Frank Schäffler bespricht das „Das Märchen vom reichen Land“
Der FDP Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler hat bei TICHYS EINBLICK eine Besprechung meines Buches veröffentlicht:
Daniel Stelter ist ein ungewöhnlicher Ökonom. Nach einer erfolgreichen Beraterkarriere zog es ihn nicht in die Wissenschaft oder Politik, sondern er gründete seinen eigenen kleinen Think Tank „beyond the obvious“ und betätigte sich als fleißiger, kundiger und innovativer Vielschreiber in Zeitungen, Zeitschriften und Blogs. Im Hayekschen Sinne geht es ihm um den Kampf der Ideen. Er will mit seinen Argumenten überzeugen. Sein jüngstes Buch „Das Märchen vom reichen Land“ ist ein überzeugendes Beispiel dafür. Der Spiegel-Bestseller ist inzwischen bereits in der 6. Auflage erschienen und räumt mit dem Mythos auf, dass die Deutschen die großen Profiteure in Europa seien.
In 10 Kapiteln unterstreicht er seine These, um dann im 11. Kapitel seine Vorschläge für einen grundlegenden Neustart zu machen. Zwar verdienen die Deutschen im internationalen Vergleich gut, beim Nettovermögen liegen wir jedoch zurück. Nicht nur hinter Spanien und Frankreich, sondern selbst hinter Griechenland. In Deutschland wir zu wenig investiert und zu viel konsumiert. Der Mythos der reichen Deutschen wird vor allem vom Exporterfolg der deutschen Industrie genährt. Doch diese, so weist Stelter schlüssig nach, hat viel mit der Illusion des Euro zu tun. Das billige Geld der EZB und die vergleichsweise niedrige Bewertung des Euro sind ein Subventionsprogramm für die Industrie, insbesondere für die Autokonzerne. Sie werden im außereuropäischen Export billiger, was ihnen, verbunden mit der hohen Qualität deutscher Automobilfertigung, einen enormen Wettbewerbsvorteil beschert. Doch diese Entwicklung basiert wesentlich auf der ökonomischen Entwicklung Chinas, die auf Pump finanziert ist. Bricht das chinesische Wirtschaftsmodell zusammen, dann gehen bei vielen Autokonzernen die Lichter aus.
Die Analyse liegt nicht so weit weg von der meinigen, die ich 2014 in meinem Buch „Nicht mit unserem Geld“ formuliert habe. Die Niedrigzinspolitik der EZB hat erhebliche Kollateralschäden. Auch damit beschäftigt er sich. Werden die Zinsen abgeschafft, dann kann mit Staatsanleihen auch kein Geld mehr verdient werden. Alle diejenigen, die Lebensversicherungen, Bausparverträge und Festgelder bevorzugen, sind die Verlierer. Sie werden kalt enteignet. Der Staat, Immobilien- und Aktienbesitzer profitieren vom billigen Geld.
Der Handelsbilanzüberschuss Deutschland ist für Stelter eher ein Grund zur Sorge. In einer überschuldeten Welt führt dies leicht zum Totalverlust. Besser wäre es, wenn in Deutschland investiert und angelegt würde. Daher ist er, und da unterscheiden wir uns, kein Freund der „schwarzen Null“, in der Haushaltspolitik. Doch die GroKo in Berlin tut eh alles dafür, dass dieser historische Augenblick nur eine kurze Periode war. Anders sieht es aus, wenn er über die Target-Problematik schreibt. Hier erkennt er, dass die wachsenden Salden zu einem Erpressungspotential der Nehmerländer gegenüber den Geberländern führen.
Seine These, dass die „schwarze Null“ in den öffentlichen Haushalten den Kapitalexport fördert, ist zu eindimensional gedacht. Wenn eine Bundesregierung die Bedingungen für Investitionen im Inland verbessern würde, dann müsste nicht geschehen, was er mit seinen Ausführungen zum Kapitalexport richtig beschreibt. Sowohl bei den Unternehmenssteuern als auch bei der Abgabenbelastung der Bürger ist Deutschland wieder international auf einem vorderen Negativplatz. Daher sind die Standortbedingungen entscheidend. Kapital ist bekanntlich scheu wie ein Reh, daher darf man sich nicht wundern, wenn anderswo bessere Investitionsbedingungen herrschen. Die letzten großen Reformen sind mit den Hartz IV-Reformen bereits 15 Jahre zurück. Seitdem ist nicht viel passiert, und die Merkel-Regierung ruht sich auf diesen Erfolgen nach wie vor aus. Deutschland ist reformmüde und daher nicht für die Zukunft gerüstet.
Etliche seiner Vorschläge zur Reform der Eurozone sind unterstützenswert. Vor einem Zerfall der Eurozone warnt er mit Recht. Sie würde zu einer schweren Rezession auch bei uns führen. Er verweist auf den Abwertungsdruck gegenüber dem Dollar von rund 40 Prozent für Spanien,
Griechenland, Italien und Portugal und von 10 Prozent für Deutschland. Der Aufwertungsdruck Deutschlands gegenüber den Südländern wäre wahrscheinlich ähnlich hoch. Dies würde insgesamt zwangsläufig zu einer massiven Kapitalflucht aus Europa führen. Was sich über viele Jahre im Euroraum an wirtschaftlichen Ungleichgewichten aufgebaut hat, kann nicht mehr so einfach ohne schwerwiegende ökonomische Verwerfungen bereinigt werden. Da hilft es auch wenig, wenn man sagt, man könne nicht so weitermachen wie bisher. Das stimmt zwar, aber eine 180-Grad-Wende ist dennoch nicht sinnvoll.
Es ist ein wenig wohlfeil, dann auf die Politik einzudreschen. „Unsere Politiker können offensichtlich nicht rechnen“, schreibt er in Kapitel 10. Das gehört so in die Kategorie „alle Volkswirte haben sich geirrt“ oder „alle Journalisten schreiben von einander ab“. Pauschalierungen werden der Sachlage nicht gerecht. So ist es auch, wenn er vom Versagen der „politischen Eliten“ spricht. Das klingt etwas nach Marx und Engels, die diese Eliten wegfegen wollten. Dennoch sind viele seiner dann folgenden Vorschläge sinnvoll. Bildungsinvestitionen, private Investitionen, Steuerung der Zuwanderung und vieles mehr. Warum er jedoch eine höhere Erbschaftsteuer fordert, wird mir nicht so ganz klar. Ist doch eine der Erfolgsgeschichten dieses Landes, dass wir viele Hidden Champions im Bereich der Familienunternehmen haben, die in der Fläche über Generationen erfolgreich tätig sind. Auch seine „Szenario drei“ zur Lösung der Eurokrise ist zu statisch. Die Schaffung eines Schuldentilgungsfonds mit Eurobonds unterstellt, dass sich danach die Regelgebundenheit der Schuldenstaaten verbessern würde. Das ist eine Illusion. Es würde zu einer Vergemeinschaftung der Schulden und einer geringeren Verantwortung für die jeweilige Regierungsleistung führen. Ein geordneter Ausstieg derjenigen, die es innerhalb der Eurozone nicht schaffen oder nicht schaffen wollen, wäre da ein weniger invasiver Eingriff.
→ tichyseinblick.de: “„Das Märchen vom reichen Land“”, 9. Mai 2019