Schulden­bremse umgehen: Die Spanien-Formel für neue Bundes­milliarden

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds läuft die Suche nach Wegen zur Schließung der Milliardenlücke. Die Vorschläge gehen von offensichtlich erneut verfassungswidrig – wie das rückwirkende Erklären einer Haushaltsnotlage – bis zu ökonomisch widersinnig – wie die Forderung nach Sondersteuern in die Rezession hinein.

Dabei ist Deutschland nicht das erste Land in der Geschichte, welches plötzlich einen hohen Finanzbedarf hat. Denken wir an Spanien 2012. Damals befand sich das spanische Bankensystem in einer erheblichen Schieflage. Die Immobilienblase war geplatzt und die faulen Kredite überstiegen bei vielen Banken das Eigenkapital. Ein Kollaps des Bankensystems stand unmittelbar bevor und hätte wohl nicht nur die spanische Wirtschaft in eine schwere Depression gestürzt.

Ein Rettungsprogramm musste her, doch der Staat selbst konnte und wollte die Lasten nicht stemmen. Die Lösung des Problems war einfach. Es wurde eine Gesellschaft namens Sareb gegründet, die den Banken die faul gewordenen Kredite abkaufte.

Sareb selbst ist privatwirtschaftlich organisiert und gehört zu 55 Prozent privaten Unternehmen und zu 45 Prozent dem Staat. Das Geld zum Aufkauf der Kreditportfolios der Banken beschaffte sich Sareb durch die Ausgabe von Anleihen im Kapitalmarkt, für die der spanische Staat bürgte. Die Banken, die die Anleihen bei Ausgabe zeichneten, verkauften diese dann an die spanische Notenbank weiter.

Da der Staat nur Minderheitsaktionär ist, zählen die Schulden der Sareb nicht zur offiziellen Staatsschuld Spaniens. Da die Notenbank letztlich die Finanzierung übernommen hat, wurden die für die Rettung der spanischen Banken benötigten Mittel faktisch frisch geschaffen. Die EZB begrüßte das Vorgehen damals als wegweisend für die Rettung eines Bankensystems.

Ging es im Falle Spaniens um die Bereinigung vergangener Fehler, geht es in Deutschland um die Finanzierung der dringend erforderlichen Modernisierung unseres Landes und die Begleitung der klimapolitischen Transformation.

Im ersten Schritt sollte die deutsche Wirtschaft deshalb gemeinsam mit dem Bund eine Gesellschaft für Modernisierung und Transformation (GMT) gründen, zu 51 Prozent im Besitz der Wirtschaft und zu 49 Prozent im Besitz des Staates. Die GMT würde dann vom Staat garantierte Anleihen ausgeben, um die gewünschten Aufgaben zu finanzieren.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Wie in Spanien werden auch in Deutschland die Verbindlichkeiten von Unternehmen, an denen der Staat einen Minderheitsanteil hält, nicht zur Staatsschuld gezählt. Wie in Spanien – und den anderen EU-Staaten – werden auch Bürgschaften des Staates nicht zur Staatsschuld gezählt.

Hinzu kommt, dass uns die privatwirtschaftliche Führerschaft der Transformation die Chance eröffnet, die gerade auch im Klimaschutz wichtigen Grundsätze von Effizienz und Effektivität der Maßnahmen durchzusetzen.

Inflation? Kein Problem, wenn …

Wie in Spanien bestünde auch für uns die Möglichkeit, dass die Bundesbank im Rahmen der Kapitalmarktpflege die neu ausgegebenen Anleihen kauft. Hat Spanien damals neue Euro geschaffen, die im gesamten Euroraum gelten, um das eigene Bankensystem zu retten, so würden wir heute neue Euro schaffen, um Deutschland zu sanieren.

Bevor jetzt der Aufschrei kommt, dass die Finanzierung durch die Notenbank einem „Gelddrucken“ entspricht, nur der Hinweis, dass jede Art von Staatsverschuldung dazu führt, dass neues Geld in Umlauf kommt. Angesichts der hohen und anhaltenden Defizite der anderen Eurostaaten ist es deshalb nur fair, dass auch wir zumindest teilweise dabei mitmachen.

Aber würde dieses Vorgehen nicht die Inflation anheizen? Nicht zwangsläufig. Einen großen Effekt hat die Art und Weise wie die Mittel verwendet werden. Je effizienter und effektiver, desto geringer das Inflationsrisiko.

Und was ist mit der Bilanz der Bundesbank, die durch den Ankauf der Anleihen noch länger wird? Wenn wir ganz sicher gehen wollen, kann die GMT ihre Mittel auch über den Umweg über eine Bank in Mailand oder Paris nach London und von dort zurück nach Deutschland überweisen und so die Target 2 Forderungen der Bundesbank reduzieren. Die Bundesbankbilanz wäre dann genauso groß wie vor der Gründung des GMT. Aber die Kassen für die Transformation wären gefüllt und die Target Guthaben einem produktiven Zweck zugeführt.

Spanien hat 2012, wie übrigens ähnlich auch Irland, unbemerkt und heimlich neues Geld geschaffen, um Probleme der Vergangenheit zu lösen. Wir hingegen wollen in die Zukunft Deutschlands und damit der EU investieren und dabei jene Mittel mobilisieren, die wir in den vergangenen Jahren auf der Bilanz der Bundesbank angespart haben.

Wann, wenn nicht heute, sollten wir diesen Schritt gehen?

→ welt.de: „Schuldenbremse umgehen: Die Spanien-Formel für neue Bundesmilliarden“, 27. November 2023