Die deutsche Finanz­politik basiert auf Lug und Trug

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht die Bundesregierung als Trickbetrügerin da: An den Grundsätzen der Verfassung vorbei wurden Mittel beschafft, um die Folgen der dilettantisch durchgeführten „Transformation“ der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft zu kaschieren.

Zur Wahrheit gehört leider, dass die Ampel damit nur die Tradition deutscher Finanzpolitik fortgesetzt hat. Unter unionsgeführten Regierungen war es nicht besser. Gemein haben die politischen Verschleierungsstrategien, dass sie die Kosten für den Steuerzahler weiter erhöhen.

Das beginnt mit der Erzählung, die „Rettung“ Griechenlands sei für den deutschen Steuerzahler ein gutes Geschäft gewesen. Schließlich bekämen wir Zinsen. Wie das mit der spürbaren Entlastung des griechischen Staatshaushalts zusammenpasst, wird nicht hinterfragt.

Dabei ist die Erklärung einfach: Man tut so, als wäre ein Euro im Jahr 2041, wenn die letzten Schulden zurückbezahlt werden sollen, so viel wert wie zum Zeitpunkt der Kreditvergabe. In Wahrheit stellen die zinsgünstigen Kredite ein Geschenk an Griechenland da, welches uns so viel kostet, wie es den Griechen Gewinn bringt.

Auch sonst spielt die Politik gern auf Zeit. Der frühere Finanzminister Wolfgang Schäuble hat seine „schwarze Null“ auch dadurch erzielt, dass er für neue Anleihen einen Zins über Marktniveau bot. Die Anleihen wurden zum Ausgleich zu einem Kurs über Pari ausgegeben.

Das heißt: Zinsen werden nur auf 100 Euro bezahlt, und man bekommt am Ende nur 100 Euro zurück, aber man bezahlt für die Anleihe mehr als 100 Euro. Das Aufgeld auf den Rückzahlungswert wurde als Einnahme im Haushalt verbucht. Bis 2017 kamen so laut Kreditaufnahmebericht des Bundes 20 Milliarden Euro zusammen. Da künftige Haushalte durch die höheren Zinszahlungen belastet werden, ist das nichts anderes als verschleierte Kreditaufnahme.

Kurzfristige Schulden sind teuer

Schäubles Nachfolger Olaf Scholz agierte nicht anders. Er beschaffte sich in seinen vier Jahren als Finanzminister auf die gleiche Weise über 32 Milliarden Euro. Als am teuersten dürfte sich die Entscheidung entpuppen, einen großen Teil der Corona-Schulden kurzfristig aufzunehmen. Zwischen 2017 und 2021 stieg der Anteil der kurzfristigen Finanzierungsmittel auf über elf Prozent. Durch den deutlichen Zinsanstieg kostet das den Steuerzahler jetzt jedes Jahr mehrere Milliarden Euro.

Man fragt sich, weshalb die deutsche Regierung nicht wie andere Staaten die Niedrigzinsphase zur Ausgabe von lang laufenden Anleihen genutzt hat. Man denke an die 100-jährige Anleihe Österreichs.

Ein weiterer Problembereich sind kostspielige Verpflichtungen, die der Staat für die Zukunft eingeht, ohne diese transparent zu machen. Mitarbeiter im öffentlichen Dienst werden verbeamtet, um die Kosten für die Rentenbeiträge zu sparen – obwohl die künftigen Pensionen ungleich höher sind.

Es werden Sozialleistungen im Wert von Hunderten Milliarden Euro zugesagt, die mit heutigen Beiträgen nicht zu leisten sind. Es werden Zusagen für europäische Rettungs- und Solidaritätsprogramme gemacht, deren wahre Kosten und Risiken unklar sind. Dies alles hält die zuständigen Politiker nicht davon ab, mit staatstragender Miene die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen zu beschwören.

Wer liest, was der Bundesrechnungshof schreibt?

Es ist nicht so, dass diese Verhaltensweisen geheim wären. Der Bundesrechnungshof rügt regelmäßig diese Finanztricks. Die Regierung reagiert nach dem Motto „Gelesen, gelacht, gelocht!“ Damit kommt sie auch deshalb durch, weil die Kritik kaum von den Medien aufgenommen wird.

Was tun? Statt im Nachhinein die Gesetze zu überprüfen, sollte eine Analyse durch den Bundesrechnungshof verpflichtender Bestandteil von Gesetzesvorlagen sein und auch in die öffentliche Diskussion einfließen. Außerdem sollte der Staat inklusive der Sozialversicherung wie ein Unternehmen bilanzieren und Auskunft über die Entwicklung von Vermögen und Verbindlichkeiten geben. Dann wäre Schluss mit Lug und Trug.

→ handelsblatt.com: „Die deutsche Finanzpolitik basiert auf Lug und Trug“, 03. Dezember 2023