Spanien: von wegen Musterschüler

Spanien hat gewählt. Die linke Bewegung Podemos (20,65 Prozent), die sich für ein Ende der Sparpolitik einsetzt, und die wirtschaftsfreundliche Ciudadanos (13,93 Prozent) ziehen laut den aktuellsten Zahlen erstmals in die Kammer ein. Erstaunlich ist, dass Ciudadanos entgegen den Umfragen deutlich hinter Podemos liegt. Die regierenden Konservativen können froh sein, es sah in den vergangenen Monaten schon mal deutlicher nach einem Durchmarsch von Podemos aus.

Verwundern darf dieses Wahlergebnis nicht. Denn aller Propaganda zum Trotz steht das Land keineswegs gut da. Zwar gilt Spanien als Musterschüler für die gelungene Rettungsstrategie der Eurozonen-Politiker. Doch das stimmt nicht. Zur Erinnerung:

„Die Mär vom spanischen Wunder“

→ „Spain`s ‚beautiful deleveraging‘ shows Euro Area`s limitations“

→ „Spanish property advice from the plague“

Knapp zusammengefasst ist die Lage so: Fundamentale Probleme sind ungelöst, die Staatsschulden wachsen weiter deutlich, die Bevölkerung schrumpft. Weitere Fakten fasst der Telegraph zusammen:

  • Spanien ist die am schnellsten wachsende Wirtschaft der Eurozone – mit 3,2 in diesem und 2,5 Prozent im nächsten Jahr.
  • Die Brüsseler Erklärung ist: Sparen und Reformen haben diesen Erfolg ermöglicht.
  • Eine neue Studie zeigt jedoch, dass weder die Reformen noch das Sparen (so es überhaupt stattgefunden hat) die Ursachen für das Wachstum sind. Stattdessen profitiert Spanien von temporären Einflüssen wie billigem Öl und schwachem Euro.
  • Die Exporte sind tatsächlich gestiegen (dank sinkender Kosten und schwächerem Euro). Allerdings entfallen rund 50 Prozent der Exporte auf einfache Güter wie Nahrungsmittel und Treibstoffe. Daran muss nichts falsch sein, es zeigt nur, dass es nicht an den Reformen liegt.
  • Würde die Produktivität steigen, so müsste sich das an einer Zunahme der Ausfuhren höherwertiger Waren zeigen. Ein solcher Export wäre auch robuster und nicht so abhängig von Wechselkursen und tiefen Löhnen.
  • Zugleich bleibt Spanien in der Deflation gefangen (bto: was in der Tat die Folge von Reformen und Lohnsenkungen sein dürfte), was dazu führt, dass das nominale BIP unter dem Niveau von vor sieben Jahren liegt! – bto: Problem – Schulden sind eine nominale Größe, die nur durch nominale Einkommen bedient werden können. Das hatten wir schon vor zwei Jahren an dieser Stelle erklärt.

Quelle: Center for European Reform

  • Deflation ist somit der Killer für jeden Schuldner, wie schon von Irving Fisher in den 1930er-Jahren beschrieb: „Despite firms, households and the government trying to save more and spend less, and banks shrinking their balance sheets, Spain’s overall debt level is higher than in 2008.“ Die spanischen Schulden (staatliche und private) sind die höchsten unter den großen europäischen Volkswirtschaften. – bto: Nur Irland und Portugal liegen höher.

Quelle: Center for European Reform

Die spanischen Erfolge sollen und dürfen nicht kleingeredet werden. Es bleibt aber die Erkenntnis, dass ein kleiner externer Schock genügt, um die Wirtschaft wieder in die Krise zu stürzen. Wie die Welt hat auch Spanien dann keine Munition mehr, um gegenzusteuern.

Letztlich bleibt Spanien auch mit Blick auf die verheerende demografische Entwicklung nur der Weg über einen Schuldenschnitt oder die Monetarisierung über die EZB. Eine Forderung, die auch von Frankreich und Italien immer deutlicher erhoben wird. Le Pen will die direkte Staatsfinanzierung; Cinque Stelle, die nach neuesten Umfragen gleichauf mit Renzis Partei liegen, ebenfalls – und einen Euro-Austritt. In Spanien wird diese Forderung auch noch kommen.

→ The Telegraph: „Why there’s no easy way out of Spain’s insurmountable economic mess“, 20. Oktober 2015