Geld­reform oder weitere Problem­verschleppung?

Norbert F. Tofall, ein Mitarbeiter im Team von Thomas Mayer hat kürzlich den Fortschritt bei der Einführung des digitalen Euro so kommentiert:

  • „Leider weist der am 28. Juni 2023 von der EU-Kommission vorgelegte Vorschlag für einen Rechtsrahmen eines von der Europäischen Zentralbank (EZB) zu emittierenden digitalen Euros in die Richtung weiterer Problemverschleppung und Status-quo-Sicherung bestehender Machtstrukturen.“ – bto: … weil es keine Reform des Geldsystems geben wird.
  • „Der von der EU-Kommission vorgelegte Vorschlag für das Europäische Parlament und den Rat der europäischen Staats- und Regierungschefs liegt damit auf der generellen Linie, die bereits im Januar 2020 durch ein Working Paper des Generaldirektors der EZB für Marktinfrastrukturen, Ulrich Bindseil, vorgezeichnet wurde, ist jedoch in einem Punkt korrigierend.“ – bto: Bindseil ist bto-Lesern gut bekannt, weil er mehrere Artikel geschrieben hat, die beweisen sollen, dass es keine Zombies gibt, bzw. falls es sie doch gäbe, das nicht die Folge der EZB-Politik sei…
  • „Bindseil hatte in seinem Working Paper vorgeschlagen, daß jedem Bürger oder Haushalt in der Eurozone bei der EZB ein eigenes Einlagenkonto mit digitalem Zentralbankgeld eingerichtet werden könne. Die Anzahl der Einlagenkonten bei der EZB würde dadurch von derzeit ca. 10.000 auf 300 Millionen bis 500 Millionen steigen. Alternativ könnte die EZB digitales Zentralbankgeld aber auch als Kryptogeld ausgeben, so daß digitales Zentralbankgeld mittels der Distributed Ledger Technologie direkt zwischen den Nutzern peer-to-peer übertragen werden kann. Eine Kontoführung bei der EZB würde dann entfallen. Beide technische Möglichkeiten scheinen aber nun vom Tisch zu sein.“ – bto: Es bedeutet, dass es keine Konkurrenz zur Geldschöpfung des privaten Bankensystems geben wird.
  • „Angedacht ist jetzt, daß jeder Bürger eine online und offline nutzbare Wallet – in der Regel auf dem Smartphone oder in Härtefällen auf einer Geldkarte – mit digitalem Zentralbankgeld erhalten kann, wobei das digitale Zentralbankgeld durch die Geschäftsbanken – und nicht von der EZB – dem einzelnen Nutzer übertragen wird.“ – bto: Die Banken werden also auch das neue „Bargeld“ für uns verwahren. Ihr Einfluss wächst gegenüber dem Status Quo.
  • „Zwischen den Geschäftsbanken soll dann entsprechend ein Clearingsystem von der EZB errichtet werden. Verträge zwischen dem einzelnen Bürger und der EZB soll es nicht geben, was bedeutet, daß die ursprüngliche Idee von Einlagenkonten der Bürger bei der EZB verworfen wurde.“ – bto: Das ist jetzt doppelt erklärt, aber es geht um denselben Punkt.
  • „Bereits für Ulrich Bindseil war es 2020 unerläßlich, daß die Emittierung von digitalem Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currency – CBDC) so gesteuert werden müsse, daß die bestehende Währungsordnung nicht dadurch in Frage gestellt wird, daß digitales Zentralbankgeld zu einer wichtigen Form der Wertaufbewahrung für die Bürger werde. Geld solle weiterhin durch Kreditvergabe erzeugt werden, aber der Nutzer soll dieses nun nicht nur in Zentralbankgeld aus Papier (also Bargeld in Form der uns bekannten Geldscheine), sondern in begrenztem Umfang auch in von der EZB geschaffenes ‚digitales‘ Geld tauschen können.“ – bto: Das ist interessant, glaubt man scheinbar, so besser steuern zu können.
  • „Um zu verhindern, daß das digitale Zentralbankgeld von den Bürgern verstärkt zur Wertaufbewahrung verwendet wird, schlug Bindseil eine gestaffelte Vergütung (tiered remuneration) für die Einlagen aus digitalem Zentralgeld vor. In der Stufe 1 (Tier 1) solle bis zu einer Höhe von 3000 Euro die Vergütung der Vergütungshöhe für Überschußreserven entsprechen, wobei eine ‚Untergrenze‘ von Null gilt. In der Stufe 2 (Tier 2) solle die Vergütung 2 Prozentpunkte unterhalb der Vergütung für Überschußreserven liegen, wobei eine ‚Obergrenze‘ von Null gilt. Die Stufe 2 dient also ausdrücklich der ‚Disincentivierung‘. Das heißt, daß bereits für Ulrich Bindseil das von der EZB emittierte digitale Zentralbankgeld für die Bürger von vornherein so unattraktiv gestaltet werden müsse, daß von ihm kein heilsamer Zwang zur Reform der fragilen Europäischen Währungsunion ausgelöst werden könne.“ – bto: Auch, weil man sicherstellen wollte, dass die Geldpolitik mehr Durchgriff hat.
  • „Die innovativen Möglichkeiten der Digitalisierung werden gerade nicht dazu genutzt, das bestehende Geldsystem durch eine Geldreform zu verändern und zu verbessern. Würde hingegen der Euro im Zuge einer Geldreform als eine mit Staatsanleihen gedeckte Digitalwährung (‚asset-backed token‘ oder ‚stablecoin‘) geschaffen, dann wäre der Euro nicht nur länger vom Zerfall in widrigen Umständen wie in der Eurokrise bedroht, sondern würde auch die Möglichkeit eröffnen, die am Markt ausstehende Schuld der Eurostaaten erheblich zu verringern. Eine Entschuldung der Eurozone wären mittels einer Digitalisierung der Währung möglich.“ – bto: Das ist der Chicago-Plan.
  • „(…) die Neuaufstellung des Euro als vollständig gedeckte Digitalwährung (würde) nicht nur die Europäische Währungsunion auf eine nachhaltige Grundlage stellen, sondern auch andauernde politische Zwistigkeiten über die Vergemeinschaftung der Haftung für Banken- und Staatsschulden beenden. Hierzu scheint der EU-Kommission, den Staats- und Regierungschefs der EU und der EZB noch der Mut zu fehlen. Aber was nicht ist, könnte angesichts neuer Krisen und ökonomischen Drucks durchaus noch wachsen.“ – bto: Das dürfte daran liegen, dass sie es nicht verstehen.

flossbachvonstorch-researchinstitute.com: „Der digitale Euro – Geldreform oder weitere Problemverschleppung?“, 30. Juni 2023