Israels Wirtschaft ist ein Vorbild

Henrik Müller blickt im manager magazin anlässlich des Krieges in Israel auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes in den vergangenen Jahrzehnten. Und diese ist wirklich beeindruckend:

  • „Das ökonomische Gewicht eines Landes ist ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, sich in inneren und äußeren Konflikt zu behaupten und potenzielle Gegner abzuschrecken. Es ist auch zentral für die Perspektiven, die sich eröffnen, wenn die Waffen irgendwann schweigen.“ – bto: Das stimmt. Allerdings ist das demografische Gewicht noch wichtiger.
  • „Es geht dabei nicht nur um militärische Feuerkraft und Nachschubkapazitäten, die eine starke Wirtschaft als Basis benötigen, sondern auch darum, wie attraktiv ein Land langfristig ist – für seine eigenen Bürgerinnen und Bürger, für Zuwanderer, für Investoren. Die Entwicklungen der kommenden Wochen haben das Zeug, die weitere Entwicklung des Landes auf lange Zeit zu beeinflussen.“ – bto: Das fürchte ich auch. Und von einer etwaigen Abwanderung wird Europa sicherlich nicht profitieren.
  • „In den vergangenen Jahrzehnten war Israel ökonomisch spektakulär erfolgreich. Es gibt kaum ein anderes Land, das so viel aus seinen Möglichkeiten gemacht hat – und die sind allein schon durch die Geografie begrenzt. Ein schmaler Streifen Land, eingeklemmt zwischen Wüste und Mittelmeer, weit abgelegen von den ökonomischen Zentren der Weltwirtschaft, umgeben von feindlichen Mächten, von denen sich einige bis heute geschworen haben, das Land und sein Volk zu vernichten.“ – bto: Genau das habe ich bei meiner Reise auch so wahrgenommen.
  • „Über Jahrzehnte wandte der Staat zwischen 10 und 30 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Waffen und Soldaten auf. Erst ab den Neunzigerjahren gingen die Militärlasten allmählich zurück. Kein anderer westlicher Staat hat in Relation zur Wirtschaftsleistung so viel Geld in seine Sicherheit gesteckt, wie Zahlen des Stockholmer Instituts Sipri zeigen.“ – bto: Woraus man schließen müsste, dass es im Rest der Wirtschaft schlecht aussieht, wie in Russland.
  • „Militärische Ausgaben sind eine wirtschaftliche Bürde, weil sie staatliche Mittel binden, die nicht für produktive oder soziale Zwecke zur Verfügung stehen – und weil sie die Wirtschaftsstrukturen tendenziell in Richtung eigentlich unproduktiver Aktivitäten verzerren. Aber wenn man es geschickt anstellt, können Verteidigungsausgaben auch ein Hebel sein, öffentliche Gelder in Forschung und Entwicklung zu lenken. Und das kann über längere Zeiträume die Produktivität enorm anregen – indem die Basis für technologieintensive Wirtschaftszweige gelegt wird. In Israel scheint das gelungen zu sein.“ – bto: Das entspricht eben der Logik, dass es notwendig ist, beides zu erreichen.
  • „Bis heute geben Firmen und Staat zusammen mehr für Forschung und Entwicklung aus (5,4 Prozent des BIP) als jedes andere Land. (Zum Vergleich Deutschland: 3,1 Prozent.) Israel, das sich selbst gern als ‚Start-up Nation‘ preist, verfügt über eine äußerst wettbewerbsfähige Hightech-Wirtschaft. Der kleine Staat am Ostrand des Mittelmeers hat, was Europa, zumal Deutschland, in größerem Umfang fehlt: gründungswillige Hochqualifizierte und Risikokapital, um junge Unternehmen zu finanzieren und ihnen zu raschem Wachstum zu verhelfen.“ – bto: … eine bewundernswerte Stärke, von der wir im Westen alle profitieren.
  • „Die Wirtschaft fußt auf einigen Schlüsselbranchen – IT, Biotech, Industriedienstleistungen, Sicherheitstechnik –, die sich vor allem damit beschäftigen, Neues in die Welt zu bringen. Während man in Deutschland nach wie vor darauf fixiert ist, möglichst viel zu produzieren, ist Israel aufs Innovieren spezialisiert. Und dieses neu geschaffene geistige Eigentum wiederum lässt sich verkaufen: als Lizenz, Patent oder als komplettes Unternehmen.“ – bto: Es ist auch eine Folge eben dieser hochqualifizierten Bevölkerung.
  • „Der Hightech-Sektor trägt die Wirtschaft. Zwar sind dort nur zwölf Prozent der Beschäftigten tätig, die 15 Prozent des BIP erwirtschaften. Aber dieser harte Kern schafft die Hälfte der Exporterlöse heran und ein Viertel der Steuereinnahmen, so die OECD.“ – bto: Es ist vermutlich das innovativste Land der Welt.
  • „Noch im Sommer prognostizierte der Internationale Währungsfonds (IWF) einen langfristigen Wachstumstrend (‚Potenzialwachstum‘) von 4 Prozent jährlich. Ein sagenhaft hoher Wert für ein hochentwickeltes Land. (Zum Vergleich Deutschland: 0,5 Prozent).“ – bto: … ein guter Kontrast zwischen guter und schlechter Politik.
  • „Die Einkommensungleichheit ist im internationalen Vergleich hoch, ebenso die Armutsquote. Das Gros der Betriebe und Beschäftigen ist in alten Branchen und Prozessen gefangen, die kaum digitalisiert und unterdurchschnittlich produktiv sind. Israel, urteilt die OECD, sei eine ‚Wirtschaft der zwei Geschwindigkeiten‘.“ – bto: Hier dürfte dann eher Singapur das Vorbild sein.
  • „Seit 1995 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf um zwei Drittel gestiegen, wie Weltbank-Statistiken zeigen. Voriges Jahr hat Israel Italien beim Wohlstandsniveau überholt. Vor 15 Jahren lag das BIP pro Kopf noch bei Werten des heutigen Rumäniens.“ – bto: Das sind in der Tat herausragende Werte.
  • „Die ökonomische Aufholjagd ging einher mit einer rasch wachsenden Bevölkerung. Seit 1990 hat sich die Einwohnerzahl verdoppelt, durch Zuwanderung und eine im internationalen Vergleich hohe Fertilitätsrate von drei Kindern pro Frau.“ – bto: Trotzdem verliert Israel das demografische Wettrüsten gegen die Palästinenser.
  • „Der Hightech-Sektor lebt von leistungswilligen Hochqualifizierten, also international hochgradig mobilen Leuten. Das heißt: Nur wenn Israel als Wohn- und Arbeitsort attraktiv bleibt, wird auch die Technologiewirtschaft weiterhin blühen. Das ist möglich, aber längst nicht sicher.“ – bto: Und das ist sehr traurig.

manager-magazin.de: „Israels Wirtschaftswunder – und seine Zukunft“, 15. Oktober 2023