Niedrigzinsen aus Mangel an sicheren Anlagen in überschuldeter Welt
Ein sehr interessanter Beitrag aus der FINANZ und WIRTSCHAFT, der die Wirkungsweise tiefer Zinsen kritisch hinterfragt und erläutert, dass die Notenbanken mit ihrer Politik die Eiszeit letztlich vergrößern. Dies alles so intuitiv einleuchtend, dass man sich schon fragen muss, weshalb diese Einsicht nicht Allgemeingut ist – ach ja, weil man dann die Schuldenkrise anders lösen müsste …
- “Warum sind die Zinsen so tief und wollen nicht steigen? Manche meinen, der Grund sei eine schwache gesamtwirtschaftliche Nachfrage.  Die Logik dahinter: Wenn die Nachfrage schwach ist, wird weniger investiert. Die niedrigen Zinsen als Marktpreis von Kapitalnachfrage (Investitionen) und Kapitalangebot (Ersparnissen) sind demnach Folge der mangelnden Investitionen.” – bto: Das ist bekanntlich die Analyse von Larry Summers, der damit auch nur auf Symptome und nicht auf die Ursache (Schulden!) schaut.
- “Doch der Finanzmarkt hat umgekehrt einen Effekt auf die Realwirtschaft. So kann man zumindest eine These des MIT-Professors Ricardo Caballero auffassen. Um zu verstehen, wie sich niedrige Zinsen und schwaches Wachstum weltweit ausbreiten, führt er die Knappheit an sicheren Anlagen ins Feld.” – bto: Das finde ich extrem wichtig. Geld und Finanzmärkte sind nämlich in unserer Welt nicht neutral!
- “Klassischerweise werden darunter sichere Staatsanleihen verstanden. Allgemein sind es Anlageklassen, die bei schlechten Wirtschaftsdaten nicht an Wert verlieren.”
- “Sichere Anlagen sind für das Funktionieren der Wirtschaft unerlässlich. Sie bieten eine Versicherung für das Investitionsrisiko von Anlegern und werden von Finanzinstitutionen als Basis für Kreditgeschäfte gehalten.” – bto: Das geht in Richtung der schon länger laufenden Diskussion, dass “collateral” knapp ist.
- “Nach der These von Caballero wächst die Nachfrage nach sicheren Anlagen, um sich vor Schocks wie der Finanzkrise abzusichern. (…) Gleichzeitig gibt es immer weniger Staatsanleihen, beispielsweise in der Eurozone, die von den Investoren als sicher angesehen werden.” – bto: jetzt mal Klartext: Weil die Investoren wissen, dass ein guter Teil der Schulden nicht mehr bedient werden kann, halten sie immer weniger Schulden für “sicher” und stürzen sich darauf. Und genau diese kaufen ihnen die Notenbanken weg!
- “Wenn der Marktzins nicht weiter fallen resp. der Preis der Anleihen nicht weiter steigen kann, kommt der Finanzmarkt nicht ins Gleichgewicht. Sichere Anlagen sind mit einem Nullzins im Verhältnis zu riskanten Anlagen zu attraktiv. Statt zu investieren und zu konsumieren, halten Anleger lieber diese Papiere oder Währungen, die sie als sicher empfinden.” – bto: Könnte es nicht sein, dass es keinen “Gleichgewichtszinssatz” im Zustand der Ãœberschuldung gibt?
- “Das einfachste Mittel dagegen? Es werden mehr sichere Anlagen geschaffen. Denn dadurch würde der Mangel zum heutigen Zinsniveau behoben. Ein neues Gleichgewicht würde erreicht.” – bto: Schafft man mehr “sichere” Anlagen, indem sich “sichere” Schuldner mehr verschulden, werden die Anlagen doch unsicherer. Eigentlich müsste man die faulen Schuldner durch Schuldenschnitte sanieren.Â
- “Was funktionieren würde: riskante Anlagen zu kaufen und dafür sichere Anlagen herauszugeben.” – bto: Und das wird kommen. Die EZB verkauft deutsche Staatsanleihen und kauft den Banken der Eurozone faule Kredite ab. Würde übrigens wirklich funktionieren.
- “Durch die Kapitalflüsse werden Länder mit sicheren Anlagen Richtung null gezogen. Daher auch das Gefühl, dass die Zinsen weltweit im Tandem sinken. Der Grund ist nicht, dass in allen Volkswirtschaften die Wirtschaft schlecht läuft. Sondern, dass es weltweit gesehen einen Mangel an sicheren Anleihen gibt.” – bto: Stellt sich die Frage, wo läuft es richtig gut?
“Trifft das Denkmodell zu (bto: was, wie gesagt, zum Teil stimmt, er vernachlässigt die eigentliche Ursache der Ãœberschuldung), ruft es nach mehr sicheren Anlagen, etwa durch die Ausgabe von Staatsanleihen oder eine Notenbankpolitik, um riskante Investitionsprojekte noch mehr zu fördern. Sonst sind plausible Konsequenzen weltweit tiefe Zinsen für lange Zeit und eine Weltrezession.” – bto: Die Eiszeit eben.
→ FINANZ und WIRTSCHAFT: „Ansteckende Niedrigzinsen und die Weltrezession“, 4. März 2016