wollen, widerspricht jeglicher Logik. Theoretisch sollen die Transfers dazu dienen, die Unterschiede zwischen den Ländern abzubauen. Praktisch führen sie zum Gegenteil: der Illusion der Empfängerländer, auf die eigenständige Erarbeitung der Mittel nicht angewiesen zu sein.