Schlafwandeln europäische Märkte in den Hard-Brexit?
Noch ist es nicht sicher, dass es zu einer Einigung zwischen Großbritannien und der EU kommt. Vor allem besteht die Gefahr, dass es erneut im britischen Parlament scheitert. Deshalb lohnt es sich, einen Blick auf die möglichen Auswirkungen zu werfen.
Bekanntlich teile ich nicht den Optimismus hiesiger Akteure mit Blick auf die Auswirkungen des Brexit. Er wird gerade für Deutschland nachhaltig negative Auswirkungen haben.
→ „Der Brexit ist für die Briten alles – aber kein Desaster“
Hinzu kommt, dass trotz der Turbulenzen an den Märkten in der letzten Woche die Finanzmärkte recht entspannt mit dem Thema umgehen. Vermutlich, weil die Erwartung überwiegt, dass es doch nicht so weit kommt oder aber die Auswirkungen verkraftbar wären. Die FINANCIAL TIMES (FT) warnt hingegen vor erheblichen Auswirkungen auch auf Euro und Aktienmärkte. Ich sehe das genauso, würde aber bei einer weiteren Schwäche des Pfundes welche dazukaufen. Denn die Zukunft Großbritanniens, gerade auch verglichen mit der Eurozone, muss nicht so schlecht sein:
- “(…) signs of complacency are popping up in the currency markets. The exchange rate is relatively tranquil. Options markets are showing few signs of concern. If Brexit goes badly, the currency could take a beating. But the currency in question is not the pound — it’s the euro.” – bto: Da fragt man sich zunächst: warum eigentlich?
- “The euro, meanwhile, has its own problems. At under $1.10 to the dollar, it is feeling the weight of renewed easing from the European Central Bank and a generally dire environment for global manufacturing that particularly hurts Germany. Brexit plays a cameo role here, with the uncertainty pervading UK business seeping into the eurozone.” – bto: Es ist zunächst das Krankheitssymptom der Eurozone. Die Märkte wissen, dass das instabile Gebilde vor weiteren Herausforderungen steht.
- “But is Brexit really priced in? The options market, which is used to bet on or hedge against exchange-rate shake-ups, suggests not. Three-month implied volatility for the euro — a measure of how much the market thinks the currency will move in either direction — is now at around 5.6 per cent, at the lower end of the range that has prevailed so far this year.” – bto: Das passt zu der kurzfristigen Sorglosigkeit der Märkte. Billiges Geld der EZB ist garantiert, ebenso der Wille, alles Erdenkliche zu tun, um den Euro zu erhalten. Deshalb besteht auch keine Erwartung großer kurzfristiger Bewegungen.
- “(…) European markets could be sleepwalking towards a nasty fall. If the UK and EU do not come to a deal and the Brits drop out at the end of this month, stocks will “crash” on both sides of the Channel, (…) along with the euro. Perhaps (…) If a no-deal Brexit were to happen, both sides would be forced to the negotiating table by market meltdowns. The examples of the Greek debt crisis and last year’s mini-crisis in Italian bonds show that money talks for the EU.” – bto: möglich. Die Frage wäre natürlich, wie der Schaden dann begrenzt werden könnte. Denn am Streitpunkt des Backstops dürfte sich so schnell nichts ändern lassen.
- “If a no-deal Brexit were to happen, the euro could sink to $1.05 against the dollar, (…) with more room to fall after an initial shock. (…) That makes taking out some kind of just-in-case insurance for euro assets a tempting course of action.” – bto: Und im Fall der Fälle sollte man dann dort zugreifen, wo die Zukunft liegt. Also außerhalb der Eurozone. Schade, aber so ist es.
Eine Diskussion über die Folgen des Brexit, vor allem einen no deal-Brexit muss zwei Szenarien unterscheiden.
Szenario 1:
Der Austritts-Schock.
Er ist vergleichbar einer Flucht aus dem Gefängnis, hat schwerwiegende Auswirkungen sowohl für U.K. wie die EU und möglicherweise auch darüber hinaus.
Das wird niemand ernsthaft bezweifeln, auch Dr. Stelter bezweifelt das nicht.
Es geht hier im Wesentlichen um das Ausmaß der Rezession, die damit verbunden ist.
Szenario 2:
Die situativen Optionen in längerfristiger Betrachtung nach einem Austritt und das damit erreichbare Wohlstandsniveau in U. K.
Also:
Wie geht es außerhalb des Gefängnisses weiter?
Diesbezüglich ist Dr. Stelter entschieden optimistisch, obwohl es sehr spekulativ ist, hier irgendetwas Bestimmtes anzunehmen.
Nur einige Verweise darauf:
Gibt es überhaupt noch ein U.K., wenn z. B. Schottland in der EU bleiben will und wird?
Bestünde U.K. weiter, in welcher Konfiguration auch immer, hätte es sicher Optionen, die an den EIGENEN Interessen und nicht denen eines Staatenverbunds wie der EU zu messen wären.
Nur:
Sind sie besser als die Optionen, die von der EU für alle Mitgliedsländer, also auch für U. K. wahrgenommen werden könnten?
Und:
Kann es nicht sein, dass die EU in einer vorteilhafteren Verhandlungsposition gegenüber der USA, China oder Russland wäre allein schon aufgrund des größeren Marktes?
Da die Insel nach dem Austritt nicht wegschwimmt, wird aus meiner Sicht der situative Vergleich mit der zukünftigen EU sehr entscheidend sein:
Die Frage ist daher:
WIE entwickelt sich die EU?
Ich sehe die Entwicklung eher negativ.
Die Eurozone wird früher oder später politisch bedingt zerfallen, weil einige Mitgliedsländer nicht mehr die Transfers zahlen können und andere nicht genügend bekommen.
Ob und wie die EU das auffangen würde, ist ungewiss.
Heute könnte sie es vermutlich nicht angesichts der Handlungsohnmacht, die man tagtäglich beobachten kann.
Stichworte dazu:
Schutz von Schiffen in der Straße von Hormus, Zügelung der Türkei angesichts des auch für die EU bedrohlichen Einmarsches in Syrien (neue Flüchtlingswelle).
Ich sehe nicht, wie sich das zukünftig ändern wird und bin von daher, aber nur von daher, sehr verhalten optimistisch für die Situation eines zukünftigen U. K.
Übrigens:
Diese Diskussion ist nicht uninteressant, aber weitgehend bedeutungslos, wenn es um die BEGRÜNDUNG bzw. die ZIELSETZUNG für einen no deal-Brexit geht.
Wer die Kontrolle über sein Land haben will, MUSS sich vollständig von Brüssel und Luxemburg trennen.
Die Briten schätze ich diesbezüglich sensibler ein als uns.
Uns Deutschen ist es weitgehend egal, wer das Brot schmiert, Hauptsache, es ist dick aufgetragen Butter.
@Herrn Schrott: optimistisch in Bezug auf UK würde ich Herrn Dr Stelter nicht nennen. Eher neutral in Bezug auf den Brexit im Vergleich zu deutschen Medien.
Kann dem Optimismus vom Herrn Stelter für Großbritannien nicht teilen, der Brexit ist in jedem Fall schlecht und das für beide Seiten. Der Umstand dass der Euro wahrscheinlich eine Fehlkonstruktion ist hat mit alledem nichts zu tun, die Briten sind nicht im Euro, wenn die Eurozone große Probleme bekommen sollte, wird das auch UK spüren, in oder ausserhalb der Eurozone.
@Herr Schrott
Wenn der Euro eine Fehlkonstruktion ist (was ich auch glaube), ist es dann tatsächlich für UK egal ob sie ein Teil der EU bleiben, deren Kern ja die Eurozone ist, oder nicht?
@Ernst Schott
Unter Blinden ist der Einäugige ein König.