DIE WELT optimistisch: „Der kranke Mann der Weltwirtschaft kehrt zurück“
Endlich mal gute Nachrichten! Japan steht doch viel besser da, als man denkt und ich bei bto in den letzten Wochen immer wieder geschrieben habe: weder ein Endspiel noch ein mahnendes Beispiel für Deutschland, sondern: „Der kranke Mann der Weltwirtschaft kehr zurück.“ So zumindest die Schlagzeile der Welt.
Schauen wir uns die Argumentation an:
- „Die Bundesbürger und die Japaner sind im Guten wie im Schlechten miteinander verbunden.“ – bto: Das stimmt!
- „Die Unternehmen des Inselreichs sind auf vielen Gebieten direkte Konkurrenten ihrer deutschen Pendants. (…) Weswegen Ökonomen auch das Auf und Ab der Landeswährung Yen zum Euro mit Argusaugen beobachten.“
- „Vor allem aber bietet Japan, das unter einer ähnlichen Alterung leidet wie Deutschland, einen Vorgeschmack auf unsere eigene Zukunft.“
- „Wegen seiner schlechten Demografie und der hohen Verschuldung wird Japan manchmal als kranker Mann der Weltwirtschaft bezeichnet. Doch die Kapitalmärkte sprechen eine andere Sprache. In den letzten Monaten ist die Landeswährung stark gestiegen. Seit Anfang 2015 hat sich der Yen zum Euro um beachtliche 17 Prozent verteuert.“ – bto: Warum ist das so? Ist es die Folge von Kapitalzuflüssen zu Investitionszwecken oder ist es die Re-Patriierung im Ausland angelegter Gelder von Japanern und/oder ist es ein ‚Deleveraging‘ von Leuten, die sich in Yen verschuldet haben, und jetzt den ‚Carry-Trade‘ zurückführen? Ohne dies zu wissen, kann man aus der Tatsache einer Aufwertung gar nichts schließen!
- „Diese Aufwertung mutet umso kurioser an, als die Bank von Japan die Druckerpressen noch schneller rotieren lässt als die Europäische Zentralbank (EZB). (..) Ähnlich wie EZB-Präsident Mario Draghi in Europa will der japanische Notenbank-Chef Haruhiko Kuroda die Inflation anheizen.“ – bto: Auch das ist richtig. Es ist sogar noch dringender, weil die Schulden noch höher sind!
- „Trotz dieser scheinbar höchst inflationären Politik will die Inflationsrate nicht nennenswert anziehen.“ – bto: Wir wissen warum: a) Billiges Geld erhält Zombies, b) fördert Fehlinvestitionen, c) reduziert die Umlaufgeschwindigkeit, d) kann faule Schulden nicht aus der Welt bringen, e) genügt nicht als Anreiz mehr Schulden zu machen …
- „Auch der Wechselkurs verhält sich anders, als die Lehrbücher voraussagen. Statt nach unten geht es nach oben. Von einer Weichwährung Yen kann keine Rede sein. (…) Ein Grund dafür liegt in der Rolle des Yen als Finanzierungswährung für weltweite spekulative Börsengeschäfte (Carry Trades). Weil Geld in Japan so billig ist, nehmen Hedgefonds und andere große Akteure dort Kredite auf und legen sie anderswo auf der Welt gewinnbringend an. Wenn die Börsen allerdings wackeln, wie im ersten Quartal 2016 zu erleben, zahlen die Spekulanten die Kredite zurück.“ – bto: siehe oben.
- „Weder Inflation noch Wechselkurs bewegen sich also in die von der Notenbank gewünschte Richtung. ‚Die unkonventionelle Geldpolitik leidet offenbar unter einer gewissen Abnutzung oder, ökonomisch formuliert, unter einem abnehmenden Grenznutzen‘, sagt Commerzbank-Ökonom Solveen. Mittelfristig werde es Kuroda schwerfallen, das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen.“ – bto: Sie funktioniert nur bei völliger Aushöhlung des Vertrauens in Geld!
- „Allerdings zeigt Nippon auch noch anderes: Eine alternde Gesellschaft kann weiter produktiv und wettbewerbsfähig sein. Seit 1995 ist die Bevölkerung im Erwerbsalter von 15 bis 64 Jahren um 9,6 Millionen Menschen geschrumpft. (…) Gleichwohl habe die reale, also die inflations- und deflationsbereinigte Wirtschaftskraft pro Einwohner im erwerbsfähigen Alter von 2000 bis 2015 um 25 Prozent zugelegt, mehr als in den USA. ‚Japan ist gar nicht so krank.‘“ – bto: Das passt zu meinem Vergleich mit Deutschland. Unterschiede zu uns: bessere Bildung (PISA!), mehr Spitzenbildung, Innovations- und Technikfreundlichkeit, Investitionen in Bildung und Infrastruktur! Unbedingt noch mal lesen! „Wir können froh sein, wenn es uns so ergeht wie den Japanern!“
- „(…) bisher zeigt sich die japanische Gesellschaft ob der drückenden Schuldenlast erstaunlich robust. Trotz der astronomischen Verbindlichkeiten gibt sich das japanische Finanzsystem stabil, Tokio bleibt ein wichtiger Börsenplatz. Von Hyperinflation oder Bankenkrise keine Spur. Das hat damit zu tun, dass der Staat zum großen Teil bei Inländern verschuldet ist.“ – bto: Das höre ich auch immer wieder und habe das Argument schon oft wiederholt. Doch wachsen meine Zweifel, dass es wirklich stimmt. Ich denke, es ist eine Vertrauensfrage. Scheinbar nimmt die breite Öffentlichkeit nicht wahr, was passiert oder alle gemeinsam haben beschlossen, die Kleider des Kaisers zu loben!
→ DIE WELT: „Der kranke Mann der Weltwirtschaft kehrt zurück“, 23. April 2016