Lord Adair Turner: Crisis, Debt Overhang and Deflation
Am Wochenende hat man Zeit, sich vertieft mit Themen zu beschäftigen. Adair Turner ist Lesern dieser Seite vor allem durch seine radikalen Forderungen zur Geldpolitik bekannt. Ist er doch der profilierteste Vertreter der Idee, Schulden über die Bilanz der Notenbank zu bereinigen.
In diesem Vortrag zeigt er auf:
- Wir haben ein Schuldenproblem nach über 50 Jahren schuldenfinanzierter Wirtschaft. ‒ bto: oh ja.
- Viele verstehen immer noch nicht, dass Banken Geld selber schaffen, also nicht die Ersparnisse auf die besten Investitionen verteilen. ‒ bto: bekannt. Siehe mein Kommentar hier.
- Banken haben dieses neue Geld nicht für Kredite an echte Unternehmer geschaffen, sondern vor allem für Konsum.
- Wichtigster Bestandteil ist dabei die Immobilienfinanzierung. Dies führt zu immer weiter steigenden Immobilienpreisen, was wiederum neue Beleihungskapazität schafft, was zu nochmals höheren Immobilienpreisen führt.
- Piketty hat dies analysiert, aber übersehen, dass faktisch die Immobilienpreise den größten Teil des Vermögenszuwachses erklären. ‒ bto: eben. Schulden treiben Vermögen!
- Damit haben wir auch keine normale Rezession, sondern eine Bilanzrezession. Richard Koo hat recht. Der Staat hat das Deleveraging des privaten Sektors kompensiert. In Japan und jetzt auch in den anderen Ländern. Folge: Die Schulden wachsen gesamthaft weiter. Zeigt er am Geneva Report, den wir hier auch hatten.
- Alle sind abhängig von Schulden. Auch Deutschland. Zwar sparen wir in Deutschland, aber wir liefern an die Länder, die auf Schulden basierend wachsen ‒ bis zur Eurokrise in der EU, seither in China. Siehe das Wachstum der Schulden in China.
- Sobald man zu viele Schulden hat, versuchen die Schuldner zu sparen. Dies dämpft die Nachfrage. Deshalb ist der Lösungsansatz für die Krise der Eurozone auch falsch. Die Banken verleihen kein Geld, weil die Nachfrage nach neuen Krediten schwach ist.
- Wenn wir Geld zu billig machen, dann mag dies die Wirtschaft irgendwann beleben. Viel früher kommt es aber zu erheblichen Verzerrungen in den Finanzmärkten mit erheblichen Risiken. Zudem sollten die Schuldner eher Schulden abbauen, statt neue aufzunehmen.
- Wie konnte es eigentlich sein, dass die Schulden um 15 Prozent pro Jahr wachsen, während die Wirtschaft nur um fünf Prozent wuchs? Weshalb gab es keine Inflation? Vielleicht hätte es mehr Inflation gegeben, wenn die Kredite produktiv verwendet worden wären. Kredit für Konsumzwecke führt zu mehr Nachfrage, aber da dies mit einer größeren Ungleichverteilung einhergeht, wächst die Nachfrage nicht. Reichere Leute sparen mehr als die Armen. Deshalb gibt es Kredite für die Ärmeren, damit diese den Konsum aufrechterhalten können. ‒ bto: Genau diesen Punkt mache ich auch in meinem Buch, Die Schulden im 21. Jahrhundert.
- Der Hauptgrund dürfte sein, dass die Immobilienkredite nicht zu mehr Nachfrage führen, nur zu steigenden Immobilienpreisen. Keine Inflation, aber höhere Instabilität in der Zukunft.
- Die Zentralbanken brauchen ein anderes Instrumentarium, um Krisen zu verhindern. Höhere Zinsen bringen wenig, wenn die Immobilienpreise um zehn bis 15 Prozent pro Jahr wachsen.
- In der Eurozone wurde der Verschuldungsboom noch verstärkt, weil die Kredite noch freier durch Europa fließen konnten.
- Die Eurozone hat zu viele Schulden. Es ist aber zusätzlich durch die Struktur gehemmt, die eine Anpassung erschwert. Die Staaten können nicht unbegrenzt Schulden machen, weil im Unterschied zu UK, USA und Japan die Staaten ein Konkursrisiko haben. Wer eine eigene Währung hat, kann immer mit der Notenpresse bezahlen.
- Japan wird die Schulden nie bezahlen. Stattdessen wird Japan entweder a) Pleite machen/restrukturieren, b) ewig Null-Zins oder c) Monetarisierung der Schulden über die Notenbank. Europa ist in derselben Lage. Es kann die Schulden nie bezahlen.
→ Youtube: Lord Adair Turner: Crisis, Debt Overhang and Deflation, 18. November 2014