Wie Deutschland die Welt rettet … oder auch nicht
Nicht nur Herr Dittli macht konkrete Vorschläge, wie man aus der Krise kommt (siehe heute Morgen), sondern auch der von mir ebenfalls sehr geschätzte Thomas Fricke bei SPIEGEL ONLINE.
Morgen – wie gesagt – an dieser Stelle mein “Rettungsplan”.
Doch nun zu Fricke, der natürlich Wolfgang Schäuble zum “Weltenretter” erklärt. Und zwar so: Aufhänger ist für Fricke die Krise der Deutschen Bank, die unsere Regierung natürlich vor ein Dilemma stellt, denn wer will und kann schon wieder eine Bank retten?
- “Dabei gibt es durchaus gute Gründe, über das Retten von Wirtschaft und Banken nachzudenken – und mit einem Wurf gleich vier Probleme zu entschärfen: erstens das Bankendebakel; zweitens die Nullzinsen; drittens das Risiko, bald in der nächsten Rezession zu landen – und als Extra das Genöle von Nobelpreisträgern und anderen Kritikern. Was will man mehr?” – bto: ein wahrer Traum, geht über Dittli noch hinaus!
- “Wenn Deutsche Bank und Commerzbank in so große Krisen geraten, hat das nach Meinung zahlreicher Küchenbankanalysten mit einer Reihe von Dingen zu tun – etwa fehlenden Geschäftsmodellen (kann man immer sagen). Und da dürften auch die extrem niedrigen Zinsen eine Rolle spielen, die die Erträge zunehmend schmälern. Was alle Versuche erschwert, mit dem klassischen Einsammeln und Verleihen von Geld wieder Gewinn zu machen.” – bto: Das stimmt. Aber die tiefen Zinsen sind wahrlich nicht an den Problemen alleine schuld, siehe meine diesbezüglichen Kommentare.
- “Dass Geld so billig ist, hat ja weniger damit zu tun, dass plötzlich Notenbanker weltweit den Verstand verloren haben. Seit der Finanzkrise wird einfach nicht viel investiert und entsprechend wenig Kredit nachgefragt. (…) Weil viele, die sich in der Hochzeit verschuldet haben, jetzt versuchen, Schulden loszuwerden, also Geld abziehen – was im Einzelfall gut ist, aber zu einem gefährlichen Abwärtslauf werden kann, weil keiner mehr Geld ausgeben und konsumieren und investieren will. Ergebnis: Depression.” – bto: Bekanntlich teile ich diese Sicht weitgehend als Anhänger der Debt-Deflation-Theory von Fisher. Dennoch genügt es nicht. Wir haben auch strukturell tiefere Wachstumsraten und deshalb weniger Investitionsbedarf. Wir haben auch nicht zu viele Ersparnisse, sondern zu viele Schulden!
- “Trotz aller guten Wirtschaftsdaten mangelt es selbst in Deutschland seit Jahren an Investitionen in die Zukunft. (…). Ohne solche Ausgaben droht dem Aufschwung nur bald jener Schwung auszugehen, den er ohnehin nur bei wohlwollender Beobachtung entwickelt hat. Zumal die deutsche Wirtschaft zunehmend zu spüren bekommt, dass der Welthandel kaum noch wächst.” – bto: stimmt.
- “Ist es nicht doch schlauer, den Widerstand gegen alle Expertenrufe aus der weiten Welt zu überdenken – und die deutsche Konjunktur endlich richtig anzuschieben, statt den Slowmo-Aufschwung zu ummuttern und gelegentlich homöopathische Steuersenkungen zu verabreichen, die ohnehin keiner merkt?” – bto: Vor allem würden wir dann aufhören der Welt Kredit zu geben!
- “In Deutschland gibt es allen gängigen Schätzungen zufolge nach wie vor einen dreistelligen Milliardenbedarf für Investitionen in Straßen, Schienen, Schulen, Universitäten und Kitas. (…) Wann, wenn nicht jetzt, wo der Finanzminister noch Zinsen geschenkt bekommt, wenn er sich Geld leiht? Der staatlichen Investitionen liegen mit niedlichen 2,2 Prozent der Wirtschaftsleistung nach wie vor niedriger als im Jahr 2001.” – bto: auch hier Konsens!
- “Statt Steuern zu senken, wo die Entlastung oft bei Reicheren ankommt, die das Geld ohnehin nie ganz ausgeben, könnte es schlauer sein, den Leuten Schecks zu schicken, wie das die Amerikaner praktiziert haben – am besten mit Verfallsdatum: einzulösen bis, sagen wir, Ende 2017. Das würde verhindern, dass das Geld unterm Kopfkissen landet – und dafür sorgen, dass stattdessen tatsächlich mehr gekauft wird.” – bto: Naja, das haben die Amerikaner zweimal gemacht. Einmal hat es funktioniert, einmal nicht. In Japan gab es das auch. Jedes Mal nur ein Strohfeuer. Ich denke, Investitionen sind besser, oder aber dauerhafte Zahlungen.
- “Je schneller es gelänge, über so ein deutsches und (warum nicht auch) europäisches Paket endlich eine Eigendynamik anzustoßen – bei der umso mehr investiert wird und neue Kapazitäten entstehen, je mehr ausgegeben wird – desto schneller wird für die gescholtenen Notenbanker der Grund wegfallen, im Notfallmodus zu bleiben und ihre Zinsen bei null zu halten. Desto schneller können die Währungshüter aufhören, Geld über irre Anleihekäufe ins System zu pumpen. Desto schneller entfielen dann auch die tückischen Nebenwirkungen auf (überdrehende) Aktien- und Immobilienmärkte.” – bto: in der Theorie richtig. In der Praxis, denke ich nicht, dass es gelingt, eine demografisch schrumpfende Region mit schwachen Produktivitätszuwächsen zu hohem Wachstum zu peitschen. Die Schuldenlast kommt erschwerend hinzu und verhindert höhere Zinsen.
Fazit Fricke: “Richtig ist, dass unser Finanzminister dafür Geld vorschießen muss, sprich: einmal kurz von der schwarzen Null abweichen, im Wahljahr. Aber, was ist das schon, wenn er dafür die deutsche Wirtschaft aus der latenten Investitionslethargie holen, die Deutsche Bank retten und uns von den irren Niedrigzinsen des Mario Draghi befreien kann? Und er beim nächsten Treffen von IWF und Weltbank keine nervige Kritik mehr hören muss? Retter der Welt.”
bto: Tja, schön wäre es. Ich bin bei Fricke, was die Staatsausgaben betrifft. Unbedingt. Allemal besser, als dem Ausland Kredit zu geben. Ich bezweifle jedoch die indirekte Bankenrettung, da die Zinsen dauerhaft tief bleiben müssen (Schulden) und wohl auch bleiben (schwache Wachstumsdynamik einer alternden Gesellschaft).
→ SPIEGEL Online: “Wie Schäuble zum Weltenretter werden kann”, 7. Oktober 2016