Insolvenz oder Vermögensabgabe – was ist besser?

Malte Fischer – der Chefvolkswirt der WirtschaftsWoche – ist einer der schärfsten und klarsichtigsten Analysten der wirtschaftlichen Situation. In seiner Kolumne warnt er regelmäßig vor den Folgen der Schuldenkrise und der ungezügelten Geldpolitik. Über seine Bezeichnung der EZB als neuer Banca d`Italia mit Sitz in Frankfurt hat sogar die Financial Times berichtet.

Entsprechend interessant ist sein Kommentar zum Vorschlag der Bundesbank, die Schuldenkrise über Vermögensabgaben in Krisenstaaten zu lösen. Diesen lehnt er ab. Argumente:

  • Die heutigen Steuerzahler können nichts für die Schuldenlast. Diese wurde ihnen von Eltern und Großeltern ungefragt hinterlassen.
  • Nur eine Staatsinsolvenz würde die Richtigen belasten, nämlich jene, die aus eigenem Entschluss Staatsanleihen gekauft haben und von den Zinszahlungen profitiert haben.
  • Steuern sind Diebstahl, und weil die Käufer der Staatsanleihen wissen, dass diese nur durch noch mehr Steuern bedient werden können, machen sie sich „zu Mittätern staatlicher Enteignungsaktionen“.

Er bevorzugt deshalb den Weg der Staatsinsolvenz. Diese würde jene treffen, die von der Staatsverschuldung zuvor profitiert haben, also Banken und Versicherungen als Hauptgläubiger der Staaten. Und damit deren Kunden. Da die sich aber bewusst für eine indirekte Anlage in Staatsanleihen entschieden hätten, wäre es nur gerecht, wenn diese auch verlieren.

Fischer kritisiert die Bundesbank, dass sie Vermögensabgaben bevorzugt und erinnert dann an das Wesen staatlicher Notenbanken: „Sie sind die Schutzmächte überschuldeter Banken und Staaten und handeln in deren Interesse – nicht im Interesse der Bürger.” Das stimmt sicherlich.

Doch ist es wirklich besser die Schuldenkrise über Staatsinsolvenzen zu beenden?

Zunächst kann man festhalten:

  • Es herrscht zunehmend breiter Konsens, dass die Schuldenlast in einigen Staaten so hoch ist, dass diese nicht mehr auf ordentlichem Wege bedient werden kann.
  • Es wird auch breiter anerkannt, dass es nicht nur ein Staatsschuldenproblem ist, sondern in vielen Ländern auch ein Problem des Privatsektors.
  • Die Option des “Aus-der-Krise-heraus-Sparens“ hat sich als nicht tauglich erwiesen. Die Wirtschaftsleistung bricht zu sehr ein.
  • Die erhoffte Inflation tritt nicht ein. Im Gegenteil verstärken sich weltweit die deflationären Tendenzen. Und selbst wenn wir etwas Inflation haben, dürfte diese nicht ausreichen, um den Schuldenberg zu entwerten.
  • Damit wird klar: Es bleiben Insolvenzen. Die Schulden werden „restrukturiert“, und es entstehen Verluste.

Jetzt geht es nur um diese Frage: Wer trägt den Verlust?

Malte Fischer folgt einem klar marktwirtschaftlichen Ansatz: Jene, die Anleihen von Staaten und Banken gekauft haben, sollen auch die Verluste tragen. Auf den ersten Blick ist das gerecht. Doch auf den zweiten kommen Zweifel:

  • Die geringere Steuerlast für Eltern und Großeltern hat dazu geführt, dass die Vermögen entsprechend angestiegen sind. Bei höheren Steuern wäre das Vermögen heute tiefer.
  • Für viele Sparer ist es keine bewusste Entscheidung, in Staatsanleihen zu investieren. Oft wissen sie gar nicht, dass sie Staatsgläubiger sind. Sie sparen bei Banken oder Versicherungen, die über staatliche Regulierung (Basel 2, Solvency) zur Anlage in Staatsanleihen getrieben werden.
  • Die Staats- und Bankeninsolvenz würde mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit eine Panik in den Märkten auslösen und wie bei einem klassischen Banken-Run auch gesunde Schuldner in Mitleidenschaft ziehen. Dadurch wäre der Vermögensverlust vermutlich größer als bei einem geordneten Verfahren.
  • Gerade für die Masse der Sparer stellen Lebensversicherungen und Sparprodukte den Großteil des Vermögens dar. Sie haben nur begrenzt die Möglichkeit, in Sachwerte und andere Kapitalanlagen zu diversifizieren. Folge: erheblicher sozialer Sprengstoff.

Gerade letzter Punkt spricht aus meiner Sicht für eine Lösung über Vermögensabgaben und Steuern. Wenn breite Teile der Bevölkerung einen Großteil ihrer Ersparnisse verlieren, während andere dank besserer Anlageentscheidungen und -möglichkeiten ungeschoren aus der Krise hervorgehen, sind massive soziale Verwerfungen programmiert. Diese zu verhindern ist gerade auch im Interesse jener, die über große Vermögen verfügen.

Die Bundesbank hat die Regierenden daran erinnert, dass jedes Land seine Probleme selber lösen soll und kann. Dafür sollten wir ihr dankbar sein. Denn die viel größere Verteilungsdiskussion steht uns in Europa bevor. Und hier dürften Malte Fischer und beyond the obvious einer Meinung sein: Wir sollten alles tun, um den deutschen Steuerzahler vor zu viel falsch verstandener Solidarität zu schützen.

WirtschaftsWoche Online: Bundesbank auf Irrwegen, 29. Januar 2014