Frankreich lässt uns bezahlen

„Die Grille und die Ameise“ ist eine Fabel des französischen Schriftstellers Jean de La Fontaine. In der Kurzfassung geht sie so: Während die Grille im Sommer Party feiert, sammelt die Ameise Vorräte für den Winter und baut sich ein warmes Nest. Als dann der Winter einbricht, hungert und friert die Grille, während die Ameise von ihrer Vorsorge profitiert.

Natürlich wäre es nicht richtig, Frankreich mit der Grille und Deutschland mit der Ameise gleichzusetzen. Aber so ganz daneben ist der Vergleich auch nicht. Lagen die Staatsschulden Deutschlands und Frankreichs vor 15 Jahren noch auf demselben Niveau, so haben sie sich seither massiv auseinanderentwickelt. Schuldenbremse und „schwarze Null“ hier, hohe und wachsende Defizite dort.

Doch damit endet die Analogie mit der Fabel. Denn anders als in der Geschichte von La Fontaine hat Frankreich faktisch unbegrenzten Zugang zu den Vorräten Deutschlands. Das liegt daran, dass wir uns mit Frankreich eine Währung teilen. Hätten wir noch D-Mark und Franc, würde Letzterer angesichts der Staatsschuldenkrise bei unseren Nachbarn massiv abwerten, die Exporte befeuern und so mithelfen, die Probleme des Landes in den Griff zu bekommen.

Nun aber, mit dem Euro, ist die Krise Frankreichs immer auch die Krise der Währungsunion und damit eine Krise Deutschlands.

Die enorme Höhe der französischen Schulden von 3,2 Billionen Euro, das jährliche Defizit von mehr als sechs Prozent der Jahreswirtschaftsleistung, der gigantische Finanzierungsbedarf, wenn man auch die Umschuldung fälliger Anleihen berücksichtigt, von über 300 Milliarden Euro 2025 bedeuten, dass Frankreich Deutschland und die anderen Euro-Mitglieder zur Solidarität zwingen kann und wird.

Ganz nach dem Bonmot: „Wenn du der Bank 100 Dollar schuldest, hast du ein Problem; wenn du der Bank 100 Millionen Dollar schuldest, hat die Bank ein Problem.“

Instrumente warten nur auf ihren Einsatz

Die Optionen sind klar: Entweder Deutschland stimmt der von Frankreich und Italien schon seit Jahren geforderten Schulden- und Transferunion zu und opfert seine noch gute Bilanz auf dem Altar der europäischen Solidarität, oder es akzeptiert stillschweigend die Intervention der Europäischen Zentralbank (EZB) zugunsten Frankreichs.

Wäre Letzteres in Vorinflationszeiten noch unter dem Deckmantel des „Quantitative Easing“, also der expansiven Geldpolitik, möglich gewesen, so muss es nun offen als Finanzierungshilfe für den französischen Staat erfolgen. Die Instrumente sind bereits geschaffen und warten nur auf ihren Einsatz.

Da ist das sogenannte Transmission-Protection-Instrument, welches vorgibt, eine kurzfristige Störung in den Finanzmärkten zu korrigieren, indem die EZB die Staatsanleihen eines Landes aufkauft, das „ungerechtfertigt“ in Finanzierungsnöte kommt. Zum anderen sind da mittelfristig die Outright Monetary Transactions, Käufe von Staatsanleihen eines Landes, das einen der europäischen Rettungsschirme in Anspruch nimmt und sich an die dafür geltenden Fiskalregeln hält.

Es ist nicht zu erwarten, dass diese Auflagen streng sein werden, gilt doch in der EU nicht erst seit dem legendären Spruch des früheren EU-Kommissionspräsidenten Juncker – „Weil es Frankreich ist“ – die Regel, dass Frankreich tun und lassen kann, was es will, wenn es um die Staatsfinanzen geht.

Damit ist endgültig klar, dass der Euro der Lira gleicht und nicht der Mark. Das bedeutet allerdings, dass wir uns in Deutschland auf diesen Umstand einstellen müssen. Wer in einer Schuldenunion, die am Tropf der Notenbank hängt, spart, ist der Dumme.