Wie Frankreich Deutschland mit billigem Strom Konkurrenz macht
Morgen (22. Oktober 2023) thematisieren wir im Podcast unter anderem den „Kompromiss“ der EU-Energieminister in der vergangenen Woche.
Um was es geht, erklärte Julia Borutta, Leiterin des ARD-Hörfunkstudios in Paris am 9. Oktober 2023 in einem Bericht.
- „Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat einen Plan. Er will die Strommarktreform der EU nutzen, um den französischen Atomstrom günstiger zu machen. Sein Argument: Weil die Kernenergie so CO2-arm sei, müsse sie ebenso wie die Erneuerbaren besonders gefördert werden.“ – bto: Wer kann es ihm verdenken?
- „Es geht um die sogenannten Differenzverträge. Sie ermöglichen es, einen Garantiepreis zwischen Staat und Stromerzeuger auszuhandeln. So sollen Anreize für Investitionen in klimafreundliche Energieanlagen geschaffen werden. Liegt der Marktpreis unter dem Garantiepreis, schießt der Staat Geld dazu. Liegt der Marktpreis über dem ausgehandelten Garantiepreis, darf der Staat die Gewinne abschöpfen und reinvestieren. Wenn Frankreich nun für einen Großteil seiner bestehenden Meiler, die bis zu 70 Prozent des französischen Stroms produzieren, Differenzverträge mit einem niedrigen Garantiepreis abschließen könnte, wäre das äußerst attraktiv. Frankreichs Privathaushalte und Industrie hätten sehr günstigen Strom, und wenn der Markpreis steigt, würde der Staat viel Geld abschöpfen, um damit seinen Nuklearpark zu sanieren und ganz allgemein die heimische Industrie zu fördern.“ – bto: Das ist eben rationale Politik.
- „Dieser Plan stößt in Deutschland auf massiven Widerstand, erklärt Energiefachmann Marc-Antoine Eyl-Mazzega vom Pariser IFRI Institut: ‚Deutschland will verhindern, dass Frankreich einen niedrigen Garantiepreis mit seinem Atomstromkonzern EDF abschließt.‘ Denn Berlin muss selber hohe Garantiepreise festsetzen, um ausreichend Investoren anzulocken, die in die Erneuerbaren Energien in Deutschland investieren wollen.“ – bto: Vorteil Frankreich. Wohlverdient!
- „Deutschland fürchtet um seine Wettbewerbsfähigkeit Wind- und Solaranlagen, neue Trassen und Speicherkapazitäten: All das wird in Deutschland rasend teuer.“ – bto: … sagt plötzlich auch der ÖRR!!!
- „Die französische Regierung will die Folgen des deutschen Atomausstiegs nicht mittragen müssen, sondern mit den Differenzverträgen endlich von der teuren Kopplung des Strompreises vom Gaspreis loskommen. Mit der Strommarktreform wittert Paris eine Chance, in die Offensive zu gehen. (…) Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire stellte im Juni gegenüber der Nachrichtenagentur AFP klar, Frankreich werde auf keinen der Wettbewerbsvorteile, die die Kernenergie biete, verzichten.“ – bto: Warum sollten sie auch?
Robert Habeck hat vor der Sitzung noch davon gesprochen, dies zu verhindern und hinterher dann von einem „guten Kompromiss“ gesprochen. Dabei hat Frankreich sich durchgesetzt. Auch das Handelsblatt kam nicht umhin, das anzuerkennen:
- „Die Bundesregierung wollte sich ursprünglich hingegen nicht darauf einlassen, dass Frankreich seinen gesamten Reaktorbestand unter die Förderung von Differenzverträgen stellt und diese zur Senkung der heimischen Strompreise nutzt – und zwar ‚ohne staatliche Beihilfeprüfung über einen Fonds oder den Staatshaushalt‘. Deutsche Verhandlungskreise sehen diesen Standpunkt auch in der Einigung der Energieminister vertreten.“ – bto: … in der üblichen Leugnung der Fakten und vor allem im naiven Glauben, Frankreich etwas entgegensetzen zu können.
- „Allerdings findet sich in dem Einigungstext die Passage, dass Differenzverträge auch angewendet werden können, um ‚existierende Stromerzeugungsanlagen hochzufahren oder ihre Kapazitäten substanziell zu erhöhen oder ihre Lebensdauer zu verlängern‘. Diese Formulierung sieht die französische Regierung als Freibrief, um ihre 56 bestehenden Reaktoren über die neuen Regelungen zu fördern.“ – bto: Ich würde das auch so verstehen.
- „‚Wir haben unser Ziel erreicht, die Franzosen vor den Preisen eines auf Gas ausgerichteten Energiemix zu schützen‘, hieß es aus Élysée-Kreisen. Französische Haushalte und Unternehmen würden auch weiterhin von den niedrigeren Produktionskosten des französischen Energiemix profitieren, bei dem der Atomstrom rund 70 Prozent ausmacht.“ – bto: Victoire!
Frankreich hat Recht und Deutschland verdient kein Mitleid.
→ tagesschau.de: „Der ewige Streit über die Atomkraft“, 9. Oktober 2023
→ handelsblatt.com: „Bei der Reform des Strommarkts sind weiter viele Fragen offen“, 18. Oktober 2023