Öl und das Welt­finanz­system

Nicht erst seit den Sanktionen des Westens gegen Russland arbeiten China und die anderen BRICS-Staaten, Brasilien, Russland, Indien und Südafrika, an einer Alternative zum US-Dollar-dominierten Weltfinanzsystem. In drei Wochen findet ein weiteres Treffen der Gruppe der wichtigsten Schwellenländer statt, bei dem das Thema erneut auf der Agenda stehen dürfte.

Einige Beobachter verweisen auf die ungebrochene Dominanz des Dollars und geben Entwarnung. Der Anteil des Dollars an den weltweiten Transaktionen ist stabil hoch, sein Anteil an den Weltwährungsreserven überwältigend. Dennoch gibt es Gründe, die Risiken nicht von der Hand zu weisen.

Da ist zum einen das Risiko einer Abkehr der Bank von Japan von der seit Jahren verfolgten Politik der Zinskurvenkontrolle. Sie beinhaltet, dass die Notenbank den Zins für Staatsanleihen aller Laufzeiten festsetzt, und zwar so niedrig, dass die Finanzierung der Staatsschulden kein Problem ist.

Dadurch lohnt es sich bisher, japanische Yen zu diesen niedrigen Zinsen zu leihen und in höher verzinslichen Papieren in US-Dollar anzulegen. Sobald die Zinsen in Japan steigen, droht eine Umkehr dieser Mittelflüsse.

Es ist gut möglich, dass in einem solchen Szenario nur noch die US-Notenbank Federal Reserve als Käuferin für US-Staatsanleihen verbleibt. Wichtige ausländische Notenbanken, wie jene Chinas und Saudi-Arabiens, befinden sich seit Jahren auf der Verkäuferseite, und die inländische Ersparnis der USA ist nicht groß genug, um das große Angebot an Staatsanleihen aufzunehmen.

Zweifel an der Kaufkraft von Dollar-Guthaben

Das führt zum zweiten Risiko: Während der weltweite Bedarf an Öl in den kommenden Jahren steigen wird, dürfte das Angebot bald beginnen zu sinken. Dabei dürften die USA in den kommenden Jahren wieder zum Nettoimporteur von Öl werden.

Während es in 1980er-Jahren für die USA kein Problem war, Öl in Dollar zu bezahlen, weil die Ölexporteure ihre Erlöse bereitwillig in den USA anlegten, ist das künftig keineswegs gesichert.

Angesichts der hohen Inflation, die Zweifel an der künftigen Kaufkraft von Dollar-Guthaben weckt, könnten die Öl-Exporteure zu der Einschätzung kommen, dass es vernünftiger ist, ihr Öl an Kunden zu verkaufen, die wie China im Gegenzug Maschinen und Anlagen liefern können, oder in kaufkraftstabilem Geld oder in Gold bezahlen. Diese Entwicklungen zeichnen sich schon ab. Saudi-Arabien verkauft sein Öl bereits gegen die chinesische Währung Yuan und Ghana kauft Öl mit Gold.

Das führt zum dritten Risiko für den Dollar: Nach Jahrzehnten des Niedergangs hat Gold eine Renaissance als Währungsreserve erlebt.

Im vergangenen Jahr haben die Notenbanken der Welt nach Angaben des Branchenverbands World Gold Council 1136 Tonnen Gold gekauft, der höchste Wert seit dem Ende des Festkurssystems vor einem halben Jahrhundert. Im Jahr zuvor waren es demnach nur 450 Tonnen.

Gold zeichnet sich dadurch aus, dass es über längere Zeiträume den Wert gegenüber Öl gehalten hat – anders als der Dollar und andere Währungen wie der Euro. Wenn nun von russischer Seite angekündigt wird, die BRICS-Staaten würden an einer goldgedeckten Handelswährung als Alternative zum US-Dollar arbeiten, mag darin auch Propaganda stecken. Gänzlich auszuschließen ist diese Möglichkeit allerdings nicht.

Denn käme es dazu, hätte das handfeste realwirtschaftliche Konsequenzen. Wenn knapper werdende Rohstoffe wie Öl und Lithium nicht mehr überwiegend in Dollar gehandelt werden, sondern in verschiedenen Währungen unterschiedlicher Attraktivität, könnten sich die Warenströme anders entwickeln als bisher.

Zugleich droht der Westen unter Druck zu geraten, ist doch die hohe Verschuldung von Staaten und Privatsektor nur in einem anhaltenden Niedrigzinsumfeld tragbar. Fallen die ausländischen Kapitalanleger weg, die diese niedrigen Zinsen bisher möglich machen, müssen die Notenbanken mit noch großzügigerer Geldversorgung eingreifen. Die Folgen wären Abwertung sowohl des Dollars als auch des Euros und höhere Inflation.

→ handelsblatt.com: “Verliert der Dollar seine Dominanz, droht uns noch mehr Inflation”, 6. August 2023