Die Erbschaft­steuer und das Renten­system sind ungerecht

Liest man die Analysen zur gesetzlichen Rente im aktuellen Gutachten der sogenannten Wirtschaftsweisen, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass Reformen längst überfällig und vor allem unvermeidlich sind. Das deutsche System zur Altersvorsorge ist ungerecht, nicht nachhaltig und wenig leistungsfähig.

Höchst ungerecht ist, dass Beamte mit ihrem Pensionssystem nicht Bestandteil der gesetzlichen Rentenversicherung sind. So liegen die Altersbezüge der Beamten deutlich über denen der Rentenempfänger (bis zu 71,75 Prozent des letzten Gehaltes im Vergleich zu 53 Prozent), und dies bei einer rund zwei Jahre höheren durchschnittlichen Lebenserwartung.

Während die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag anstrebt, Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen, bleibt das Millionenheer an Beamten aus unerfindlichen Gründen außen vor.

Andere Staaten wie Österreich und die Schweiz haben entsprechende Reformen bereits vor Jahrzehnten durchgeführt, ohne dass der öffentliche Dienst deshalb an Qualität eingebüßt hätte. Eine überdurchschnittliche Qualität dürfte der staatlichen Verwaltung in Deutschland ohnehin kaum zugesprochen werden.

Wenig nachhaltig ist, dass angesichts der demografischen Entwicklung im deutschen Rentensystem entweder die Belastung der noch erwerbstätigen Bevölkerung wächst, das Rentenniveau sinkt oder das Rentenalter steigt. Natürlich kann man das Problem fortwährend leugnen – wie es auch einer der Wirtschaftsweisen, Achim Truger, in seinem Minderheitsvotum tut – und eine steigende Belastung der Beitragszahler und der Gesamtwirtschaft als verkraftbar abtun.

Leistungsniveau bei der Rente im Vergleich dürftig

Richtiger dürfte dagegen sein, was Trugers Kollegin Veronika Grimm ausführt, nämlich, dass die Flucht aus dem System weiter zunimmt – inklusive Auswanderung – und der Standort auch in dieser Hinsicht weiter deutlich an Attraktivität verliert. Die Reform ist deshalb dringend, gerade auch mit Blick auf die Generationengerechtigkeit.

Dabei müssen wir uns vor Augen halten, dass das Leistungsniveau der gesetzlichen Rentenversicherung im internationalen Vergleich dürftig ist. Niederländer bekommen laut OECD 89 Prozent ihres letzten Nettogehalts, Griechen 84, Italiener 82 und Franzosen immerhin noch 74 Prozent. Umso wichtiger ist es, mit einer kapitalgedeckten Säule das Niveau künftiger Renten zu erhöhen.

Auch dies kritisiert Truger in seinem Minderheitsvotum und warnt vor Finanzkrisen und Crashs, die Rendite kosten würden. Dabei sind diese nur temporär, und das Risiko einer nur von der deutschen Wirtschaftsleistung abhängigen Altersversorgung ist ungleich größer, als wenn das angesparte Kapital international gestreut angelegt wird.

Reform der Erbschaftsteuer möglich

Dabei gäbe es eine Idee, die Trugers Abneigung gegen die kapitalgedeckte Säule mit seiner Sympathie für eine Ausweitung der Erbschaftsteuer kombiniert. Der Steuerrechtsexperte Dirk Löhr schlägt in einem Aufsatz vor, diese beiden Konzepte zu verbinden. So sollte die auch verfassungsrechtlich umstrittene Befreiung von Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer zugunsten eines einheitlichen Steuersatzes auf alle Erbfälle aufgegeben werden.

Um eine übermäßige Belastung der Unternehmen zu verhindern, sollte es dem Vorschlag nach möglich sein, die Steuerzahlung auf bis zu 33 Jahre zu verteilen, wobei dem Staat als Gläubiger jedes Jahr ein Anteil am Gewinn zustünde.

Diese Einnahmen sollten nicht im allgemeinen Steuertopf versinken, sondern ausschließlich zum Aufbau eines Fonds dienen, aus dem alle Bürger nach Erreichen der Altersgrenze eine jährliche Zahlung erhalten. In der Tat könnte so ein Fonds der Nukleus sein, um den herum weitere kapitalgedeckte Vehikel entstehen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sollte erwägen, diese Idee mit in die Verhandlungen mit seinen Koalitionspartnern zur Aktienrente zu nehmen. Es wäre nicht nur ein Anreiz für die dem Konzept kritisch gegenüberstehenden Linken in SPD und Grünen, sondern ein Beitrag für mehr Gerechtigkeit und eine bessere Altersversorgung.

→ handelsblatt.com: „Erbschaftsteuer und das Rentensystem sind ungerecht“, 26. November 2023