EU: Wer spart, ist der Dumme

„Würden die Menschen das Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh“, soll Autopionier Henry Ford einmal gesagt haben. Vor einigen Jahren hat eine Umfrage unter britischen Abgeordneten ergeben, dass 85 Prozent denken, Geld werde ausschließlich vom Staat geschaffen. Man kann getrost davon ausgehen, dass es bei unseren Abgeordneten nicht besser aussieht. Wenn die politischen Akteure unser Geldsystem nicht verstehen, kann man nicht erwarten, dass sie die richtigen Entscheidungen treffen.

In Wahrheit steht das private Bankensystem für gut 90 Prozent der Geldschöpfung. Jeder neue Kredit einer Bank führt zu einer Ausweitung der Geldmenge. Der Staat spielt nur insofern eine Rolle, als zusätzliche Schulden des Staates ebenfalls zu zusätzlichem Geld führen, wenn die Zentralbanken die zusätzlichen Anleihen aufkauft.

Letzteres hat in einer Währungsunion, wie der Euro-Zone, eine besondere Bedeutung: Macht ein Staat mehr Schulden als andere Mitgliedsländer, entsteht dort mehr Geld, das ohne Wechselkursrisiko überall im Währungsgebiet gilt. Der Nutzen des neuen Geldes fällt in dem betreffenden Land an, der mögliche Schaden durch die Ausweitung der Geldmenge wird sozialisiert.

EZB erzwingt eine Schuldenunion durch die Hintertür

Damit nicht genug. Fühlt sich die Zentralbank dieser Währungsunion außerdem noch verpflichtet, mögliche Zinsunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zu begrenzen, fehlt das Korrektiv des Marktes, das den überproportionalen Schuldenanstieg bremst. Staaten, die solider wirtschaften, stehen dann nicht nur mit Blick auf die Ausweitung der Geldmenge schlechter da, sondern haften auch noch über ihren Anteil an der Notenbank für die aufgekauften Schulden.

Konkret hat die EZB im Juni und Juli angesichts der politischen Turbulenzen in Italien und im klaren Gegensatz zu den selbst postulierten Kriterien für eine solche Intervention 17 Milliarden Euro in die italienischen, spanischen und griechischen Märkte gepumpt, während ihr Portfolio aus deutschen, niederländischen und französischen Schuldtiteln um 18 Milliarden Euro gesunken ist.

Allein 10 Milliarden entfielen dabei auf die Käufe italienischer Anleihen. Beschreitet die EZB diesen Weg weiter – und alles spricht dafür – erzwingt sie so eine Schuldenunion durch die Hintertür, ist es doch unmöglich, jemals die gekauften Anleihen zu verkaufen, da dies umgehend einen Anstieg der relativen Zinsen zur Folge hätte.

Gewinner dieser Politik sind Staaten, die auf höhere Schulden setzen. Sie profitieren vom neuen Geld, werden von der Notenbank unterstützt und gewinnen einen immer größeren Hebel, um eine Schulden- und Transferunion durchzusetzen. Wer in diesem Umfeld Steuererhöhungen durch kalte Progression zulässt, gar Steuererhöhungen fordert und nicht ebenfalls auf Verschuldungspolitik setzt, hat nicht verstanden, wie diese Währungsunion funktioniert.

handelsblatt.com: “Sparen ist in der Europäischen Währungsunion eine Dummheit”, 12.08.2022