“Übertriebene Risiken und zu tiefe Zinsen sind Ursache für die nächste Krise”

John B. Taylor ist der Vater der „Taylor-Formel“, an der sich die Geldpolitik orientieren sollte. Es geht dabei um einen „neutralen Zins“, der der gesamtwirtschaftlichen Lage angemessen ist, gemessen an Wachstum und Inflation. Liegt der tatsächliche Zins zu hoch, wird die Wirtschaft gedämpft. Liegt er zu tief, vor allem wenn es längere Zeit andauert, dann entstehen Blasen an den Märkten für Vermögenswerten. Die Grundlage für die nächste Krise.

Die NZZ hat den Ökonomen interviewt. Hier die Nuggets:

  • NZZ: “Sie fordern mehr Regeln. Heißt das, dass die Politik zu willkürlich geworden ist?” – Taylor:  “Die empirische Evidenz zeigt (…), dass die stärker interventionistische, weniger regelbasierte Politik nicht gut funktioniert hat.” – bto: Sie hat immer größere Blasen aufgepumpt.
  • NZZ: “Sie haben vorgeschlagen, dass Notenbanken den Leitzins bestimmen sollen als Summe des realen Gleichgewichtszinses plus der Abweichung der Inflation vom Zielwert und der Differenz zwischen tatsächlichem und potenziellem Wirtschaftswachstum. Wieso haben Sie nicht etwas Komplizierteres vorgeschlagen?” – Taylor: “Ich sah die Herausforderung darin, eine Vereinfachung zu finden, welche die wichtigen Elemente erfasste und praktikabel war. Deshalb hat die Regel auch eine solche Beachtung gefunden, wobei ich ursprünglich selber überrascht war, wie sehr ihr vor allem Marktteilnehmer Beachtung schenkten. Sie wollten damit verstehen, was die US-Notenbank als Nächstes tun würde.” – bto: was ja in der Theorie eine gute Idee ist, finde ich.
  • Ich denke, dass die Abweichung von der Regel ein Grund für die Finanzkrise war. Wenn es eine Krise gibt, muss eine Zentralbank als lender of last resort auftreten, das sehe auch ich so. (…) Wovor ich warne, sind völlig unkonventionelle Massnahmen.” – bto: weil sie eben die Probleme vergrößern, nicht lösen.
  • Die geldpolitischen Lockerungsprogramme der Grossen haben starke Spillover-Effekte. Daher glaube ich auch, dass wir ein stärker regelbasiertes internationales System brauchen. Ein solches kann entstehen, wenn jedes einzelne Land sich transparent auf Regeln als Richtlinien verpflichtet.” – bto: Das setzt aber voraus, dass man Willens ist, mehr zu kooperieren. Danach sieht es zurzeit allerdings nicht aus.
  • Ich denke, die verschärften Eigenmittelvorgaben sind nützlich. Wichtig ist auch, dass Banken abgewickelt werden können, weshalb ich für ein Konkursverfahren für Banken plädiere. Man hat sich nach der Krise aber zu sehr auf ein Mikromanagement der Regulierung verlegt. Ich denke, wenn Institute genug Kapital haben, sollten sie auch nicht mehr so detailliert reguliert werden.” – bto: Das sehe ich ganz genauso.
  • NZZ: “Die Finanzkrise bremste das Wachstum stark und die Inflation lag sehr tief. Ihre Taylor-Regel hätte da bestimmt einen negativen Zins vorgeschlagen. Wie tief wäre er gewesen?” – Taylor: „Das Fed berechnete 2009 intern, dass er etwa –6 % hätte sein können. Ich war überrascht. Ich kam nie auf solche Zahlen, sondern vielleicht auf –1 oder –2%.” – bto: wobei man in einer akuten Krise wohl eher zu viel als zu wenig machen sollte.
  • Das Fed sagt zwar, ihre Lockerungsprogramme hätten den gleichen Effekt gehabt wie eine Zinssenkung um einen Prozentpunkt. Doch dazu gibt es unterschiedliche Auffassungen. Wichtig ist auch der Zeithorizont. Kurzfristig hatten Lockerungsprogramme offensichtliche eine Wirkung, aber längerfristig hebt sich das wieder auf. Einige argumentieren gar, dass die Lockerungsprogramme restriktiv wirkten, weil sie Unsicherheit schürten.” – bto: Und weil sie die Zombies am Leben hielten!
  • NZZ: “(…) ging es den Notenbanken mit QE nicht primär darum, die eigene Währung zu schwächen?” – Taylor: “Das Fed hat das nie gesagt. Draghi jedoch nannte den Wechselkurs, als er 2014 das QE-Programm startete, die Japaner auch. Es gibt auch andere Gründe für solche Programme, etwa den Willen, die Langfristzinsen zu beeinflussen oder die Vermögenspreise. Meine empirische Analyse zeigt, dass die Wechselkurseffekte gross und signifikant sind. (…) Allan Meltzer sagte 2016 an der Jackson-Hole-Konferenz, die QE-Politiken seien eine Politik der kompetitiven Abwertung. Das ist eine starke Aussage. Meine empirischen Analysen deuten in diese Richtung.” – bto: Und das war das Ziel, egal was die Fed (nicht) sagt.
  • NZZ: “(…) was würden Sie der Europäischen Zentralbank empfehlen?” – Taylor: “Sie sollte sich auch Gedanken machen über eine Normalisierung der Geldpolitik. Aufgrund der genannten internationalen Effekte braucht es eine globale Normalisierung. Wenn nun das Fed damit vorangeht und die Bilanz verkürzen will, eröffnet das anderen Zentralbanken bessere Möglichkeiten, dasselbe zu tun. Die Geschwindigkeit ist dabei zwar abhängig von den lokalen Bedingungen. Wichtig ist aber, dass das Vorgehen berechenbar und graduell ist, wie derzeit beim Fed.” – bto: Es gibt sonst die unerwünschten Wechselkurseffekte.
  • Eine Frage ist zudem, warum die QE-Politik und die Bilanzausdehnung nicht inflationär wirken. Die Erklärung lautet, dass diese Massnahmen das Geldwachstum nicht stark erhöht haben. Das Geld blieb grösstenteils in den Bankbilanzen. Und allenfalls wirken diese Massnahmen auch nicht so stimulierend, wie dies die Menschen glauben.” – bto: was allerdings die Frage aufwirft, was passiert, sollte das Geld die Bankbilanzen verlassen.
  • NZZ: “Können Sie sich dann eine Situation vorstellen, in der die Inflation zurückkehrt auf Niveaus wie in den 1970er Jahren?” – Taylor: “Ja. Die grundsätzliche Theorie ist nicht ausser Kraft gesetzt. Inflation ist nicht von dieser Welt verschwunden. Inflation bleibt ein monetäres Phänomen, und Zentralbanken können Inflation generieren. Sie tun es auch, rund um den Globus. Schauen Sie etwa nach Brasilien, oder vor kurzem auch Argentinien.” – bto: wobei ich da bei der Auffassung bleibe, dass wir – wenn es so einfach wäre – schon längst Inflation hätten! Ich denke, der deflationäre Druck ist schlichtweg zu groß. In den Assetmärkten haben wir natürlich Inflation.
  • NZZ: “Ein Kernelement Ihrer Regel ist der gleichgewichtige Realzins. Mit Blick auf die vergangenen Jahrzehnte scheint dieser gesunken zu sein. Wie erklären Sie sich das?” – Taylor: “Genauer zu klären wäre die Rolle der Notenbanken, welche die Leitzinsen stark gesenkt haben. Ein Zins von –0,75 % ist kein Marktzins. Dadurch könnten die Zinsen auf breiterer Basis gedrückt worden sein. Bevor sich die Geldpolitik nicht normalisiert hat, werden wir das nicht sicher wissen. Wir befinden uns in einer völlig neuen Welt. Seit Jahrhunderten hatten wir nie derart tiefe Zinsen.” – bto: was an verschiedenen Faktoren liegt und sicherlich auch an den Notenbanken.

bto: womit die Notenbanken die Grundlage für die nächste Krise legen.

→ NZZ:”John B. Taylor: Übertriebene Risiken und zu tiefe Zinsen waren die Ursache für die Finanzkrise“, 28. September 2017