FDP Wahlprogramm – wirklich so schlecht?

Thomas Fricke von SPIEGEL ONLINE knöpft sich das FDP Wahlprogramm vor. Ist o. k., allerdings frage ich mich, ob ein objektiver Blick in die Programme der anderen Parteien wirklich erfreulicher ausfallen würde. Erneut zeigt Fricke auch ein unzureichendes Verständnis für die Ursachen der Krise, bringt es aber so rüber, als bestünden keine Zweifel. Schade.

→ „Der Euro – funktioniert doch“, finde ich nicht

  • „Wie gut wir durch die nächsten vier Jahre kommen, hängt im Grunde nur noch davon ab, wer bei Frau Merkel künftig Praktikum macht. Harakiri-Martin, die grünen Lalas oder die Liberalen, formerly known as FDP?“ – bto: Da dürfte er leider recht behalten, allerdings wird es für eine Koalition mit nur einem Partner nicht reichen, außer es ist wieder die SPD.
  • „Höchste Zeit, zwei Wochen vor der Bundestagswahl mal deren Programm zu lesen. (…) Wir wollen auch nicht kleinlich meckern, wenn die Liberalen ihre Wirtschaftskompetenz mit der Gaga-Weisheit darzulegen versuchen, dass man ja nicht mehr ausgeben kann, als man hat und an anderer Stelle im Programm eifrig den Erwerb vom Häusle propagieren, was der gemeine Deutsche in der Regel ja nicht vom Sparbuch zahlt, sondern großteils auf Kredit kauft. Also mit Geld, das er noch nicht (selber erwirtschaftet) hat. Sonst bräuchten wir ja auch keine Banken.“ – bto: naja. Wenn man polemisch sein will, dann kann man so argumentieren. Richtiger wäre der Hinweis, dass es auf den Willen ankommt, den Kredit durch Erzeugung von Mehrprodukt zu bedienen. Das sind produktive Kredite im Unterschied zu Konsumkrediten, die beim Staat lange Zeit dominiert haben.
  • „Löblich ist natürlich, dass die FDP nicht mehr so neoliberal sein will, also programmatisch nicht wie früher immer nur auf den Markt setzt.“ – bto: Was ist daran löblich? Ist doch die Krise kein Versagen des Marktes, sondern eines Wirtschaftssystems, welches unbegrenzt Geld schaffen kann. Sollte man da nicht ansetzen? Dann kommt die Liste der Bereiche, in denen die FDP auf Markt setzen will und was Fricke offensichtlich falsch findet:
  • Vermögensbildung – bto: Sind Riester und staatliche Rente oder die politisch subventionierte Lebensversicherung wirklich besser? Wäre es nicht dringend an der Zeit, in Realkapital zu sparen und dabei zugleich die Bildung in Finanzdingen zu verbessern?
  • Altersvorsorge – bto: analog zu Vermögensbildung. Umlagesysteme ohne Deckung sind also besser?
  • Arbeitszeitmodelle – bto: Auch hier die Frage, ob Frau Nahles es wirklich (alles) besser weiß.
  • Krankenkassen – bto: Gerade im Gesundheitssystem brauchen wir dringend mehr Wettbewerb und Effizienzsteigerung. Wichtig wäre beispielsweise, dass jeder Patient die Rechnung des Arztes sieht, um so eine bessere Kontrolle zu ermöglichen.
  • im Handel – bto: warum nicht?
  • bei der Behandlung von Staatsanleihen – bto: auch hier. Ist es besser, den Banken vorzuschreiben, kein Eigenkapital vorzuhalten, egal ob es griechische oder deutsche Anleihen sind?
  • Forschungsförderung – bto: Weiß das der Staat wirklich besser?
  • „Da arbeiten ganze Denkfabriknetzwerke mittlerweile an der Idee, dass neue Technologien, wie etwa bei Elektroautos, doch nicht immer so automatisch am Markt entstehen und manchmal staatliche Hilfe brauchen. Die FDP ist dagegen.“ – bto: Ich denke, wir brauchen ein koordiniertes Vorgehen beim Aufbau der Infrastruktur.
  • „Da plädieren selbst Konservative wie Wolfgang Schäuble für eine Steuer auf Finanzgeschäfte, weil das viele Turbulenzen verhindern würde. Die FDP: dagegen.“ – bto: ich auch. Einfach, weil es zu viele Ausweichmöglichkeiten gibt. Das ist wie das Parkverbot, das die Polizei nie durchsetzt.
  • „Da gibt es zunehmend Indizien dafür, dass Finanzkrisen vor allem von Schuldenwellen bei Privatleuten kommen. Die FDP kämpft lieber (nur) gegen Staatsschulden – und für mehr Immobilienkauf.“ – bto: So, und da ist die FDP also rückständiger als andere Parteien?
  • Bei keinem anderen Drama raubt einem die Zeitversetzung der Lindner-Liberalen so den Atem wie bei allem, was mit Krise und Zukunft des Euro zu tun hat. Hier liest sich das Programm eher wie bei den D-Mark-Nostalgikern der ersten AfD-Generation.“ – bto: Aber die Krise wurde doch bisher nur verschleppt und nicht gelöst. Weshalb also diese Kritik?
  • „Da haben Spanier, Iren und Portugiesen in den vergangenen Jahren eindrucksvoll gezeigt, dass es besser ist, Staatsdefizitziele pragmatisch zu handhaben, statt die Wirtschaft aus lauter falschem Regeldogma kaputtzusparen alle drei Länder wachsen seither wieder. Was macht die FDP? Fordert stahlharte Regeltreue dazu schärfere Sanktionen. Gaga.“ – bto: Wie ich gestern gezeigt habe, hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der Länder nicht verbessert, die Gesamtschulden liegen höher als vor Krisenbeginn. Wie kann man aus einer temporären Zwischenerholung solche Schlüsse ziehen?
  • „Da wird in der Expertenwelt diskutiert, ob und wie Europas Stabilitätsmechanismus ESM in einen Europäischen Währungsfonds verwandelt werden könnte, um künftig in Krisen Notfallpläne schneller aktivieren zu können. Sie ahnen, was die FDP will: den ESM auslaufen lassen und auflösen das soll der Markt regeln; an Naivität schwer zu überbieten.“ – bto: klar. Fricke ist schon lange für die Schuldenunion und die werden wir nach der Wahl auch bekommen, egal wer mit Frau Merkel regiert. Doch diese Erhöhung der Verschuldungskapazität löst das Problem doch nicht, sondern macht es noch größer! Wir brauchen Verfahren zur Staatsinsolvenz.
  • „Und da räumen selbst notorische Kritiker wie Schäuble heute ein, dass es gut war, die Zinsen stark zu senken und zu intervenieren. FDP-Position: Nix Hilfe, Nullzinspolitik beenden – weil diese angeblich nur dazu da ist, das Wachstum in Krisenländern zu stützen.“ – bto: Natürlich war es richtig. Nur die Fortsetzung des schuldenbasierten Wachstums ist keine Lösung, sondern eine Verschlimmerung der dramatischsten Art.
  • „Mit marktwirtschaftlichem Retro-Eifer würde es eine neue mögliche Merkel-Regierung schwer haben, in Europa schnell vorwärts zu kommen – und mit Frankreichs Staatschef Macron dazu beizutragen, dass es künftig solche Krisen nicht mehr gibt: ob über ein größeres gemeinsames Budget oder einen gemeinsamen Finanzminister für die Euro-Zone.“ – bto: Hier liegt der Kern. Fricke glaubt an die Problemlösung über mehr Schuldenkapazität. Damit hat er auch temporär recht, legt aber die Grundlage für eine noch größere Krise.
  • „Die Frage ist nur, ob wir am besten durch die nächsten Jahre kommen, wenn eine Partei an der Regierung beteiligt ist, die an einem ökonomischen Weltbild festzukleben scheint, das seine Hochzeit schon eine Weile hinter sich – und das der Welt eine Menge Ärger und Krisen bereitet hat.“ – bto: Und hier ist sie wieder die Verdrehung durch die staatsgläubigen Politiker und Ökonomen (von Journalisten ganz zu schweigen). Die Krise ist vor allem befeuert worden von billigem Geld. Schuld daran haben die Deregulierungen, die Politik der Notenbanken und im Falle Europas die Einführung der politischen Währung Euro, der den Schuldenboom erst ermöglichte. Nichts davon kommt vom Markt. Es kommt von falschen Anreizen des Staates.

→ SPIEGEL ONLINE: “Warum uns mit Merkels Praktikant die Krise droht”, 8. September 2017

Kommentare (14) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      Zu diesem Thema, genauer der Ernsthaftigkeit der FDP in Sachen Eurozone (Verschuldungskrise, Griechenland, ESM-Missbrauch etc.), mache ich mir auch Gedanken.

      Zuerst einmal:

      Soweit ich sehe, war das KEIN Thema im Wahlkampf.

      Im Wahlprogramm der FDP steht u. a. als die m. A. n. konkreteste und „härteste“ Aussage:

      >… darf der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) nicht als ständiger Nothelfer missbraucht werden, sondern ESM-Finanzhilfen dürfen nur strikt nach den dafür vorgesehenen Regeln vergeben werden. Um nicht dauerhaft falsche Anreize zu setzen, wollen wir zudem, dass die Ausleihkapazität des ESM kontinuierlich wieder zurückgefahren wird und dieser langfristig ausläuft. ESM-Hilfen sollen auch nicht dauerhaft durch weitere Maßnahmen der Europäischen Zentralbank ergänzt oder ersetzt werden.>

      Ich habe Lindner letzten Sonntag auf einer Wahlveranstaltung gehört. Er hat nichts dazu gesagt.

      Merkel hat am 29.08. auf ihrer Pressekonferenz gesagt, dass sie den Vorschlag, den ESM weiterzuentwickeln zu einem umfassenden europäischen Währungsfonds auszubauen, SEHR GUT findet.

      Lindner dazu:

      „Die Freien Demokraten sehen mit Sorge, dass offenbar nicht die Rückkehr zu den Vertragsregeln angestrebt wird, sondern die Umverteilung von Geld. Die Interessen von Paris sind andere als die von Berlin.“

      und

      „Die Aussagen zu einem Eurogruppen-Budget sind irritierend. Die Bundeskanzlerin sollte noch vor der Wahl klarstellen, ob sie weiter wie die FDP einen Finanzausgleich und einen gemeinsamen Schuldentopf in Europa ablehnt.“

      Er hat weiter, allerdings nicht in diesem Zusammenhang gesagt:

      „Die FDP wird sich der Union nicht unterwerfen“.

      Er nannte Einwanderung, Bildung, Digitalisierung.

      Soweit zur Situation.

      Mein Szenario auf der Basis aktueller Umfragen:

      Es wird eine Jamaika-Koalition angestrebt, weil die SPD in die Opposition geht und es für Schwarz/Gelb nicht langt bzw. nur mit einer äußerst knappen Mehrheit, die Merkel für zu wacklig halten würde.

      Der Koalitionsvertrag wird die Thematik betreffend so unkonkret gehalten sein, dass er interpretationsfähig ist und Interpretationsoptionen eröffnet.

      Insofern ist das nicht kritisch.

      Kritisch ist allerdings, dass es vermutlich Abstimmungen über den ESM und insbesondere einen erweiterten ESM im Bundestag geben wird – ja geben MUSS lt. Urteil des BVerfG.

      Kritisch deshalb, weil z. B. bei Krediten für Griechenland, die auch Merkel nicht mehr ausschließt, entgegen dem Versprechen von Schäuble der IWF nicht mehr dabei ist. Das wird Widerstand in der CDU/CSU-Fraktion provozieren, zumal die AfD auf großer Bühne gekonnt den Finger in die Wunde legen wird.

      Und in der FDP ist man sowieso allergisch, siehe das Wahlprogramm, und man es der Union auch gern mal zeigen möchte nach der Schmach bei der letzten Regierungsbeteiligung, als Merkel die FDP quasi verhungern ließ.

      Frank Schäffler ist wohl auch wieder an Bord, obwohl – so wird kolportiert – Lindner das verhindern wollte.

      Platz 10 auf der Landesliste in NRW könnte reichen, wenn es einigermaßen läuft für die FDP.

      Antworten
      • Wolfgang Selig
        Wolfgang Selig sagte:

        Vielen Dank, denn jetzt wird es m.E. spannend. Der Unterschied zu 2013 für die FDP ist, dass die Niedrigzinspolitik den FDP-Wähler voll trifft: private Krankenversicherung, Kapitallebensversicherungen, berufsständische Versorgungswerke, Festgeldkonten, etc.- da leiden jetzt vor allem Steuerberater, Anwälte, Ärzte, Chefredakteure, kurz viele Selbstständige, Freiberufler und leitende Angestellte. Also die klassischen Wähler der FDP. Die werden Erwartungen an ihre Partei bezüglich der Geldpolitik haben…

      • Johannes
        Johannes sagte:

        ,Frank Schäffler ist wohl auch wieder an Bord, obwohl – so wird kolportiert – Lindner das verhindern wollte.,

        Frank Schäffler habe ich mehrfach persönlich kennen und schätzen gelernt. Er hatte mir 2011 die ersten ESM Vertragsentwürfe zukommen lassen, worauf meine damalige BT-Petition resultierte. Das Lindner Herrn Schäffler raushalten möchte sollte jeden potentiellen taktischen oder überzeugten FDP Wähler kritisch stimmen. M. E. wird die FDP in einer Regierungskoalition den Kurs von Merkel und Schäuble mittragen.

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Johannes

        Warten wir es ab.

        Lindner ist jedenfalls KONKRET geworden.

        Hier:

        http://www.spiegel.de/politik/deutschland/christian-lindner-im-interview-die-gruenen-haben-sich-von-jamaika-verabschiedet-a-1167605.html

        Daraus:

        SPIEGEL ONLINE: Gibt es rote Linien?
        Lindner: Ich befürchte, dass Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron sich über neue Geldtöpfe in der Eurozone einig sind, um einen gigantischen Finanzausgleich zu schaffen. Herr Juncker will die Eurozone erweitern, obwohl jetzt ihre Konsolidierung Priorität hätte. Beides ginge mit uns nicht. Ich werde dafür zugleich von US-Hedgefonds und den Grünen diffamiert. Dabei wird es Stabilität im Euro nicht mit Umverteilung und Geldflut geben, sondern nur mit marktwirtschaftlichen Reformen.>

        BEIDES GINGE MIT UNS NICHT.

        Weiter:

        SPIEGEL ONLINE: Wenn es zu Schwarz-Gelb kommt, haben wir also dieselben Konflikte wie 2009 bis 2013 in der alten schwarz-gelben Koalition um den richtigen Kurs in der Eurozone?

        Lindner: Nein. Wir würden ohne klare Verabredung über einen politischen Kurs nie in eine Koalition eintreten. Unsere Perspektive ist das geeinte Europa, aber mit finanzpolitischer Verantwortung und eigenen marktwirtschaftlichen Reformen in den Mitgliedsländern.

        SPIEGEL ONLINE: Und was heißt das für mögliche schwarz-gelbe Koalitionsgespräche?

        Lindner: Wir sind offen dafür, Verantwortung zu übernehmen und prüfen, ob es zusammen geht. Aber wir zwingen uns niemandem auf – und wenn andere der Meinung sind, wir seien etwa in der Eurofrage zu sperrig, dann gehen wir in die Opposition, ganz entspannt.

        GEHEN WIR IN DIE OPPOSITION.

        Lindner kann anhand dieser Aussagen nach der Wahl gemessen werden.

        Ich denke, dass er das weiß und nicht leichtfertig mit seiner Glaubwürdigkeit spielt.

        Wir werden sehen.

        Die Wahl wird nach der Wahl spannend.

      • Johannes
        Johannes sagte:

        @Herrn Tischer

        Ja, wir warten. Und ja, die es wird spannend, ob die die FDP aus ihrer Zeit zwischen 2009 und 2013 gelernt. Freuen würde ich mich, wäre es so. Enttäuscht wäre ich nicht, käme es wie befürchtet.

  1. Andreas Müller
    Andreas Müller sagte:

    “Nichts davon kommt vom Markt. Es kommt von falschen Anreizen des Staates.”
    Kann man im Grunde so sehen. Aber in der Zeit, als diese falschen Anreize Wachstum, Gewinne und Aktienkurse getrieben haben, habe ich von Wirtschaftsliberalen nichts gehört über falsche Anreize! Damals war immer nur Party und das Glück der Tüchtigen: 8%-Mindestrendite für die fette Rente aus faulem Geld. Damals (Ende der 90er) haben nur unverbesserliche Linke gesagt, dass es böse enden wird. Die schlaueren Wirtschaftsliberalen (Max Otte zum Beispiel) kamen erst nach 2000 auf den Trichter, dann aber sehr gut.
    Es sehe keine Hinweise darauf, dass systematisch linke oder rechte Ökonomen die Krise besser und früher verstanden haben. Wie so oft, wechseln sie sich ab oder es hängt mehr an Einzelpersonen.

    Antworten
  2. BLUM
    BLUM sagte:

    @MFK

    Die von Ihnen aufgeführten Bürgerprobleme hängen mit dem “abstrakten” Geldthema von Think-BTO direkt zusammen. Und – ebenfalls von Herrn Stelter hier thematisiert – mit der Einwanderung in die deutschen Sozial- und Gesellschaftssysteme. All diesen selbstgebauten Riesensteinen liegen falsche politische Entscheidungen zu Grunde.

    Es handelt sich bei dem ganzen Euro-Absolutum und dem deutschen Sonderweg in Sachen Energiewirtschaft und Einwanderungspolitik um eine wirtschaftliche Partikularoptimierung auf Kosten der in Jahrzehnten von der alten Gesellschaft aufgebauten Allmende: Infrastruktur, Sozialversicherungen einschl. Rücklagen- und Anspruchssystemen, Rechtssystem, Unternehmenswissen und Arbeitskultur.

    Diese werden alle aktuell geplündert (von inländischen “Eliten” und – nach deren Plazet – von Nichtintegrierten) und führen zusammen mit der unsäglichen weltweit koordinierten Zentralbankpolitik zu genau den Problemen in den von Ihnen genannten Feldern.

    Solange der Bürger direkt von den Verwerfungen profitieren kann, wird sich dieser nicht dagegen wehren. Je mehr Profiteure dieses keineswegs nachhaltigen, sondern räuberischen Systems es gibt, desto leichter wird es, den Abgrund schneller zu erreichen. (Sozial- und Sicherheits-Unternehmen, der Handel und Vermieter haben von den Entwicklungen Vorteile, alle Assetinhaber haben Vorteile, nachteilig wirkt sich der Komplex für konsumierende Bürger aus, die in der produzierenden Industrie arbeiten, und die nicht vom Export profitieren. Diese Gruppe wird kleiner.)

    – Innere Sicherheit: hängt mit zwei Gerechtigkeiten zusammen, für alte und neue Bewohner, die neuen haben nichts zu verlieren und wenig zu befürchten und verhalten sich entsprechend. Die alten sind erpressbar, sozial und finanziell und verhalten sich “kooperativ”, wenngleich kurzsichtig.
    – Bildungsmisere: sie ist alt, das Geld fehlt nun – neu begründet – wieder mal. (Doch mit mehr Geld alleine kann sie nicht gelöst werden, es sind Strukturen und Werte installiert worden, die sich wenig bildungsförderlich auswirken, Bildung wird und wurde massiv politisiert. Und je weniger Zusammenhangswissen sich beim Einzelnen ansammeln “kann”, desto leichter sind die Vereinzelten der allseitigen professionellen Manipulation auszusetzen. Insofern halte ich entweder Dummheit oder kalte Berechnung für die Bildungsmisere für verantwortlich. Wissende Staatsbürger sind einfach anstrengend und unbequem. Wer will das schon?
    – Wohnungsmisere, sie hängt mit dem zu niedrigen, fehlsteuernden Zins genauso zusammen (Vermögenspreise steigen, wenn Zinsen sinken) wie mit der immer häufiger aus Steuer- (für H4-In- und Ausländer) oder Unternehmensmitteln (für Mitarbeiter) Wohnungen, die so aus einem echten Marktgeschehen herausgenommen werden.
    – Renten, die zu niedrigen, sie hängen einerseits mit den abgekoppelten Pensionen zusammen (Pensionen erhalten politische Entscheider, Renten produktive Arbeiter), sie hängen aber in Summe der Altersvorsorge auch wieder mit den falschen Zinsgestalten, der falschen Bilanzierungsregeln (Staatskredite brauchen keine Sicherheitshinterlegung) und mit der Fehlsteuerung von Leistungsträgern (Steuer- und Abgabenhöhe) zusammen. Und wieder: das Geldsystem liefert hohe Anreize zur Plünderung der funktionierenden Realwirtschaft zugunsten eines Konsums und der unproduktiven Verwendung von Mitteln, was wiederum die produktive Wirtschaft in Nachteil setzt und für Einzeleinkommen im Schnitt Nachteile erwirkt. Unternehmen verdienen aufs Konto das, was ihren Mitarbeitern z. B. durch uneinbringliche Targetschulden rentenmässig verloren geht.
    – Gesundheit, hier kommt wie bei Renten das eigene demographische Problem zusammen mit der politisch abgesegneten Plünderung des Systems durch ungeregelte Einwanderung. Das Problem hätten wir – kleiner – aber auch – wie die Bildung – ohne Geld- und Einwanderungsproblematik, insofern ist dieses Feld ein besonderes, wenngleich ich das System hier immer noch für eines der weltbesten wahrnehme und nicht als einen Engpass unseres Deutschlandrisikos.

    Antworten
  3. prestele
    prestele sagte:

    Lieber Herr Stelter,

    ähnlich wie Fricke springen Sie zu kurz. Glauben Sie den wirklich, dass Deregulierung und Notenbankpolitik allein auf falschen Anreizen des Staates basieren. Sind Sie z.B. der Meinung , dass das Glass-Steagal Gesetz allein aufgrund staatlichen Handelns aufgehoben wurde? Oder glauben Sie, dass die „Regelungslücken“, die von der Automobilwirtschaft exzessiv genutzt wurden – so Frau Merkel – allein auf die Leitung des KBA zurückgehen? Oder ist nicht vielmehr die triviale Interpretation des Neoliberalismus durch Wirtschaft und Politik Ursprung all dieser Fehlentwicklungen. Dazu noch ein Zitat von M. Friedman: “Responsi¬bility of entrepreneurs is to conduct the business in accordance with their desires, which generally will be to make as much money as possible while con¬forming to the basic rules of the society, both those embodied in law and those embodied in ethical custom” http://www.colorado.edu/studentgroups/libertarians/issues/friedman-soc-resp-business.html

    Antworten
    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      >…ist nicht vielmehr die triviale Interpretation des Neoliberalismus durch Wirtschaft und Politik Ursprung all dieser Fehlentwicklungen.>

      Was die Fehlentwicklungen betrifft, ist ihr Ursprung weder dem Neoliberalismus – was immer der genau sein soll – zuzurechnen, noch sind sie eine Interpretation und erst recht keine triviale.

      Wenn Sie die diversen Kommentare an diesem Blog verfolgt haben, können sie so einen Satz nicht sagen.

      Denken Sie doch nur einmal über die von Ihnen zitierte Aussage von M. Friedman nach.

      Wenn er recht hat, ist zu fragen, WARUM „conforming to the basic rules of society …“ nicht mehr in dem Maße wie früher, sagen wir zu seiner Zeit gilt.

      Ist, wie Sie meinen, der Grund, eine triviale Interpretation, liegt es an den Regeln der Gesellschaft oder an den ethischen Standards („ethical custom“)?

      WENIGSTENS dies müssten Sie sich fragen, wenn Sie Friedman ernst nehmen und dann auch darauf kommen, dass die Regeln der Gesellschaft und ihre ethische Standards nicht einfach von Wirtschaft und Politik VERORDNET werden können.

      Aber nein, ist doch alles klar:

      Die triviale Interpretation durch Wirtschaft und Politik hat’s verbockt.

      Fehlt nur noch der Klassiker:

      Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen.

      Antworten
  4. MFK
    MFK sagte:

    Die Probleme, die den Normalbürger betreffen werden überhaupt nicht angesprochen:
    – Innere Sicherheit
    – Bildungsmisere
    – Wohnungsmisere
    – Renten
    – Gesundheit
    Auch interessieren den Normalbürger Parteiprogramme eher wenig. Entscheidend ist, was
    tatsächlich umgesetzt wird und hier hat die FDP bei ihrer letzten Regierungspartei wenig
    erreicht. Sie profitiert, wie auch die AfD auch, derzeit davon dass sie nicht im Bundestag
    vertreten ist und daher unverbraucht erscheint. Dass dies wenig aussagt, zeigt Macron. Auch
    hier wurden die Wähler schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

    Antworten
  5. Johannes
    Johannes sagte:

    Nun, ein Ökonom, der im Spiegel eine eigene Kolumne hat, steht politisch eher links (um´s mal vorsichtig auszudrücken). Was anderes als das was und wie er´s schreibt, soll denn via Spiegel kommuniziert werden? Das ehemalige “Sturmgeschütz der Demokratie” hat sich inzwischen zu einem Meinungsblatt entwicklel, ohne das es sich als solches kennzeichnet. Dort gibt es zwar eine Rubrik “Meinung”, aber gefühlt ist dort inzwischen nahezu jeder Bericht “Meinungsmache”.

    bto:”Erneut zeigt Fricke auch ein unzureichendes Verständnis für die Ursachen der Krise, bringt es aber so rüber, als bestünden keine Zweifel. Schade.”

    Herr Fricke bedient die Spiegelleser inhaltlich und sprachlich/stilistisch (“Gaga-Weisheit”), wie´s die Redaktion (politisch) fordert oder zulässt (spielt keine wirkliche Rolle, woraus dieser Stil nun resultiert. Er ist schlicht auf die gezielte Herabsetzung und Verunglimpfung des Gegenüber (hier Herr Lindner von der FDP) ausgelegt somit und -zumindest für mich – nicht satisfaktionsfähig.

    Antworten
    • Ralph Klages
      Ralph Klages sagte:

      Lieber Johannes, ich pflichte Ihnen bei: Fricke isst das Brot seines Herrn. Was dann unten dabei rauskommt ist nicht soooo wichtig. Egal.
      Seit Tagen geht es mir im Kopf herum: Wollen Sie WIRKLICH diese (!) AfD wählen? Ihre Beiträge sind schätzenswert. Sicherlich sind Sie doch kein Überzeugungswähler, sondern eher ein “taktischer” Wähler ? Dann könnte ich Sie zumindest verstehen. LG

      Antworten
      • Johannes
        Johannes sagte:

        Zu meiner Wahlentscheidung habe ich unter

        https://think-beyondtheobvious.com/stelter-in-den-medien/wohlstandsvernichtung-als-programm/

        folgendes geschrieben:

        “Die „Sache“ von oben im Artikel gesprochen wird, ist für mich inzwischen das Wiederbeleben der politischen Diskussion im Deutschen Bundestag. Die Sachthemen werden dem folgen. Ein überzeugen mit Sachthemen allein funktioniert nach meiner praktischen Politikerfahrung auf der politischen Bühne nicht. Dazu bedarf es einer starken Lobby. Erst diese Lobby vermag es einem Sachthema die Öffentlichkeit zu verschaffen, die nötig ist, dass sich „in der Sache“ auf tatsächlich etwas zum Besseren bewegt.

        Ich werde AfD wählen, weil ich in ihrem Einzug in den Bundestag die aktuell einzige Möglichkeit sehe, dass sich dort Opposition ,ereignet‘. Ich bin längst nicht mit allen Akteuren in der AfD einverstanden, aber das können z.B. Wähler von Parteien wie Bündnis90/ Die Grünen oder ,Die Linke‘ von manchen Akteuren dort auch nicht sagen.
        Und es ist – nicht ausschließlich- aber meiner Einschätzung nach, zu erheblichen Teilen der politischen Präsenz der AfD zu verdanken, das Frau Merkel bei dem Thema Flüchtlingskrise überhaupt in Ansätzen noch die Kurve bekommen hat.

        Die AfD ist in der Tat noch ein gäriger Haufen (frei nach Gauland) und hinsichtlich ihre Ausrichtung noch in der Findungsphase. Persönlich finde ich aber auch, hat sie eine Chance verdient. Politik lebt vom Diskurs, auch vom zugespitzten, mitunter ins polemische gehende Diskurs ( Wehner versus Strauß z.b.). Und diesen Diskurs braucht der Bundestag wieder.”

        Ja, es eine “taktische” Wahlentscheidung. Ähnlich scheint dies Max Otte zu sehen:

        http://www.dasinvestment.com/als-cdu-mitglied-max-otte-waehlt-afd/

        “Max Otte: „Wünsche mir sehr, dass die AfD drittstärkste Partei wird“

        Insbesondere Bundeskanzlerin und CDU-Partievorsitzende Angela Merkel steht im Zentrum von Ottes Kritik. „Sie schadet ihrer Partei“. Dennoch will Otte CDU-Mitglied bleiben. Mit dem Parteiprogramm gehe er überein. Doch: „Die Spitzenleute haben sich vom Programm wegbewegt.“”

        Ja aber auch dazu, dass ich finde, dass die AfD eine Chance verdient hat.

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