„Zentralbankpolitik auf dem falschen Weg“

Professor Bernholz war von 1971 bis 1997 Ökonomieprofessor an der Universität ­Basel. Seine Forschung zum Thema „Inflation“ hat ihn berühmt gemacht. Im letzten November hatte ich in meiner Rolle als Direktor des Economist Council des Conference Boards die Freude mit ihm über die Folgen der Geldpolitik zu diskutieren. Hier nun eine Zusammenfassung seiner Thesen aus der FINANZ und WIRTSCHAFT – wie immer mit meinen Anmerkungen:

  • „Zwar ist es den Zentralbanken, angeführt von der Federal Reserve Bank (Fed), seit Ausbruch der Finanzkrise 2007 gelungen, durch Zinssenkungen und durch eine massive Ausdehnung der Zentralbankgeldmenge M0 (Quantitative Easing) eine Depression wie in den Dreissigerjahren zu vermeiden.“ – bto: Dafür haben wir die Depression in Zeitlupe!
  • Aber nun schleppt sich das negative oder schwache Wirtschaftswachstum seit neun Jahren dahin. Es bedroht die Tragfähigkeit der Pensionskassen, erodiert die Ersparnisse besonders der ärmeren und mittleren Schichten, erschwert eine Sanierung des Bankensystems und führt zu fragwürdigen Übertreibungen bei Aktienkursen und den Preisen von Immobilien und Kunstwerken. Zu befürchten ist ferner, dass die tiefen Zinsen nicht nur dort, sondern auch im Produktionsbereich zu erheblichen Fehlinvestitionen führen.“ – bto: Erodierung der Ersparnisse ist die zwangsläufige Folge, wenn man Schulden entwerten will!
  • Die Bedeutung der Zinsen für die intertemporalen Investitionen und ihre zeitliche Gestaltung – man denke an die Wirkung von Zinseszinsen – in der realen Wirtschaft wurde völlig ausser Acht gelassen – mit der Folge von verheerenden Fehlinvestitionen.“
  • „Das zeigte sich bereits erstmalig bei der Bekämpfung des Zusammenbruchs der Internetblase nach dem Jahr 2000 mit Zinssenkungen auf 1%, was – zusammen mit anderen Einflussfaktoren – zu den Immobilienblasen in den USA, Spanien, Irland usw. führte. Kein Wunder, dass diese Immobilienmärkte mit der Erhöhung der Zinsen in den USA zur Inflationsbekämpfung auf über 5% zusammenbrachen.“ – bto: Das ist Politik der Notenbanken seit 1987! Asymmetrisch nennt das die BIZ.
  • „Die Zentralbankpolitik hat seit 2007 nicht nur zu einer massiven Erhöhung des Zentralbankgeldes M0 geführt. Eine solche Ausweitung wurde sonst nur vor Hochinflationen beobachtet. Gleichzeitig ist der Geldschöpfungsmultiplikator erstmals auf ein niedrigeres Niveau gesunken als in der grossen Depression der Dreissigerjahre.

Quelle: FINANZ und WIRTSCHAFT

  • Dies bedeutet „einerseits, dass zwar gegenwärtig wegen der geringen Zunahme der weiteren Geldmengen M2 und M3 überhaupt keine Inflationsgefahr besteht, diese aber andererseits in einigen Jahren durchaus zu erwarten ist, wie die Erfahrungen aus den Dreissiger- und Vierzigerjahren zeigen. Denn sobald die Erwartungen bei Bevölkerung und Wirtschaft positiv werden, dürfte sich der Geldschöpfungsmultiplikator auf ein normales Niveau erhöhen, d. h. die vom Publikum verwendete breitere Geldmenge wird erheblich steigen.“ – bto: Das ist mein Bild von der Ketchup-Inflation. Allerdings glaube ich nicht, dass sie so schnell kommt. Voraussetzung ist entweder eine Bereinigung der faulen Schulden (noch nicht absehbar) oder eine Zerrüttung des Vertrauens in Geld. Letzteres scheint nur schwer zu erschüttern.
  • „Das lässt sich verhindern, wenn die Zentralbanken die Höhe des Zentralbankgeldes M0 rechtzeitig normalisieren und die Zinsen entsprechend anheben. (…)  Bei der hohen Verschuldung würden die staatlichen Defizite mit steigenden Zinsen erheblich wachsen. (…). Deshalb muss mit ­erheblichem politischen und psychologischen Druck auf die Zentralbanken gerechnet werden, nicht rechtzeitig genug gegen drohende Inflation zu tun.“ – bto: Natürlich nicht, es geht doch um die Entwertung der Schulden.
  • Bernholz empfiehlt dann die Erinnerung an Walter Bagehot: „‚Die beste Methode für die Bank of England, (…) auf eine Nachfrage zu reagieren, die von internen Kreditproblemen stammt, ist es, frei zu leihen. Die Bank ist bereit, jedem, der ­darum bittet, begrenzte Vorschüsse gegen geeignete Sicherheiten zu geben.‘ Aber, fährt Bagehot fort, es gebe dafür zwei Regeln: ‚Erstens, dass diese Darlehen nur zu einem hohen Zins gewährt werden. Zweitens, dass diese Kredite für alle guten Sicherheiten der Banken gewährt werden sollten.‘ Und weiter: ‚Wenn es bekannt wird, dass die Bank of England grosszügig Kredit gewährt für das, was in normalen Zeiten gute Sicherheit darstellt, wird die Alarmstimmung von solventen Kaufleuten und Bankiers enden.‘“ – bto: Theoretisch bin ich bei ihm. Praktisch hätte dies eine große Depression zur Folge gehabt, einfach, weil wir es viel zu wild getrieben haben.
  • Bei Befolgung dieser Ratschläge wäre man von vornherein in der Lage gewesen, zwischen illiquiden und insolventen Banken zu unterscheiden. Das war bei der verfolgten Politik nicht möglich, daher ist das Problem zahlreicher vermutlich insolventer Banken ungelöst.“ – bto: Das stimmt! Es wimmelt vor Zombies! Doch die Konkurswelle wäre dreißiger Jahre gewesen.
  • Als Nächstes müsste das Fed als führende Zentralbank die Zinsen schon in diesem Jahr allmählich weiter erhöhen und anschliessend Schritt für Schritt auf normale 4% zurückführen. Die anderen Zentralbanken könnten dann gemächlich folgen, ohne sich von einer fehlgeleiteten Deflationsangst leiten zu lassen. Denn der gegenwärtige Rückgang der Lebenshaltungskosten ist weitgehend auf den Sturz der Erdölpreise zurückzuführen.“

Hier widerspreche ich dann doch. Ohne die Überschuldung zu bereinigen, wird das in einer Depression enden. Zunächst die faulen Schulden bereinigen, dann normale Zinsen.

FINANZ und WIRTSCHAFT: „Zentralbankpolitik auf dem falschen Weg“, 13. April 2016