Agenda 2010 war nichts verglichen mit dem, was wir jetzt tun müssten
Derzeit wird in Deutschland gern über die Frage diskutiert, ob Elon Musk oder Javier Milei als Vorbilder dienen könnten. Die Tatsache, dass wir im Vergleich dazu weniger über die enorme Sanierungsaufgabe sprechen, vor der wir stehen, verspricht wenig Gutes für die Zeit nach der Wahl. Uns droht ein kraftloses „Weiter-so“, verpackt in markige Sprüche von „Wirtschaftswende“, „Wieder nach vorne“ oder einfach nur „Zuversicht“.
Zur Erinnerung: Wir sind stark in Industrien, die es bereits gab, als in Deutschland noch ein Kaiser regierte. Wir haben diese Industrien über Jahrzehnte erfolgreich weiterentwickelt und es in vielen Bereichen zur Weltmarktführerschaft gebracht.
Doch mit der Einführung des Euros, spätestens mit Beginn der Euro-Krise fiel die starke Währung weg. Sie hatte mit ihrer regelmäßigen Aufwertung für konstanten Druck zur Verbesserung gesorgt. Bekam man im Jahr 2007 für einen Euro noch 1,60 Franken, sind es heute nur noch 0,93 Franken. Ein Verlust von 42 Prozent! Gegenüber dem US-Dollar verlor der Euro im selben Zeitraum rund 30 Prozent. Es ist also kein Wunder, dass die Exporte boomten und die Produktivitätszuwächse nachgelassen haben.
Wirtschaft wie Politik handelten bis zur Coronapandemie, als würde der Boom nie enden. Im Glauben, ein „reiches Land“ zu sein, wurde dieser Reichtum mobilisiert, um den Sozialstaat auszubauen, der Welt ein „menschliches Gesicht“ in der Migrationspolitik zu zeigen und zum vermeintlichen Vorbild bei der Energie- und Klimapolitik zu werden.
Zeitgleich ließ man die Infrastruktur und das Bildungswesen verfallen und störte sich nicht am zunehmenden Rückstand bei der Digitalisierung und dem starken Zuwachs an Beschäftigung in der ineffizienten staatlichen Verwaltung.
Nach fünf Jahren Stagnation müsste inzwischen eigentlich dem Letzten klar sein, dass der Boom zu Ende ist. Wir haben die Grundlagen unseres Wirtschaftsmodells – billige Energie, gut ausgebildete Arbeitskräfte, ein leistungsstarkes Gemeinwesen – systematisch ausgehöhlt, während die Wettbewerber, allen voran China, sich deutlich verbessert haben. Der schwache Euro genügt nicht mehr, um diesen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit zu kompensieren.
Den Sozialstaat gründlich reformieren
Verglichen mit der heutigen Herausforderung war die Agenda 2010 ein Spaziergang. Der Sozialstaat muss gründlich reformiert, verkleinert und zielgenauer gemacht werden. Die Energiepolitik muss sichere und günstige Versorgung zum übergeordneten Ziel haben. Die öffentliche Verwaltung muss durch Wegfall von Aufgaben, Rücknahme von Gesetzen und Verordnungen – also durch konsequenten Bürokratieabbau – und eine massive Vereinfachung des Steuerrechts verkleinert und zugleich schlagkräftiger gemacht werden.
Zudem muss der Staat aufhören, mit immer mehr Subventionen – diese haben sich seit 2015 auf drei Prozent des BIP mehr als verdoppelt – die Wirtschaft „transformieren“ zu wollen. Stattdessen muss er die Rahmenbedingungen schaffen, damit sich die Wirtschaft freier entwickeln kann.
Doch die Wahrscheinlichkeit, dass auch nur ein Bruchteil dieser Notwendigkeiten in der künftigen Regierungskoalition umgesetzt wird, ist minimal. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass viele Unternehmen zweifeln, ob es noch sinnvoll ist, in Deutschland zu investieren. Denn eine Reform zum Besseren müsste jetzt stattfinden, wenn sie noch etwas bewirken soll. In vier Jahren wird es deutlich zu spät sein.