Kalter Kaffee und praxisfern: Sünden-Bonds für Europa vom Top-Ökonom
DIE WELT vermeldet, was schon vor einem Jahr bei FOCUS ONLINE groß vermarktet wurde. Clemens Fuest, ohne jeden Zweifel ein deutscher Top-Ökonom hat eine Lösung für die Eurokrise: “Sünden-Bonds” sollen die Staaten zur Disziplin zwingen.
→ DIE WELT: “Top-Ökonom schlägt Sünden-Bonds für Europa vor”, 15. Februar 2017
Ich mag das gar nicht mehr neu kommentieren, da sich seit letztem Jahr inhaltlich nichts geändert hat. Deshalb hier meine damals formulierte Sicht. Es ist nichts anderes als kalter Kaffee und mehr der Versuch des Selbst-Marketings (gegen den ich gar nichts habe!), nur sollte sich das Ifo-Institut am früheren Niveau orientieren.
FOCUS meldet: „Deutschlands bekanntester Ökonom Hans-Werner Sinn hat die Leitung des Ifo-Instituts an Clemens Fuest übergeben. Der tritt sein neues Amt mit einem Paukenschlag an – und präsentiert einen Vorschlag, mit dem angeblich die Eurokrise gelöst werden kann.“ Da bin ich natürlich gespannt! Zur Erinnerung, die Eurozone leidet an vielen Problemen:
- auseinanderlaufende Wettbewerbsfähigkeit der Länder: Lohnkosten, Produktivität, Innovationskraft;
- überbordende Privatverschuldung in Spanien, Irland, Portugal, Holland, Frankreich, …;
- überbordende Staatsverschuldung in Griechenland, Italien, Frankreich, Spanien, Irland, …;
- einem Bankensystem, welches bei objektiver Betrachtung insolvent ist, es fehlen mindestens eine Billion Euro.
„Clemens Fuest, hat nun einen Vorschlag unterbreitet, wie endlich wieder Ruhe einkehren soll. Bei der Jahresversammlung des Instituts übernahm Fuest den Staffelstab von seinem prominenten Vorgänger Hans-Werner Sinn – und ging gleich in die Vollen.“ Schauen wir uns den Vorschlag an:
- „Seine Idee: eine neue Art von Staatsanleihen, die es unmöglich machen soll, dass Länder für die Schulden anderer Länder einstehen müssen. ‚Die Kosten der Staatsverschuldung könnten dann nicht mehr auf andere abgewälzt werden‘, erklärte Fuest. (…) sogenannten Accountability Bonds, also Verantwortungsbonds (…).“ – bto: Wie noch mehr Schulden die Schuldenkrise lösen, ist mir nicht so ganz klar.
- „Konkret sollen nur noch diese nachrangigen Anleihen ausgegeben werden, sobald ein Staat sich um mehr als 0,5 Prozent neu verschuldet. Überschreitet die gesamte Staatsverschuldungsquote 120 Prozent, fallen die Zinszahlungen aus, die Anleihen werden automatisch verlängert, bis diese Schwelle wieder unterschritten wird.“ – bto: o. k., automatisierter Teilbankrott, sobald die Schulden aus dem Ruder laufen. Nette Idee.
- „Wenn ein Land ein Land das Rettungsprogramm ESM (Europoean Stability Mechanism) beansprucht, fallen die Anleihen ganz aus. ‚Die Kosten eines Verstoßes gegen die Vereinbarung steigen so an‘, erklärte Fuest. Zudem werde eine koordinierte Fiskalpolitik gestärkt.“ – bto: Zunächst steigen die Kosten für die Schuldner. Wie das die koordinierte Finanzpolitik stärkt, ist mir nicht so ganz klar.
- „Gekauft werden sollen die neuen Bonds weder von anderen Staaten noch der Europäischen Zentralbank. Stattdessen sollen private Investoren wie Rentenkassen oder Versicherungen für die neuen Anleihen interessiert werden. Fuest betonte, er habe bereits mit Investoren gesprochen und sei dabei auf viel Interesse gestoßen.“ – bto: O. k., die verwalten ja nicht ihr eigenes Geld. Interesse gibt es dank der höheren Zinsen wegen des Risikos und in der Hoffnung, doch wieder rausgehauen zu werden.
- „Um sich durchzusetzen, müssten die Verantwortungsbonds von allen Euro-Staaten eingeführt werden. Da der Preis vom Risiko abhinge, müssten nur stark verschuldete Staaten ihre Politik ändern, betonte Fuest: ‚Für ein Land, das sich an die Regeln hält, ändert sich nichts.‘“ – bto: Ob Fuest die Staaten auch gefragt hat, ob sie genauso begeistert wie die Investoren sind? Wohl kaum!
Etwas ausführlicher erläutert wird dieser „revolutionäre“ Vorschlag hier: → ÖKONOMENSTIMME: „Accountability Bonds: Eine neue Art von Staatsanleihen“, 9. November 2015
Der Vorschlag ist nicht umzusetzen, weil kein Finanzminister, der klar denken kann, dem zustimmen wird. Und selbst wenn er umgesetzt würde, adressiert er keines, aber auch wirklich keines der Probleme der Eurozone. Der vernünftigste Vorschlag aus der deutschen Ökonomenszene ist und bleibt die Idee eines Schuldentilgungsfonds des Sachverständigenrats, die ich bekanntlich um die Privatschulden erweitert habe: → Fixing the Eurozone, ergänzt um die (geringere) Anzahl der Länder, die darin bestehen können.
Ein Kunde von mir sagte so schön: gelesen, gelacht, gelocht.